28.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 163 / Zusatzpunkt 9

Benjamin StrasserFDP - Reform und Kontrolle der Nachrichtendienste

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Das wäre wohl die passende Überschrift für unseren Gesetzentwurf und unseren Antrag, welche wir heute in den Deutschen Bundestag einbringen. Vertrauen ist nicht nur die Grundlage für eine funktionierende zwischenmenschliche Beziehung. Vertrauen der Bevölkerung ist essenziell für die Arbeit von Nachrichtendiensten, und dieses Vertrauen wurde in den letzten Jahren massiv beschädigt. Es wurde beschädigt durch das Staatsversagen im NSU-Skandal, es wurde beschädigt durch den NSA-Abhörskandal, den wir hier aufgearbeitet haben, und es wurde beschädigt durch das Verhalten von Nachrichtendiensten im Fall des Anschlags auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016.

Das alles zeigt sich in einem Resultat, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn zwei Drittel der Deutschen in einer Umfrage angeben, sie hätten wenig bis gar kein Vertrauen in die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes, dann ist das das Ergebnis der letzten Jahre. Das kann uns nicht kaltlassen, sondern das muss für uns Ansporn sein, dass wir durch mehr Kontrolle wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Mai entsprechend geurteilt. Es hat uns als Deutschem Bundestag Hausaufgaben ins Stammbuch geschrieben. Es hat uns Freie Demokraten im Übrigen in unserer Haltung bestätigt, dass wir die Zügel bei der Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste deutlich anziehen müssen. Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Großen Koalition nach dem Urteil entsprechend geäußert haben. So hat die SPD-Parteivorsitzende, Frau Saskia Esken, im „Handelsblatt“ gefordert, das müsse einhergehen mit einer – Zitat – „intensiven, unabhängigen parlamentarischen Kontrolle der geheimdienstlichen Praxis, über deren konkrete Ausgestaltung wir mit möglichst allen demokratischen Parteien im Bundestag eine Einigung herbeiführen sollten“.

Ich weiß nicht, ob der Kollege Sensburg noch anwesend ist.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier vorne sitzt er!)

– Da sitzt er ja, sehr gut.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ich habe mich getarnt!)

Herr Sensburg, Sie haben in demselben Artikel gefordert – Zitat –: „Ich kann die Forderung nach einem Nachrichtendienstbeauftragten nur unterstützen.“ Genau deshalb legen wir Ihnen als Serviceopposition heute einen Gesetzentwurf zur Einführung eines parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten vor.

(Beifall bei der FDP)

Mit diesem Gesetzentwurf wird nicht nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollzogen, er hat auch drei entscheidende Vorteile.

Vorteil Nummer eins: Der Nachrichtendienstbeauftragte wird nicht vom PKGr gewählt, sondern von uns als Parlament mit Zweidrittelmehrheit. Er ist dem ganzen Parlament verantwortlich, und zum ersten Mal in der Geschichte erfährt nicht nur ein Kreis von neun Abgeordneten, sondern das Parlament als Ganzes, was die Nachrichtendienste in ihrer täglichen Arbeit tun.

(Beifall bei der FDP)

Punkt zwei. Wir schaffen ein echtes Frühwarnsystem in der parlamentarischen Kontrolle. Was erleben wir gerade beim KSK-Skandal? – Wir erleben, dass das PKGr erst dann einschreiten kann, wenn die Hütte schon brennt. Erst dann wird der Ständige Bevollmächtigte aktiv. Es besteht momentan keine präventive Kontrolle, und deswegen ist es wichtig, dass ein Nachrichtendienstbeauftragter proaktiv in die Dienste gehen und sich alle Verfahren anschauen kann sowie in den wesentlichen Gremien entsprechend beteiligt ist.

Dritter Vorteil: Der Nachrichtendienstbeauftragte ist eine Ombudsperson. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste, die Missstände feststellen, können sich vertraulich an ihn wenden. Es muss nicht alles immer erst in der Presse breitgetreten werden, sondern wir können als Parlament proaktiv eingreifen, wenn Missstände entstehen.

Was haben wir in den letzten Jahren bei der Nachrichtendienstkontrolle erlebt? Eine Polarisierung auf der einen Seite durch die Unionsfraktion, die ja, wenn es um Nachrichtendienstkontrolle geht, fast im blinden Vertrauen agiert und jedes Kontrollverhalten anstößig findet, und auf der anderen Seite links außen eine Generalkritik, die nichts anderes zum Ziel hat als die Abschaffung der Nachrichtendienste.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir als Freie Demokraten sagen: Teil einer wehrhaften Demokratie sind funktionierende Nachrichtendienste; aber genauso Teil davon ist eine funktionierende parlamentarische Kontrolle.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf und einen Antrag vorgelegt. Sie müssen einfach nur noch zustimmen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Benjamin Strasser. – Hier ist ja heute was los. – Gut, dann geht es weiter. Nächster Redner: Thorsten Frei für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448321
Wahlperiode 19
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Reform und Kontrolle der Nachrichtendienste
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