28.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 163 / Tagesordnungspunkt 22

Helge LindhSPD - Staatsangehörigkeitsrecht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das eigentlich furchtbare Wort „Vaterlandsverrat“ sollte man nicht verwenden. Wenn es aber einmal angemessen gewesen wäre, dann bei der Rede von Herrn Curio.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darüber hinaus ist es auch der Einbringerin des Gesetzentwurfs, also der AfD, tatsächlich gelungen, am eigenen Beispiel deutlich zu machen, dass die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse von Beginn an fatal scheitern kann. Sie sind das beste Beispiel dafür.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man den Gesetzentwurf verstehen will, braucht man nur eine Zeile zu lesen. Ich empfehle, die Begründung, „A. Allgemeiner Teil“, zu lesen. Da steht – ich zitiere den vierten Punkt –: „Beispiel: Türken“. Das ist Ihr Konzept von Staatsangehörigkeit; in dieser Erbärmlichkeit zeigt es sich. Um das noch abschließend durch ein Beispiel zu ergänzen: Wenn einer meiner größten neurechten Fans, Anabel Schunke – sie schaut bestimmt zu und plant schon ihren nächsten Post – gerne von „Passdeutschen“ spricht, dann weiß man, in welchem Umfeld wir uns hier geistig begegnen. Und genau diese braune Tunke ist es, die unsere Debatte über Staatsangehörigkeit so sehr vergiftet und gegen die wir aktiv anarbeiten müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Allerdings – das muss man auch sagen – krankt die Debatte auch daran, dass wir einerseits manchmal zeigen wollen, wie hart und konsequent wir sind, und andererseits unsere Weltoffenheit demonstrieren. Darum geht es aber nicht. Es geht um die Befindlichkeit der Betroffenen; diese müssen im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es geht auch darum, dass sich ein Einwanderungsland zu sich selbst bekennt, und das heißt, nach Regeln und klaren Standards Staatsangehörigkeit zu ermöglichen und nicht Staatsangehörigkeit zu verhindern. Es heißt „Staatsangehörigkeitsgesetz“, nicht „Staatsangehörigkeitsverhinderungsgesetz“.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind aber in der Tat manchmal zu gut darin, Staatsangehörigkeit zu verhindern. Deshalb muss doch insbesondere ein Kriterium sein, Realität anzuerkennen, und das heißt, Anerkennung von Mehrstaatlichkeit.

Und dann das Zweite. Es ist nun mal unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit und das, glaube ich, klügste Denkmal, das wir ihnen bauen können, dass wir uns vor den Leistungen der ersten Generation der Einwanderer, der sogenannten Gastarbeitergeneration, verneigen, davor, was sie – im Unterschied zu Herrn Curio – für dieses Land geleistet haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Und sie verdienen insbesondere die Staatsangehörigkeit dieses Landes.

Wenn das alles so ist und wir das gewährleistet haben,

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu!)

dann wünsche ich mir auch Feiern zum Erhalt der Staatsangehörigkeit, also Einbürgerungsfeiern. Aber diese Einbürgerungsfeiern sind dann nichts mehr wert, wenn zum Beispiel der Eingebürgerte afrikanischer Herkunft in den Bus steigt und Gegenstand von Racial Profiling wird oder wenn sich die Eingebürgerte arabischer Herkunft abends auf dem Sommerfest rechtfertigen muss, ob sie denn wirklich auf dem Boden des Grundgesetzes steht, und aufgefordert wird, dass sie sich klar vom IS distanziert.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Und es scheitert auch, wenn der Eingebürgerte immer noch als Deutscher mit Migrationshintergrund gilt, und es scheitert erst recht, wenn die Angehörigen des Eingebürgerten erleben müssen, wie sie in einer Shishabar von einem Verfechter dieses Reinheitswahns des Deutschtums eiskalt abgeknallt werden.

Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss!

Auch das gehört in diese Debatte, und das müssen wir gewährleisten, sonst belügen wir uns selbst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Enrico Komning [AfD]: Hass und Hetze!)

Damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448785
Wahlperiode 19
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Staatsangehörigkeitsrecht
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