29.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 23

Norbert KleinwächterAfD - Europäische Arbeitnehmerentsendung

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Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Minister! Diese Änderung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist doch nichts als ein Pflästerchen auf einer weit aufklaffenden Wunde. Die EU ist doch schon längst dysfunktional. Die Ideale, die Sie hochhalten, auch gerade Sie wieder, Herr Heil, sind doch oftmals weit weg von der Realität.

Ich nehme als Beispiel den gemeinsamen Markt. Es gibt keinen echten gemeinsamen Markt. Es gibt unterschiedlichste Märkte, die zwangsweise miteinander verbunden sind: mit ganz unterschiedlichen Lohngefügen, mit ganz unterschiedlichen Preisgefügen, mit unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Regelungen. Daher kommt ja auch der große Unterschied und auch viele der Ungerechtigkeiten, die es in der Europäischen Union gibt.

Auch die vier Grundfreiheiten, die oft hochgehalten werden, müssen ganz viele Menschen mit Unfreiheit bezahlen. Nehmen wir die Warenverkehrsfreiheit. Sie dient natürlich auch oft dazu, dass zum Beispiel illegal Drogen transportiert werden oder Diebesgut. Die Kapitalverkehrsfreiheit dient dazu, dass viele reiche Bürger und Unternehmen sagen: Nö, ich zahle keine Steuern in meinem Heimatland, ich suche mir irgendwo eine Steueroase. – Die Personenverkehrsfreiheit führt oftmals zu Lohndruck im unteren Segment des Arbeitsmarkts, weil ganz viele Menschen in ein Land kommen und zu jedweden Löhnen arbeiten. Und die Dienstleistungsfreiheit funktioniert ganz ähnlich: Jeglicher Unternehmer kann Dienstleistungen in der ganzen Europäischen Union anbieten, egal zu welchem Preis.

Die EU-Kommission merkt selbst, dass das nicht wirklich funktioniert. Deswegen schreibt sie eine Richtlinie nach der nächsten, jetzt nun eben auch diese Änderung der Entsenderichtlinie. Diese Richtlinien haben alle etwas gemeinsam: Sie sind kompliziert, sie sind bürokratisch, und eigentlich war es besser, als es die Mitgliedstaaten noch selbst geregelt haben.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Betrachten wir mal diese Entsendung genauer. Wen betrifft sie? Was bedeutet Entsendung? Ein Unternehmer, der im Ausland sitzt, entsendet eine Arbeitskraft, zum Beispiel nach Deutschland. Das betrifft drei große Personengruppen: zum einen die Fachkräfte, zum Beispiel zum Aufbau einer Zweigstelle. Sie sind ganz bestimmt nicht die Zielgruppe dieses Gesetzentwurfs.

Es betrifft zum Beispiel den polnischen Dachdecker, der in Brandenburg ein Dach macht. Auch er ist nicht betroffen, weil Montageleistungen dieser Art, wenn sie nur kurz dauern, von dieser Regelung ausgenommen sind.

Wen Sie adressieren – das haben Sie nicht wirklich gesagt, Herr Heil –, ist die große Masse an Billiglöhnern, die mittlerweile in millionenfacher Anzahl quer durch die komplette Europäische Union verschoben werden, weil wir mittlerweile europaweit eine Subkultur des Subunternehmertums haben. Sie funktioniert so, dass es ein Unternehmen A gibt, zum Beispiel in Deutschland, das eben keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze schaffen will. Deswegen macht es einen Werkvertrag mit Unternehmen B, zum Beispiel aus Bulgarien, das dann seine Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet. Diese Leute bekommen in Deutschland miese Löhne. Sie wohnen in miesen Behausungen. Und sie haben vor allem auch keine Sprachkompetenz im Deutschen. Das heißt, wenn sie ungerecht behandelt werden, haben sie oft keinen Zugang zum Rechtssystem hier in Deutschland.

Alles, was der EU-Kommission und Ihnen dazu einfällt, ist, dass Sie das Wort „Mindestentgelt“ durch „Entlohnung“ ersetzen und zum Beispiel auf allgemeine tarifvertragliche Bestimmungen abheben. Aber ich stelle mir dann die Frage: Was, wenn es keinen allgemeinen Tarifvertrag gibt? – Und Sie legen fest, dass Unterkünfte endlich mal hygienischen Anforderungen genügen sollten. Ja, erwarten Sie jetzt echt Lob dafür von mir?

Ehrlich gesagt, es ist eine Zumutung, was Sie ansonsten in das Gesetz reinschreiben, zum Beispiel die Regel, dass erst nach zwölf Monaten der volle arbeitsrechtliche Schutz gelten soll. Ich bin der Ansicht, dass jemand dann, wenn er mehrere Monate hier in unserem schönen Land lebt und arbeitet, selbstverständlich vollen arbeitsrechtlichen Schutz haben sollte.

(Beifall bei der AfD)

Es geht noch weiter. Die Regelung betrifft auch die Sozialversicherungen und die Partizipation. Die Arbeitnehmer, die entsandt werden, sind zu Hause irgendwie krankenversichert und rentenversichert. Aber wir wissen nicht, nach welchen Regularien. Es wäre nur recht und gerecht, wenn auch die entsandten Arbeitskräfte bei uns sozialversicherungspflichtig beschäftigt wären und in die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung einzahlten und dann auch von den Leistungen profitieren könnten. Das wäre gleicher Lohn für gleiche Arbeit – und nicht das, was hier in Ihrem Gesetz steht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Letztendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir keine symptomatische Therapie wie das hier – das verbessert ein bisschen –, sondern wir müssen uns eigentlich darüber unterhalten, dass die EU für viele Bürger keine EU der Freiheit, sondern eine EU der Ausbeutung ist.

(Beifall bei der AfD – Kerstin Tack [SPD]: Da war kein roter Faden!)

Nächster Redner ist der Kollege Uwe Schummer, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448801
Wahlperiode 19
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Europäische Arbeitnehmerentsendung
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