29.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 164 / Zusatzpunkt 13

Niels AnnenStaatsminister im Auswärtigen Amt - Sicherheitsgesetz für Hongkong

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung in Hongkong sehr genau. Mit dem Beschluss des Nationalen Volkskongresses hat die Volksrepublik China angekündigt, ein Sicherheitsgesetz für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong zu erlassen. Dieses Gesetz – es sind noch nicht alle Details bekannt – ist seit Langem Gegenstand politischer Auseinandersetzung. Hongkongs Grundgesetz sieht vor, dass ein Sicherheitsgesetz beschlossen werden muss, auf dessen Grundlage unter anderem Verrat, Sezession und Aufruhr verfolgt und bestraft werden sollen. Auch politische Aktivitäten von ausländischen politischen Organisationen in Hongkong sollen verboten werden. Bereits 2003 gab es den Versuch, ein solches Gesetz einzuführen. Sie alle, meine Damen und Herren, erinnern sich daran: Es endete in Massendemonstrationen. Das Vorhaben wurde aufgegeben.

Bundesminister Maas hat gestern klargemacht – ich zitiere ihn –:

Das hohe Maß an Autonomie Hongkongs darf nicht ausgehöhlt werden. Die Bürgerinnen und Bürger Hongkongs genießen Freiheiten und Rechte, die ihnen durch das Basic Law und den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ gewährt werden. Wir erwarten, dass diese rechtsstaatlichen Prinzipien eingehalten werden.

Und bereits am vergangenen Montag gab es eine EU-Demarche im chinesischen Außenministerium, bei der alle 27 EU-Mitgliedstaaten folgende Bedenken deutlich gemacht haben:

Erstens. Wir haben ein starkes Interesse an Stabilität und Wohlstand in Hongkong im Rahmen des Prinzips „ein Land, zwei Systeme“.

Zweitens. Wir legen großen Wert auf den hohen Grad der Autonomie Hongkongs, der sowohl durch das Basic Law als auch in internationalen Verpflichtungen garantiert wird.

Drittens. Wir halten eine demokratische Debatte unter Einbeziehung aller relevanten Kräfte und die Achtung der Rechte und Freiheiten für Hongkong für den besten Weg zur Einführung eines Sicherheitsgesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geplante Sicherheitsgesetz wird mit einer schwerwiegenden Bedrohung der Stabilität Hongkongs begründet. Peking hofft offenbar, dadurch die Lage in Hongkong zu stabilisieren. Die Bundesregierung sieht diese schwerwiegende Bedrohung nicht. Im Gegenteil: Unsere Einschätzung ist vielmehr, dass nur der Geist von „ein Land, zwei Systeme“ zur Beruhigung der Lage in Hongkong führt. Der chinesische Außenminister Wang Yi hat erklärt, dass der hohe Grad an Autonomie, die Grundrechte und die Freiheiten der Hongkonger Bürgerinnen und Bürger sowie die legitimen Interessen ausländischer Investoren gewahrt bleiben. Diese Erklärung ist zu begrüßen. Europa wird Außenminister Wang Yi beim Wort nehmen.

Im Rahmen von „ein Land, zwei Systeme“ sollten wichtige Gesetze zur inneren Ordnung Hongkongs durch die legislative Versammlung Hongkongs verabschiedet werden. Die Durchsetzung des Gesetzes sollte durch Hongkonger Behörden und die Auslegung des Gesetzes durch Hongkonger Gerichte erfolgen und Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt bleiben. Unser Verständnis ist darüber hinaus, dass die üblichen Kontakte von ausländischen Diplomaten, Parlamentarierinnen und Parlamentariern, zivilgesellschaftlichen Organisationen zu politischen Kräften in Hongkong nicht beeinträchtigt werden sollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erlaube mir die Bemerkung, da hier nun mehrfach angesprochen worden ist, dass sich die Bundesregierung und auch die Bundeskanzlerin nicht geäußert hätten: Gerade weil die Bundeskanzlerin unlängst formuliert hat – ich zitiere sie –, „dass China nicht irgendein Partner und Wettbewerber ist, sondern ein Land, mit dem es tiefgreifende Unterschiede in Fragen der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und der Menschenrechte gibt“, sind die engen und die substanzreichen Beziehungen zwischen Deutschland und China von so großem Wert.

Sie wissen, dass wir eine etablierte Beziehung zur Volksrepublik China haben mit regelmäßigen Regierungskonsultationen, an denen übrigens nicht nur die Bundeskanzlerin persönlich und der Außenminister teilnehmen, sondern auch eine Reihe von zentralen Mitgliedern der deutschen Bundesregierung und des chinesischen Kabinetts. Sie wissen, dass es zahlreiche Dialogformate gibt inklusive eines Menschenrechtsdialoges, in dem diese Fragen regelmäßig angesprochen werden.

Ich will hier aber auch sehr deutlich sagen: Von einer neuen globalen Konfrontation wird am Ende niemand profitieren. Deshalb – das ist mir sehr wichtig – wollen wir – ich sage das auch im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, mit denen wir enge und freundschaftliche Beziehungen unterhalten – den hohen Grad an Autonomie Hongkongs auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorschnell verloren geben.

Wir werden, wenn es denn die Coronabedingungen zulassen sollten, was wir alle sehr hoffen, in den nächsten Wochen und Monaten sehr viele Gelegenheiten haben, mit China in einen Dialog zu treten: im Rahmen des EU-China-Gipfeltreffens, das für Ende Juni anvisiert ist – es wird im Moment daran gearbeitet, das zu realisieren; möglicherweise über eine Videoschalte –, aber auch – das ist hier angesprochen worden – beim geplanten EU-China-Gipfel in Leipzig, von dem wir hoffen, dass wir einen Weg finden, ihn zu realisieren.

Wir werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, alles daransetzen, eine gute Lösung zu finden, mit der Stabilität, Recht und Freiheit für Hongkong im Einklang mit „ein Land, zwei Systeme“ gewahrt bleiben können.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Stefan Liebich.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Sekunde, Herr Liebich. – Die Zeit für die namentliche Abstimmung ist abgelaufen. Es geht um die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zum Bundeswehreinsatz in Mali. Deshalb frage ich: Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das noch nicht abgestimmt hat?

(Zuruf: Ja!)

– Dann aber schnell. – Bitte sehr, Sie haben das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448834
Wahlperiode 19
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Sicherheitsgesetz für Hongkong
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