Frank SchwabeSPD - Sicherheitsgesetz für Hongkong
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! In der Tat – dieser Schlenker sei mir gestattet – ist es ein bisschen schizophren, was Sie von der AfD veranstalten. Ich frage mich die ganze Zeit, welche Rede Sie eigentlich online stellen werden; denn Sie haben hier völlig konträre Positionen vertreten. Ist aber nicht so schlimm.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Wir reden hier über die Frage von Menschenrechten, von Demokratie und von Rechtsstaat. Das sind in der Tat unteilbare Fragen. Ich habe es schon ein paar Mal gesagt und sage es immer wieder: Jeder hat so seine eigenen Reflexe, aber es wäre trotzdem gut, wenn wir denen nicht erliegen würden und nicht Menschenrechtsfragen sozusagen nach der Landkarte oder der Geografie beurteilen, sondern Menschenrechtsfragen dort ansprechen, wo es notwendig ist, und die Verletzung von Menschenrechten gemeinsam dort verurteilen, wo es notwendig ist. Das sage ich einmal so ganz allgemein.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Was China angeht, ist es leider so, dass es dort eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen gibt – viele davon sind angesprochen worden –, die über die Lage in Hongkong hinausgehen, wie die Frage der Uiguren,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tibet!)
die Kritik an Organentnahmen, die Unterdrückung von Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsverteidigern usw. Was der richtige Mechanismus dafür ist, dem zu begegnen, darüber müssen wir in der Tat diskutieren. Ich bin durchaus offen dafür, wenn bei solchen Fragen Magnitskij-Gesetze diskutiert werden. Ich bin offen dafür, bei solchen gravierenden Menschenrechtsverletzungen das Völkerstrafrecht zu diskutieren. Ich glaube, Deutschland geht dort mit gutem Beispiel voran.
Ich war eigentlich geneigt, der FDP zu danken – ich will es immer noch machen – für die Initiative, diese Debatte hier zu führen; das ist gut. Trotzdem glaube ich, Sie müssen ein bisschen aufpassen, dass Sie sich in Ihrem Elan – ich hätte fast gesagt: in Ihrem jugendlichen Elan – nicht überschlagen und jetzt sozusagen alles durcheinanderwerfen. Dankenswerterweise – ich habe es gerade noch einmal nachgelesen – wird die Forderung, dass der China-EU-Gipfel abgesagt werden soll, im Antrag der FDP gar nicht aufgestellt. Insofern wäre es vielleicht ganz gut, wenn die FDP das hier noch klarstellt. Das macht jedenfalls keinen Sinn; ganz im Gegenteil: Wir müssen darüber diskutieren, was wir von China verlangen, und müssen das dann im Dialog mit ihnen auch entsprechend einbringen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der SPD)
Bei aller Kritik und bei aller Auseinandersetzung ist es, glaube ich, doch wichtig, dass heute ein – –
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jensen?
Ja.
Herzlichen Dank. – Herr Schwabe, das mit dem jugendlichen Leichtsinn nehme ich Ihnen nicht so übel.
(Marianne Schieder [SPD]: „Elan“! Nicht „Leichtsinn“!)
Der Grund, warum in unserem Antrag noch nicht steht, dass der EU-China-Gipfel abgesagt werden soll, war der Hebel, den die Bundesregierung bis dato hatte, als das Sicherheitsgesetz eben noch nicht verabschiedet war bzw. das Standing Committee mit der Verabschiedung beauftragt wurde. Man hätte diesen Hebel nutzen können, dass die Sprache möglicherweise noch heruntergeschraubt wird und drakonische Strafen eben nicht, so wie sie jetzt da drinstehen, aufgesetzt werden. Deswegen ist der Antrag innerhalb dieser zwei Tage aus unserer Perspektive – deswegen haben wir hier gefordert, den EU-China-Gipfel abzusagen – angepasst worden. Ich denke, es ist in einer so aktuellen Debatte durchaus legitim, neue aktuelle Ereignisse dann auch entsprechend neu zu bewerten.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja kein Dialog mehr!)
Gehen Sie nicht mit in der Annahme – wir haben das im Menschenrechtsausschuss schon debattiert –, dass dieser Gipfel, auf dem die chinesische Regierung ihre Propaganda dann auf öffentlicher Weltbühne machen würde, nicht das richtige Dialogforum ist? Es geht explizit nicht darum, dass wir als FDP sagen: Wir sprechen uns gegen Dialog aus.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Kein Dialog ist besser?)
Es geht nur darum, dass wir einen solchen Gipfel, diese Öffentlichkeit, die die chinesische Regierung dann missbrauchen würde, nicht für den richtigen Weg als Reaktion auf die derzeitige Situation halten.
(Beifall bei der FDP)
Frau Kollegin Jensen, vielen Dank. Ich nehme den spontan aufgekommenen Unterton, was das Jugendliche angeht, auch gerne zurück.
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist auch besser so!)
Es stimmt – da haben Sie recht –, das sollte man nicht machen.
Ich meine, es ist ja gut, dass das jetzt noch einmal geklärt wird, weil es im Antrag in der Tat nicht steht. Die Argumentation finde ich zwar ein bisschen, sagen wir einmal, herbeigezogen, aber es ist interessant, das klarzumachen. Wenn ich es richtig verstehe, ist die FDP aber die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die sagt: Diesen Dialog wollen wir gar nicht führen. Ich sage es noch einmal: Ich bin bei denen, die sagen: Volle Kritik an dem, was China macht, gerade gegenüber Hongkong; aber am Ende sollten wir zusammenkommen. Wir werden ja sehen, wie sich die Chinesen auf diesem Gipfel verhalten. Ich glaube, die Bauchschmerzen auf chinesischer Seite sind am Ende größer, wenn wir die Kritik vorher klar und deutlich formulieren. Das tut der Deutsche Bundestag heute durchaus. Insofern sollte der Gipfel wie geplant stattfinden.
(Beifall bei der SPD)
Ich wollte eigentlich noch einmal die Gemeinsamkeit bemühen und auf das eingehen, was schon angesprochen wurde. Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich in der Tat in breiter Einigkeit positioniert. Das kann man hier noch einmal zur Kenntnis geben. Ich darf zitieren aus der Erklärung, die der Menschenrechtsausschuss abgegeben hat:
Die Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe stehen an der Seite der Tausenden friedlichen Demonstrierenden, die gegen die Einschränkung ihrer Menschenrechte sowie die Untergrabung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit protestieren.
Weiter heißt es:
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages fordert die chinesische Regierung auf, das international breit kritisierte und widerrechtliche Gesetzesvorhaben sofort fallen zu lassen, den freiheitlichen Status Hongkongs nicht weiter zu gefährden und internationale Verträge einzuhalten.
Es ist wichtig, dass das als gemeinsame Botschaft bei aller Kontroverse der Debatte bestehen bleibt.
Wie soll also die Welt auf das reagieren, was China im Bereich Hongkong plant? Wir haben gerade die Rolle der USA durchaus kritisch beleuchtet. Es ist leider ein Problem, dass die USA multilaterale Verabredungen kontinuierlich untergraben. Ansonsten wäre es viel glaubwürdiger, wie die USA gerade gegenüber China auftreten. Trotzdem will ich sagen: Da gibt es eine Gemeinsamkeit in der Einschätzung. Wir sollten mit den USA zumindest darüber diskutieren, wie wir dort gemeinsam vorgehen. Ansonsten hat Bundesaußenminister Heiko Maas – Staatsminister Annen hat das unterstrichen – parallel beim EU-Treffen deutlich gemacht, dass es wichtig ist, eine entschlossene und geschlossene Haltung der EU zu haben, und dass wir die Ratspräsidentschaft im Hinblick auf den EU-China-Gipfel, über den hier vielfach diskutiert wurde, nutzen wollen. Deswegen: Boykotte bringen uns nicht weiter, wohl aber eine glasklare Sprache.
Die Kritik am Bundesaußenminister ist in hohem Maße unangemessen. Man muss sich nur ein paar Monate zurückbeamen. Damals hat sich Heiko Maas mit Joshua Wong getroffen; das war ein klares Zeichen. Das wurde in China im Übrigen auch so aufgefasst. Das hat zu einer gewissen Eiszeit in den diplomatischen Beziehungen geführt. Insofern kann man Heiko Maas am wenigsten vorwerfen, sich nicht klar positioniert zu haben.
(Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo war er denn danach?)
Ich will noch einmal betonen, dass das, was wir hier diskutieren, in keiner Weise antichinesisch ist. Ganz im Gegenteil: Wir machen das in Freundschaft mit China. Wir sprechen uns für Menschenrechte, für den Rechtsstaat und für das Gelten internationaler Verabredungen aus. Wir diskutieren gerade ganz viel darüber, was Corona eigentlich mit uns macht und welche Systeme auf der Welt erfolgreicher sind, ob vielleicht sogar Diktaturen erfolgreicher mit Coronaherausforderungen umgehen können oder ob es Demokratien sind. Mein Eindruck ist, dass das, was China gerade macht, eigentlich kein Zeichen von Stärke ist, sondern ein Zeichen von Schwäche. China hat Angst, dass es in Hongkong einen Nukleus an Demokratie, Menschenrechten und Freiheit gibt, der sich am Ende auf China auswirken könnte. Es ist wichtig für uns, deutlich zu machen: Die Demokratie, das demokratische System, ist am Ende das erfolgreichere und das richtige System.
Abschließend noch einmal: Wir stehen breit, mit überwältigender Mehrheit im Deutschen Bundestag an der Seite derjenigen, die in Hongkong für Freiheit und Demokratie demonstrieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448840 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Sicherheitsgesetz für Hongkong |