29.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 27

Lukas KöhlerFDP - Sozial-ökologische Transformation

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kruse, Sie haben eben darüber gesprochen, dass wir die Marktregulierung einführen wollen.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Das hat an ein paar Stellen ein bisschen wehgetan. – Ich muss sagen: Bei einigen Punkten haben Sie recht. Ich glaube, Märkte brauchen einen Rahmen, damit sie funktionieren. Wir müssen diese Rahmen aber so klug setzen, dass sie nicht behindert werden, und das ist das, was passieren könnte.

Herr Bleck, Sie sagten, das Programm der Grünen, das hier vorgelegt wurde, sei ein Flickenteppich. Ich bin froh, dass die Grünen sich Gedanken gemacht haben. Bei Ihrer Fraktion habe ich das bis jetzt noch nicht gesehen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU])

Der Punkt ist: Inhaltlich ist es dann wieder was anderes. Das ist ein bisschen das Problem bei der ganzen Debatte um die Coronamaßnahmen, die wir im Moment führen. Wir sehen, dass alle versuchen, alles aus ihrem Köcher – Dinge, die sie eh schon lange gefordert haben – einzusetzen. Sie sagen: Mensch, wir geben jetzt so viel Geld aus. Wir entwickeln keine neuen Ideen, sondern fördern mal das, was wir eh schon immer machen wollten. – Das finde ich schade, obwohl man bei einigen Punkten sicherlich diskutieren kann, ob es sinnvoll ist. Bei vielen, würde ich sagen, ist es das aber eher nicht.

Carsten, du hast gerade von den Nachahmern beim EEG gesprochen. Darauf möchte ich jetzt noch ein bisschen eingehen. Es gibt viele Leute, die sich gerade um die erneuerbaren Energien bemühen, und ich glaube, dass in alldem ein Funke Wahrheit liegt, über den wir reden müssen. Der Klimawandel und die Coronakrise sind in den letzten Monaten auf drei unterschiedliche Arten verbunden worden. Ich glaube, zwei davon sind eher irrelevant.

Zum Beispiel freuen sich manche angesichts dieser tödlichen Pandemie darüber, dass wir sinkende Emissionen haben. Wer Degrowth, Entschleunigung oder anderen esoterischen Nonsens predigt, der hat vom realen Leben leider wenig verstanden.

(Beifall bei der FDP)

Wer meint, dass Klimaschutz jetzt ein Luxus sei, den wir uns erst mal nicht mehr leisten könnten, der hat nicht begriffen, dass der Klimawandel keine Modeerscheinung für jugendliche Schulschwänzer, sondern ein reales Problem ist, das in Teilen des globalen Südens schon heute – in Zukunft aber noch viel mehr – die Existenz vieler Menschen bedroht. Das ist ein Problem, mit dem wir umgehen müssen.

Es gibt mindestens eine Gemeinsamkeit, die Coronakrise und Klimawandel haben: Sie sind eine Riesenherausforderung für die Wirtschaft. Abgesehen von den akuten Rettungen durch Liquiditätshilfen, die Unternehmen dringend brauchen, die sie auch ganz unabhängig von politischen Maßnahmen gebraucht haben, einfach, um überleben zu können, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Wirtschaft in Zukunft wieder in Schwung bringen können.

Herr Kollege Köhler, kann ich Sie kurz unterbrechen?

Aber natürlich.

Ich muss eine amtliche Maßnahme vornehmen, die mit dem Ende der namentlichen Abstimmung zu tun hat. Ich garantiere Ihnen, dass Ihnen diese Unterbrechung mit einer Minute zusätzlicher Redezeit gutgeschrieben wird.

Fantastisch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 26 a. Die Zeit für die namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Bundeswehreinsatz MINUSMA ist gleich vorbei. Ich frage: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend oder sichtbar, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.

Lieber Herr Kollege Köhler, Sie haben jetzt erneut das Wort zu Ihrer Rede.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie können noch mal beginnen!)

Noch mal von vorn? Sie fanden es so gut, dass ich noch mal anfangen soll? Super!

Der Klimaschutz hat eine ganz andere Dimension als die Coronakrise, da er ein viel langfristigeres Projekt ist. Wir müssen bis 2050 klimaneutral werden, um das Pariser Abkommen zu erfüllen. Das heißt aber auch, dass wir die Investitionen, die die Wirtschaft heute tätigt, betrachten müssen: Ein Stahlwerk, das gebaut wird, wird in 30 Jahren abgeschrieben sein. Das heißt, die Maßnahmen, die wir uns heute zur Förderung der Wirtschaft überlegen, die wir jetzt umsetzen wollen, müssen in diesen Investitionszyklen gedacht werden. Das zurückzustellen, den Klimawandel auszublenden, die Überlegungen zum Schutz des Klimas zurückzustellen, würde nur dazu führen, dass wir die Kosten versenken, die wir heute aufrufen. Das wäre völliger Nonsens. Wir haben nicht das Geld, um die Investitionen zweimal zu tätigen. Wir müssen also im doppelten Wortsinne nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreichen. Und dabei müssen wir den Weg in eine klimaneutrale Zukunft mitbedenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss zugeben: Für mich als Liberalen sind Konjunkturprogramme, Konjunkturpakete schwierig. Ich bin der Meinung: Der Staat soll sich raushalten, dann macht er die beste Wirtschaftspolitik. Der Staat muss zurückstehen und nicht in irgendeiner Weise die Wirtschaft behindern. Aber diese aktuelle Rezession, die auf uns zukommt, ist keine normale Situation, in der ich als Liberaler sagen würde: Wir gehen nach dem Lehrbuch vor. Vielmehr ist es eine vom Staat hervorgerufene Situation durch Maßnahmen, die nötig waren, um die Gesundheit unserer Bevölkerung zu schützen. Diese Maßnahmen, die wir eingeführt haben und die weltweit eingeführt wurden, führen natürlich zu einer Rezession.

Deswegen ist es auch richtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir als Staat der Wirtschaft helfen können, wieder auf die Füße zu kommen. Das muss aber mit fairen Regeln und klaren Spielregeln geschehen. Das können keine Einzelfördermaßnahmen sein. Wenn der Ministerpräsident Kretschmann von Baden-Württemberg Abwrackprämien fordert, dann ist das der falsche Weg. Das ist wieder eine Forderung, dass wir einzelne Industrien retten, dass wir in einzelnen Bereichen vorwärtsgehen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Ich glaube, die Rahmenbedingungen müssen so gesetzt sein, dass wir ein wirkliches Fortkommen durch Entlastung schaffen. Das ist der viel klügere Weg.

(Beifall bei der FDP)

Wichtig ist jetzt, Wirtschaftskompetenz und Klimaschutz miteinander zu verbinden. Deswegen bin ich den Jugendbewegungen der letzten Jahre dankbar dafür, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich bin allen, auch hier im Haus, dankbar, dass der Klimaschutz so wichtig geworden ist. Er ist ein absolut relevanter Faktor, auch im Hinblick auf Zukunftsinvestitionen.

(Timon Gremmels [SPD]: Das müssen Sie Herrn Theurer mal sagen! Herr Theurer sieht das anders!)

– Herr Theurer sieht das ganz genauso. – Das sind nicht meine Ideen, von denen ich da spreche, das sind die Ideen derjenigen, die wirklich etwas von Wirtschaft verstehen, und das sind eben viele der Wirtschaftsbosse: Das ist der Chef von Daimler, der sagt, dass wir den Klimawandel nicht verneinen sollten, obwohl es die Coronakrise gibt. Das ist der Chef von BlackRock, der seinen Unternehmen sagt, dass sie nachhaltig in Klimaschutz investieren müssen.

(Zurufe von der SPD)

Genau das sind die Wege, auf denen wir jetzt gehen müssen. Ich glaube, es ist wichtig, heute darüber nachzudenken, dass man Wirtschaftskompetenz braucht, um den Klimawandel zu bewältigen. Und da, meine Damen und Herren, stehen wir hier im Hohen Haus natürlich an erster Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lachen des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die Chance, Investitionen vorzuziehen. Ich glaube, dass das gerade für die Energiewende extrem relevant ist. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stromnetze endlich ertüchtigt werden; da müssen wir schneller vorangehen. Das Planungssicherstellungsgesetz war nur ein erster Schritt. Wir müssen dafür sorgen, dass das, was wir in Zukunft an Veränderungen am Industriemarkt brauchen, endlich umgesetzt wird. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger entlasten, und wir müssen dafür sorgen, dass es nicht zu unnötigen Belastungen kommt, indem wir Maßnahmen vorsehen, die nicht dem Klimaschutz dienen, aber den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen.

Deswegen ist es so wichtig, dass wir endlich darüber nachdenken, wie wir mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz umgehen. Das bringt im ersten Jahr gar nichts fürs Klima: Mit 25 Euro – gerade bei den aktuellen Energiepreisen – haben Sie nichts für den Klimaschutz gewonnen; aber Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern viel Geld aus der Tasche genommen, Sie haben den Gießereien das Leben erschwert, Sie haben den Textilindustrien, die gerade die Mundschutze nähen, die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt genommen. Das kann noch nicht das Ziel sein. Wir wollen Klimaschutz umsetzen; wir wollen doch nicht die Menschen belasten.

Frau Ministerin Schulze, Sie hatten gestern noch mal angesprochen, wie gut der Emissionshandel funktioniert. Ich glaube, das sehen wir.

(Zuruf des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Wir sehen es am letzten Jahr, wir sehen, welchen positiven Effekt er hat. Wir sehen es aber auch an den Märkten, weil der Emissionshandel konjunkturstärkend funktioniert. Er stärkt die Konjunktur dadurch, dass keine so hohen Energiepreise aufgerufen werden. Das müssen wir mitnehmen; denn das ist der Weg, wie wir Klimaschutz wirklich umgesetzt bekommen. Deswegen wäre die Ausweitung des Emissionshandels einfach ein wichtiges Thema.

Ein letzter Punkt. Ich schätze den Staatssekretär Flasbarth aus dem Umweltministerium sehr. Er ist ein extrem kluger Mann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau!)

– Ich meine den Staatssekretär im Umweltministerium, nicht Frau Staatssekretärin Flachsbarth aus dem Entwicklungsministerium. – Ich fand es erschreckend, dass er Maßnahmen, die hier im Hohen Haus diskutiert werden, als dumm bezeichnet. Gerade die Idee, den Emissionshandel auszuweiten, als dumm zu bezeichnen, finde ich in einer politischen Debatte unangemessen. Das fand ich schade, zumal Sie ja selber gesagt haben, wie gut er funktioniert.

Es gibt drei Wege, wie wir mit dem Klimaschutz und der Coronakrise umgehen können: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen entlasten, wir müssen Investitionen vorziehen, wir müssen die Wirtschaft stärken und dürfen dabei aber nicht den Klimawandel und die anderen notwendigen Maßnahmen vergessen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Das ist der richtige Weg in die Zukunft. Wir gehen ihn gemeinsam und freuen uns darauf.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Köhler. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Bernd Riexinger.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448865
Wahlperiode 19
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Sozial-ökologische Transformation
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta