Timon GremmelsSPD - Sozial-ökologische Transformation
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt mussten wir am Freitagnachmittag zwei Redner der AfD ertragen, die hier sieben Minuten unserer Zeit geraubt haben,
(Zurufe von der AfD)
sich sozusagen an allen anderen abgearbeitet haben, aber nicht einen einzigen Vorschlag geliefert haben, wie sie sich vorstellen, wie wir die Konjunktur ankurbeln können – nicht einen Vorschlag!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])
Das ist erbärmlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich hoffe, das haben sehr viele Menschen draußen an den Bildschirmen gesehen.
Wir als SPD sagen: Ja, wir müssen aus dieser größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg rauskommen.
(Stephan Brandner [AfD]: Nein!)
Wir müssen die Wirtschaft ankurbeln, wir müssen die Wirtschaft unterstützen, und wir müssen hier etwas tun. Wir beschäftigen uns damit heute hier in einer Debatte.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Wir hatten schon am Mittwoch eine Diskussion darüber in der Aktuellen Stunde gehabt, die wir als Große Koalition beantragt hatten. Heute sind die Grünen und die FDP dran, und zwar unter der Überschrift „Sozial-ökologische Transformation“. Das kommt mir etwas bekannt vor:
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die von uns abgeschrieben!)
Im Berliner Programm aus den 80er-Jahren und im Wahlprogramm 1990 war vom sozial-ökologischen Umbau die Rede; ihr habt ein bisschen abgekupfert und daraus „Transformation“ gemacht. Es sei euch gestattet.
(Beifall des Abg. Johannes Schraps [SPD])
Wir wissen also, wie man die Chance nutzt, die Gesellschaft sozial-ökologisch weiterzuentwickeln, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und wir haben es auch gemacht. Wir haben es übrigens zusammen gemacht, liebe Grüne, damals in der Regierung Gerhard Schröder/Joschka Fischer. Wir haben gesagt: Wir wollen aus der Atomenergie raus.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Altautoverordnung!)
Wir haben auch gesagt, was wir stattdessen wollen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Altautoverordnung“ sage ich nur!)
Wir haben nämlich damals die Energiewende mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeleitet. Gemeinsam haben wir das gemacht, und es war ein echtes Konjunkturprogramm. Wir haben da gute Arbeitsplätze geschaffen.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Im Jahre 2013 waren das über 370 000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien. Wir haben Bürgerinnen und Bürger mitgenommen, Stadtwerke mitgenommen. Wir haben regionale Wertschöpfung generiert.
Wir wissen also, wie man nachhaltig die Energiewende voranbringt,
(Beifall bei der SPD – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wolfgang Clement!)
die Wirtschaft ankurbelt und die Menschen mitnimmt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran können wir anknüpfen.
(Stephan Brandner [AfD]: Die haben nur Scheiß gemacht!)
Und ich bin sehr dankbar, dass Svenja Schulze als unsere Umweltministerin hier gute Vorschläge geliefert hat. Denn es geht jetzt darum, die Klimakrise und die Coronakrise eben nicht gegeneinander auszuspielen und sie auch nicht gleichzusetzen.
(Stephan Brandner [AfD]: Krisen „gegeneinander ausspielen“? Was ist das denn für ein Unsinn?)
Aber wenn wir die Chance haben, jetzt im dreistelligen Milliardenbereich Investitionen anzukurbeln, dann ist das doch die historisch einmalige Chance, beide Krisen, die existenziell sind, gemeinsam zu bearbeiten.
(Stephan Brandner [AfD]: Wow!)
Bei mir im Wahlkreis würde man sagen: Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese beiden elementaren Herausforderungen, diese beiden elementaren Krisen nicht gemeinschaftlich angingen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Deswegen gehören diese Dinge untrennbar zusammen, auch wenn wir sie nicht gleichsetzen.
Ich bin dankbar, dass es gute Vorschläge aus dem Bundesumweltministerium gibt: Sonderabschreibungen für Investitionen erstens im Bereich der Energieeffizienz, zweitens im Bereich des Wärmesektors, indem wir Anreize für energetische Gebäudemodernisierung auf den Weg bringen.
(Stephan Brandner [AfD]: Alles alte Kamellen!)
Weitere Vorschläge, die ich sehr begrüße: Innovationsfonds für die Start-up-Szene auf den Weg bringen, um den Klimaschutz zu verbessern, die Umstellung von Heizungen auf Erneuerbare weiter fördern, die Förderprogramme, die sehr gut nachgefragt sind, weiter ausbauen,
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
die EEG-Umlage weiter absenken,
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
endlich die Photovoltaik und die Windkraft weiter stärken und nicht zurücksetzen. Deswegen ist es gut, dass die Große Koalition
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
sich jetzt endlich darauf geeinigt hat,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
nicht Windkraft und Photovoltaik gegeneinander auszuspielen, sondern den PV-Deckel aufzuheben und die Windkraft auszubauen. Das zeigt auch, dass diese Große Koalition zwar lange braucht, aber handlungsfähig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Stephan Brandner [AfD] und Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ja, wir müssen auch den Wasserstoff voranbringen. Wasserstoff soll eine zentrale Bedeutung bekommen. Wir müssen da ambitioniert vorangehen. Deswegen brauchen wir eine Wasserstoffstrategie, um grünen Wasserstoff zu produzieren; da brauchen wir eine Produktion mit einer Leistung von insgesamt 10 Gigawatt.
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Das ist das, was wir jetzt auf den Weg bringen müssen. Das ist nachhaltige ökologische Politik, die der Wirtschaft hilft, der Industrie hilft und die den Beschäftigten hilft, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit Blick auf die Beschäftigten sage ich Ihnen ganz klar: Wir müssen im Automobilland Deutschland auch die Automobilbranche mitberücksichtigen. Und ehrlich gesagt: Wenn ich höre, dass Frau Göring-Eckardt der SPD vorwirft, wir wären Lobbyisten der Autoindustrie, kann ich nur entgegnen: Nein,
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerhard Schröder findet, das ist ein Lob!)
wir sind nicht Lobbyisten der Vorstände von VW, von Mercedes oder von BMW; wir sind die Lobbyisten der 2 Millionen Menschen, die im Bereich der Automobilindustrie arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deren Anwältin ist die Sozialdemokratie. Darauf sind wir stolz. Wir müssen den Wandel gemeinschaftlich mit den Beschäftigten, gemeinschaftlich mit den Gewerkschaften, gemeinschaftlich mit den Betriebsräten voranbringen, weil wir eine nachhaltige, zukunftsfähige Automobilwirtschaft in Deutschland brauchen, um aus der Krise zu kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen machen wir das mit den Beschäftigten, weil auch sie wollen, dass wir in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit investieren. Denn sie wissen: Nur wenn wir in die Zukunft investieren, sind ihre Arbeitsplätze auch morgen noch sicher. – Deswegen sind wir stolz darauf, die Anwälte der Beschäftigten in der Automobilwirtschaft zu sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage Ihnen: All das, was wir jetzt entscheiden, muss zugleich ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit sein. Wenn wir ein solches Konjunkturprogramm auf den Weg bringen, muss es ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein, und es muss ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Bingo!)
Deswegen sage ich Ihnen, dass wir pauschale Unternehmensteuersenkungen ablehnen. Auch den Vorschlag der Union, jetzt die oberen 10 Prozent um 10 Milliarden Euro zu entlasten, halten wir für falsch. Wir wollen stattdessen Familien stärken, wir wollen Kinder stärken. Da müssen wir investieren. Das ist unsere Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir dürfen auch nicht – das sage ich an die Adresse unseres Koalitionspartners, insbesondere an Herrn Pfeiffer und an den Wirtschaftsrat der Union – klimapolitische Zielvorgaben, wie von Ihnen vorgeschlagen, zeitlich strecken oder erst einen Kassensturz machen. – Schmarrn ist das.
(Stephan Brandner [AfD]: Raus mit der Kohle!)
Wir brauchen jetzt in diesem Bereich Investitionen. Wir dürfen im Klimaschutz nicht nachlassen. Wir dürfen die Standards nicht absenken, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das müssen wir ganz klar mitnehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Noch eines, lieber Herr Krischer: Sie haben vorhin das Stichwort „Lufthansa“ genannt. Ja, auch das ist ein wichtiges Unternehmen. Aber es bekommt die Staatshilfe nicht als Freibrief. Auch da gibt es klare Vorgaben, etwa dass 80 Prozent der Flugzeugbestellungen auf energieeffiziente und energiearme Maschinen entfallen müssen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch eh schon bestellt worden!)
Diese klare Verknüpfung haben wir vorgegeben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie sehen: Wir sind sozial und ökologisch gut aufgestellt.
Herr Präsident, lassen Sie mich zum Schluss kommen mit einem Zitat: „Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist.“ Mit diesem Zitat aus dem Berliner Programm der SPD wünsche ich Ihnen ein schönes Pfingstfest. Glück auf!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Ich hindere niemanden daran, zum Schluss zu kommen.
(Timon Gremmels [SPD]: Ich wollte nur Ihrer Ermahnung zuvorkommen!)
– Ich hätte damit noch ein bisschen gewartet. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448871 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Sozial-ökologische Transformation |