18.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 166 / Zusatzpunkt 5

Sabine DittmarSPD - Epidemische Lage von nationaler Tragweite

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im März haben wir hier angesichts des rasanten Infektionsgeschehens mir SARS-CoV-2 in großer Übereinstimmung eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt und weitreichende Regelungsbefugnisse auf die Exekutive übertragen, weil schnelles und effizientes Handeln angesagt war. Von diesen Ermächtigungen hat das Bundesgesundheitsministerium auch Gebrauch gemacht.

Mit dem Intensivregister erhalten wir einen tagesaktuellen Überblick über verfügbare Intensivbetten und Beatmungskapazitäten.

Die Regelungen zur Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Arzneimitteln ermöglichen es, Arzneimittel und Medizinprodukte gezielt dorthin zu lenken, wo sie pandemiebedingt dringend benötigt werden.

Der Schutzschirm für Therapeutinnen und Therapeuten sichert wichtige Strukturen in unserem Gesundheitssystem und ergänzt die Soforthilfen der Bundesregierung.

Die Ausweitung der Testungen und ihre gesicherte Finanzierung schaffen den Freiraum für weitere Lockerungsmaßnahmen.

Das alles hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass Deutschland bisher gut durch dieses schwerwiegende Infektionsgeschehen gekommen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber klar ist: Alleine das hätte nicht ausgereicht. Deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön und auch ein Lob an unsere Bevölkerung, die mit hoher Akzeptanz und Rücksichtnahme teilweise sehr beschwerliche Einschränkungen des Lebensalltags mitgetragen hat und weiterhin mitträgt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Klar ist aber auch: Wir haben mit den Verordnungsermächtigungen einen Ausnahmezustand geschaffen. Dem Gesundheitsministerium ist es gestattet, ohne weitere parlamentarische Legitimation und Kontrolle Ausnahmen von gesetzlichen Regelungen vorzusehen und Anordnungen zu treffen, die Grundrechte einschränken können. Wesentliche Prinzipien unserer parlamentarischen Demokratie sind betroffen. Wir haben seinerzeit großen Wert darauf gelegt, dass das Parlament nicht nur die epidemische Lage feststellen, sondern sie auch wieder beenden kann.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, dann los!)

Deshalb kann ich Ihnen versichern, dass wir die Gesamtsituation sehr genau beobachten und den parlamentarischen Ausnahmezustand nicht länger andauern lassen, als dies zwingend notwendig ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich denke, es ist in unser aller Interesse, dass die Gewaltenbalance zwischen Parlament und Regierung schnellstmöglich wiederhergestellt wird. Über den Weg dahin gilt es allerdings zu diskutieren. Jetzt und heute, wie von der FDP-Fraktion gefordert, das Ende einer epidemischen Lage festzustellen, wäre unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Konstantin Kuhle [FDP]: Warum?)

Aus meiner Sicht reicht es nicht aus, allein auf die erfreulicherweise sinkende Zahl an Neuinfektionen und auf ausreichende Intensivkapazitäten zu verweisen.

(Christian Dürr [FDP]: Wann wäre denn ein geeigneter Zeitpunkt aus Ihrer Sicht, Frau Dittmar?)

Die Coronaausbrüche in Bremerhaven, in Berlin und seit gestern ganz deutlich auch in Gütersloh zeigen doch, wie hochinfektiös und gefährlich dieses Virus ist. Wir können heute noch gar nicht absehen, wie sich die schrittweisen Lockerungsmaßnahmen in den kommenden Wochen auswirken.

(Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte jetzt zu Ende ausführen. – Und die Sommermonate mit zunehmender Mobilität durch den Wegfall der Reisebeschränkungen stehen uns noch bevor. Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, wie schnell sich aus einem regionalen Hotspot ein landesweites Infektionsgeschehen entwickeln kann.

Jetzt müssen sich unsere getroffenen Maßnahmen – Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ausweitung der Testungen, die Corona-Warn-App – bewähren. Entscheidend ist, ob es uns jetzt gelingt, Ausbrüche schnell unter Kontrolle zu bekommen, Kontakte nachzuverfolgen, Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen. Zum jetzigen Zeitpunkt das Signal zu geben, die epidemische Lage sei vorbei, könnte fatale Folgen haben. Ich appelliere an alle: Lassen Sie uns das Erreichte nicht leichtfertig aufs Spiel setzen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir stimmen alle darin überein, dass wir während des Verlaufs der Pandemie einiges gelernt haben. Noch nie ist der Staat für die Bewältigung eines Infektionsgeschehens in diesem Maße in Anspruch genommen worden. Es zeigt sich in einer solchen Situation dann auch, wo wir sowohl tatsächlich als auch rechtlich besser gerüstet sein müssen. Die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit persönlicher Schutzausrüstung dürfen sich nicht wiederholen. Die von der Bundesregierung beschlossene Bildung einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz ist deshalb eine dringend notwendige Maßnahme.

Es ist aber auch notwendig, mit unseren Erfahrungen der vergangenen Wochen die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes insgesamt zu hinterfragen. Das betrifft nicht nur die konsequente Beachtung des Parlamentsvorbehalts bei unaufschiebbaren Sofortmaßnahmen, sondern geht darüber hinaus.

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns diese Krise als Chance nutzen! Bleiben Sie gesund, halten Sie Abstand, geben Sie acht auf sich und Ihre Mitmenschen, und nutzen Sie die Corona-Warn-App!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Aschenberg-Dugnus.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat doch schon geredet! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon zum dritten Mal! – Jan Korte [DIE LINKE]: Kriegt zu wenig Redezeit in der FDP!)

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Electoral Period 19
Session 166
Agenda Item Epidemische Lage von nationaler Tragweite
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