18.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 5

Sebastian HartmannSPD - Epidemische Lage von nationaler Tragweite

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Deutsche Bundestag kommt seiner Verantwortung in vorbildlicher Art und Weise nach, wenn es darum geht, gemeinsam zu organisieren, wie wir diese einmalige Situation in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen. Das setzt voraus, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man die Debatte eben nicht, wie es die FDP in bezeichnender Weise versucht, auf das Infektionsschutzgesetz reduziert.

Es geht in der Tat auch darum, dass wir als Parlament Pakete in Hunderte-Milliarden-Euro-Tranchen schnüren, um die deutsche Wirtschaft zu schützen, dass wir Bevorratungen beauftragen, dass wir vor allen Dingen auch dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land sehen: Wir kommen unserer Verantwortung als Parlament nach. – Es ist unredlich, dass die FDP versucht, den Anschein zu erwecken, dass wir genau das nicht tun. Die Debatte heute ist der beste Beweis dafür, wie vorbildlich wir das als Parlament machen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Der zweite Punkt. Herr Kollege Kuhle, gerade Sie waren es, der die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der Union zitiert hat. Es ist schon unverfroren, dass Sie das Pandemiegesetz von Nordrhein-Westfalen mit Paragraphen zitieren, die die SPD-Landtagsfraktion in das Gesetz hineingeschrieben hat, nachdem Sie als schwarz-gelbe Regierung es selbst vermurkst haben. Ansonsten hätte man diesem Gesetz keine breite parlamentarische Zustimmung in Nordrhein-Westfalen geben können. Aber Sie stellen sich jetzt hierhin und tun so, als ob dies Ergebnis der FDP-Politik gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ergebnis der FDP-Politik der vergangenen Jahre ist im Übrigen, dass Sie Kapazitäten des deutschen Bevölkerungsschutzes in der Regierungszeit 2009 bis 2013 eingespart und runtergefahren und uns damit erst in diese Lage versetzt haben, dass wir ad hoc handeln mussten; das ist der nächste Punkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Wer regiert seit 2013? – Christian Dürr [FDP]: Was ist jetzt, Herr Hartmann, Ihr Anspruch als Parlamentarier?)

Und darüber hinaus, lieber Kollege Kuhle, stellen Sie sich hier auch noch hin und tun so, als ob Sie die Retter in der Situation wären. Sie haben hier ausgeteilt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, also stecken Sie auch mal ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Konstantin Kuhle [FDP]: Es muss etwas kommen! Es kommt ja nichts!)

– Ja, natürlich. Das Pandemiegesetz in Nordrhein-Westfalen.

Jetzt noch der letzte Punkt.

(Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Und dann ist schon Schluss?)

Sie haben das Problem, dass heute der Tag nach Tönnies ist. Wir reden über 7 000 Menschen, die in Quarantäne sind. Wir reden über Hunderte von Neuinfektionen. Und dann rufen Sie aus Ihren Reihen dazwischen: Das liegt halt daran, dass man testet. – Natürlich muss man testen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Sie sagen die ganze Zeit, das Parlament ist zu blöd, diese Entscheidung zu treffen! Sie beschimpfen doch das eigene Haus! Merken Sie das eigentlich? Das ist ja absurd!)

Wir wollen doch die Lage erkennen, um zu wissen, wie es um die Bevölkerung steht. Und nun stellt sich ein nordrhein-westfälischer Ministerpräsident hin und sagt, dass das ein eingereistes Virus ist – Lohnarbeiter aus Bulgarien und Rumänien –, wo Sie doch nicht für gute Arbeitsschutzbedingungen gesorgt haben. Schämen Sie sich! Wir sollten uns entschuldigen bei den Menschen, die erkrankt sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Das ist absurd!)

Das ist Ihre Verantwortung, und Sie missbrauchen diese Debatte, um billig populistisch zu handeln.

Wir werden diese Debatte führen. Wir werden sie im Ausschuss führen, und wir werden diese epidemische Lage gemeinsam überwinden.

(Christian Dürr [FDP]: Wann denn? Wie denn?)

Aber wir befinden uns auch in der zweiten Welle.

(Christian Dürr [FDP]: Was sind Ihre Kriterien, Herr Hartmann?)

– Aber, Herr Dürr, Sie haben doch die Debatte angezettelt.

(Christian Dürr [FDP]: Was sind denn Ihre Kriterien? Sie sagen doch nichts! Sie labern nur!)

Dann müssen Sie damit auch leben, dass wir reagieren. Hören Sie doch zu!

(Christian Dürr [FDP]: Butter bei die Fische! Meine Güte! Ist doch nicht so schwer, Mensch!)

Das ist doch Ihr Problem.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Hartmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schinnenburg?

Selbstverständlich.

Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, dass wir schon in einer zweiten Welle sind?

Die zweite Frage: Glauben Sie im Ernst, dass den Menschen in Husum, in Hitzacker im Fall Tönnies mit bundesweiten Regelungen geholfen wird? Das glauben Sie doch nicht im Ernst! Das muss lokal gelöst werden. Sie können doch nicht sagen: Mit einer bundesweiten Regelung helfe ich im Fall Tönnies. – Tönnies ist eine Sache der regionalen Behörden; die machen das, glaube ich, auch gut. Aber Husum und Hitzacker haben damit gar nichts zu tun. Können Sie das zugestehen?

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können auch über Magdeburg reden oder über Göttingen! Das ist nicht in NRW!)

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie irren gleich zweimal. Das Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie

(Christian Dürr [FDP]: Das hat damit doch gar nichts zu tun!)

und die unmöglichen Arbeitsbedingungen, die mit Arbeitsschutz gar nichts mehr zu tun haben, sind eine Angelegenheit des Bundesgesetzgebers.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, hat sehr, sehr gut reagiert, indem er gesagt hat: Schluss mit diesen unwürdigen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. – Das ist der erste Punkt, der zeigt, wo der Bund gehandelt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das bringen wir als Große Koalition gemeinsam auf den Weg.

(Christian Dürr [FDP]: Das hat trotzdem damit nichts zu tun!)

– Hören Sie doch zu!

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das fällt sehr schwer bei Ihnen!)

Der zweite Punkt ist, dass Sie natürlich in Nordrhein-Westfalen Verantwortung dafür tragen, dass eben nicht regional hingeschaut worden ist, was Teststrategien angeht, die dafür sorgen, dass man Epidemien eindämmt. Jetzt, wo getestet wird, wird klar: Es existiert ein Problem, und das sind nicht nur diese Arbeitsbedingungen, sondern auch Großveranstaltungen und Fleischzerlegebetriebe. – Damit, Herr Kollege, kommen wir doch als Bundesgesetzgeber unserer Verantwortung nach. Punkt!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen etwas zur zweiten Welle. Die Frage haben Sie nämlich auch noch angeschlossen. Ich spare Ihnen ja auch Zeit, indem ich auf die Frage eingehe. Sie müssen nicht aufstehen; ich sage es Ihnen ganz kurz: Die zweite Welle läuft doch. Sie sind doch selber dafür verantwortlich, dass diese zweite Welle laufen wird.

(Lachen der Abg. Enrico Komning [AfD] und Dr. Wieland Schinnenburg [FDP])

Sie säen die Saat des Zweifels. Der Erfolg der Bekämpfung der Pandemie liegt nicht in dem härtesten Grundrechtseingriff, er liegt nicht in dem schärfsten Gesetz oder der größtmöglichen Ermächtigung der Regierung, sondern er besteht darin, dass wir in einem Rechtsstaat transparent und demokratisch vorgehen und Informationen teilen, dass wir Bürger nicht verunsichern oder – wie die AfD – Angst schüren,

(Enrico Komning [AfD]: Sie schüren Angst!)

sondern ihnen zeigen: Wir handeln. – Und Sie säen die Saat des Zweifels. Sie haben die epidemische Lage infrage gestellt.

(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Impfstoff, und es gibt keine ausgeprägte Behandlungsmethode. Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir weiter handeln müssen, und das tun wir als Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. Ich glaube, dass es für die FDP-Fraktion nicht gut war, gerade den Ball aus Nordrhein-Westfalen aufzunehmen. Ich denke, wir sollten erstens all den Menschen, die jetzt eine Neuinfektion haben, gute Genesung wünschen, zweitens denjenigen, die sich in Quarantäne befinden, sagen, dass wir testen, testen, testen wollen, damit sie wissen, ob sie erkrankt sind oder nicht. Drittens gilt: Gemeinsam werden wir durch diese Krise kommen, aber nicht, indem wir einen solchen Klamauk veranstalten wie die FDP.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Tino Sorge, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der sagt jetzt was zu Magdeburg!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7452716
Wahlperiode 19
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Epidemische Lage von nationaler Tragweite
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