18.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 7

Mathias MiddelbergCDU/CSU - Polizeibeauftragte/r des Bundes

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Herzlichen Dank, Herr Präsident, und ich sage auch einen ausdrücklichen Dank an die Kollegin Frau Mihalic. Ich fand ihren Beitrag hier in Ton und Art und auch der Sache durchaus angemessen, wenngleich wir trotzdem in der Sache unterschiedlicher Auffassung bleiben. Das will ich hier durchaus auch geraderücken.

Wir besprechen nicht nur Ihren Gesetzentwurf zum Polizeibeauftragten, sondern auch Ihren Antrag mit dem Titel „Verfassungsfeindliche Tendenzen in der Polizei erkennen und entschlossen angehen“. Wenn ich diesen Antrag lese, dann lese ich aus ihm schon sehr viel Misstrauen gegenüber der Polizei heraus. Wenn man diesen Antrag liest, bekommt man den Eindruck: Die, die unsere Verfassung schützen, sind jetzt eigentlich das Problem. – Deswegen ist es mir schon wichtig, zu sagen: Wir teilen dieses Misstrauen ausdrücklich nicht –

(Beifall bei der CDU/CSU)

das sage ich ganz klar –, sondern wir haben ein Grundvertrauen in die Polizeibeamten und ‑beamtinnen in diesem Land.

Herr Kollege, Frau Mihalic würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Middelberg, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben jetzt gerade davon gesprochen, dass aus unserem Antrag viel Misstrauen herauszulesen ist, was die Untersuchung verfassungsfeindlicher Tendenzen innerhalb der Polizei betrifft. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob Sie die Forderung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter kennen, dass die Innenministerkonferenz in dieser Woche den Beschluss fassen soll, bundesweit verfassungsfeindliche Tendenzen innerhalb der Polizei untersuchen zu lassen.

Das ist mir, ehrlich gesagt, noch nicht bekannt gewesen, aber ich sage Ihnen ganz offen: Ich empfinde schon den Begriff „verfassungsfeindliche Tendenzen“ in diesem Sinne als eine Unterstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sprechen von Tendenzen insgesamt, und diese Tendenzen – das sage ich Ihnen ganz offen – sehe ich nicht.

Diese „Tendenzen“ – und damit fahre ich jetzt auch fort – hat im Grunde genommen ja auch die Vorsitzende einer großen deutschen Volkspartei in der letzten Woche angesprochen, indem sie – und das sage ich auch ganz deutlich – der Polizei gegenüber den Generalverdacht eines „latenten Rassismus“ ausgesprochen hat. Das hat Frau Esken getan, und ich kann auch nicht erkennen, dass sie sich von dieser Aussage in irgendeiner Weise distanziert hätte. Deswegen, glaube ich, müssen wir das wirklich geraderücken.

Unsere Polizei hat kein Rassismusproblem, und es gibt auch keinen latenten und strukturellen Rassismus in der Polizei. Ich glaube, das muss man so klar und deutlich festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Polizei steht in der Mitte der Gesellschaft; das haben Sie auch zu Recht betont, Frau Mihalic. Deswegen gibt es auch Extremisten und nach meiner Überzeugung sicher auch Rassisten in der Polizei, und es gibt auch Leute, die dort Unrecht tun. Diese Dinge müssen wir konsequent aufklären und auch klar ahnden. Da sind wir uns, glaube ich, einig.

Aber richtig ist, was der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, SPD, festgestellt hat: Wenn man wie Frau Esken eine Feststellung über den latenten Rassismus in unserer Polizei unmittelbar in Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen, nach dem unglaublichen Verhalten der amerikanischen Polizei in Minneapolis trifft, dann erweckt man den Eindruck, als könne man das eine wirklich mit dem anderen vergleichen. Die amerikanische Situation aber ist eine völlig andere. – Den Ausführungen schließe ich mich ausdrücklich an.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dennoch, Frau Mihalic – da haben Sie recht –, muss unrechtmäßiges Verhalten in der Polizei, auch Extremismus, verfolgt und rücksichtslos aufgeklärt werden; das ist vollkommen klar. Aber Sie suggerieren auch in Ihrem Antrag, dass es da, ich sage mal, zwei Probleme gäbe: einmal eine Vielzahl von Fällen und zum anderen Mal keine angemessenen Möglichkeiten der Befassung damit. Ich sehe beides nicht; das sage ich Ihnen klar.

In der Bundespolizei gibt es 49 000 Beschäftigte. In acht Jahren hatten wir 25 Verdachtsfälle von Rassismus. Das betrifft 0,05 Prozent aller Beschäftigten in der Bundespolizei, gesehen über acht Jahre.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber doch jetzt echt niveaulos!)

– Nein, das sind die Zahlen, über die wir verfügen. Sie haben ja Zahlen und Statistik auch angesprochen.

Das andere ist die Frage der Instanzen. Das regeln die Länder auf ganz unterschiedliche Art und Weise: mit unabhängigen Stellen, mit Beschwerdestellen, mit Stellen, die bei der Staatskanzlei aufgehängt sind, und mit anderen Instrumenten. Diese Stellen gibt es, und zwar für externe Hinweise genauso wie für interne Hinweise. Es gibt Instrumente der Innenrevision. Es gibt im Übrigen auch für jedermann in Deutschland die Möglichkeit, hier den ganz normalen Rechtsweg zu beschreiten. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich habe Vertrauen in diesen Rechtsweg. Bei diesem Rechtsweg ist auch nicht die Polizei der Herr des Verfahrens, sondern bekanntlich die Staatsanwaltschaft, was die gesamte Ermittlung angeht. Im Übrigen entscheiden dann unabhängige Gerichte. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe in diese Unabhängigkeit der Gerichte in Deutschland immer noch sehr hohes Vertrauen.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)

Das dürfen auch alle anderen Bürger in diesem Land haben, wenn Maßnahmen der Polizei überprüft werden.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch nichts mit unserem Gesetzentwurf zu tun!)

Ich glaube, wir sollten jetzt konkret an die Arbeit gehen. Wir haben den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus eingesetzt. Das wäre der Ort, das Thema „Rassismus in deutschen Behörden, auch in den Sicherheitsbehörden“ aufzugreifen. Die Themenfelder Menschenrechte, Grundrechte und Diskriminierungsverbot werden in der Polizeiarbeit stetig aufgegriffen: in der Polizeiausbildung, im Polizeitraining, bei zusätzlichen Seminaren. Dort werden auch Diskriminierungslagen durchgegangen, und die Polizeibeamten werden dafür sensibilisiert.

Was mir ein sehr wichtiges Thema ist: die Diversität beim Personal, in unseren Bundesbehörden und auch in der Polizei. Es ist Teil des Nationalen Aktionsplans Integration dieser Bundesregierung. Gerade auf diesem Feld sollten wir engagiert fortfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zuletzt will ich Ihnen sagen: Ihr Fokus lag jetzt sehr stark bei der Polizei und unrechtmäßigem Verhalten der Polizei. Wir sollten aber auch der Fairness halber mal betonen: Das Lagebild des Bundeskriminalamts für das letzte Jahr sagt uns: Es gab 38 000 Gewalttaten gegen Polizeivollzugsbeamte. 38 000! Es gab 1 276 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung gegen Polizeivollzugsbeamte. Es gab 41 Fälle, in denen sogar versucht wurde, Polizeibeamte zu töten oder zu ermorden. Das ist die andere Seite der Medaille.

Deswegen sage ich zum Abschluss: Die Polizeibeamten und ‑beamtinnen halten für uns, für uns alle hier in Deutschland den Kopf hin. Sie gewährleisten unsere Sicherheit. Ohne diese Sicherheit könnten wir die Freiheiten – ich meine Redefreiheit, Sie Ihre Redefreiheit heute, wir unsere Meinungsfreiheit, unsere Demonstrationsfreiheit – in diesem Land gar nicht ausüben. Dafür sage ich an dieser Stelle zuvorderst unseren Polizeibeamten und ‑beamtinnen einen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der nächste Redner: für die Fraktion der AfD der Kollege Martin Hess.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7452740
Wahlperiode 19
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Polizeibeauftragte/r des Bundes
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