Uli GrötschSPD - Polizeibeauftragte/r des Bundes
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass die Debatte, die in den letzten Tagen über das Thema „Rassismus“, „latenter Rassismus“ oder womöglich „struktureller Rassismus“ bei der Polizei geführt wurde – ich glaube, dass der Kollege Kuhle die Aussage der SPD-Vorsitzenden, was „strukturell“ und „latent“ angeht, nur unabsichtlich verwechselt hat –, was die Art und Weise der Debattenführung angeht, denen in die Hände gespielt hat, denen wir fast alle hier im Hohen Haus eigentlich nicht in die Hände spielen wollen. Denn auf die allerallermeisten Parteien und Fraktionen hier im Deutschen Bundestag trifft doch zu, dass wir wissen, was wir an unserer Polizei haben.
(Beifall bei der SPD)
Die Art und Weise der Debattenführung der letzten Tage hat, glaube ich, mit Blick auf die Große Koalition auch so ein bisschen den Blick dafür verschleiert, was wir in den letzten Jahren getan haben, um die Situation der Polizei in Deutschland zu verbessern. Wir kümmern uns um die Belange der Beamtinnen und Beamten: vom Personalaufwuchs über die Ausbildung und höhere Zulagen bis zur Ausstattung und natürlich zu dem persönlichen Kontakt zu den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, den doch auch die allermeisten hier im Deutschen Bundestag regelmäßig pflegen.
Ich weiß aus meiner Zeit und nach mehr als 20 Jahren Erfahrung als Polizeibeamter – viele von Ihnen wissen das auch durch die Kontakte zu den Polizistinnen und Polizisten –, was die Kolleginnen und Kollegen in allen Bereichen der Polizeiarbeit für die Menschen in unserem Land jeden Tag aufs Neue leisten, und das teilweise unter wirklich schwierigsten Bedingungen.
Wahr ist aber natürlich auch, dass es wie überall in unserer Gesellschaft schwarze Schafe gibt. Natürlich – wie auch in allen Bereichen der Gesellschaft – zählt auch hier jeder Einzelfall. An meiner grundsätzlichen Sympathie für einen Polizeibeauftragten auf Bundesebene hat übrigens auch die gegenwärtige und, wie ich finde, letztendlich richtige gesellschaftliche Debatte über Rassismus nichts geändert, im Gegenteil.
Erst letzte Woche hat der Antidiskriminierungsbeauftragte seinen Bericht vorgelegt. Dieser Bericht belegt, dass auch in Deutschland Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Migrationshintergrundes diskriminiert werden. Und weil das so ist, darf und muss man in Deutschland auch die böse R-Frage stellen dürfen, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit der Polizei, sondern überall und in allen Lebensbereichen. Denn warum sollte es in der Gesellschaft Rassismus geben, die Polizei davon aber verschont bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen? Die Polizei ist Teil dieser Gesellschaft, und die Polizei ist naturgemäß auch ein Spiegel dieser Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD)
Wer das nicht akzeptiert, kann kein Teil der Bekämpfung des Rassismus in Deutschland sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich begrüße ausdrücklich, Herr Staatssekretär Krings, dass das Bundesinnenministerium sich der Thematik des Racial Profiling annimmt und eine umfassende Studie dazu in Auftrag geben will.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiß Herr Seehofer davon? Ich habe gestern im Ausschuss nachgefragt! Er weiß davon nichts!)
Ich habe in den letzten Tagen sehr viel mit ehemaligen Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei gesprochen, und keiner von denen will einen Rassisten als Kollegen. Es liegt im eigenen Interesse der Polizei, ihre schwarzen Schafe loszuwerden.
Aber wir wollen mehr. Denn auch wenn es jetzt aufgrund der Medienaufmerksamkeit um die Polizei geht, geht es uns, der SPD, um den ganzen öffentlichen Dienst an sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zum Beispiel um die Frage: Darf ein Rechtsextremist als Lehrer im Staatsdienst bleiben? Ist eine Mitgliedschaft in der AfD, zum Beispiel in Brandenburg, wo der gesamte Landesverband jetzt Beobachtungsobjekt des Landesverfassungsschutzes ist, vereinbar mit dem Beamtenstatus eines Polizeibeamten, eines Lehrers oder von jemand anderem im öffentlichen Dienst? Ich meine, nein, und diese Debatte müssen wir führen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage das nicht jeden Tag, aber ich bin Herrn Seehofer durchaus dankbar, dass er das Problem inzwischen auch beim Namen nennt, nämlich dass die größte Gefahr in diesem Land nach wie vor von rechts kommt. Das zeigen auch die steigenden Zahlen im Verfassungsschutzbericht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte sagen: Was bei der Polizei und auch bei der Polizeiausbildung wichtig ist, ist mehr politische Bildung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich bin 1992 bei der Polizei eingestellt worden; das ist lange her. Wir hatten damals eine Stunde politische Bildung pro Woche und haben dort gelernt so in etwa, was der Unterschied zwischen Bundestag und Bundesrat ist.
(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Das hat doch wunderbar gefruchtet! Das hat viel gebracht!)
Seitdem hat sich viel verändert, und zwar sowohl in der Polizeiausbildung – das wurde hier heute schon gesagt –, aber natürlich auch in unserer Gesellschaft. Ich glaube, dass die Polizeiausbildung sich auch den gesellschaftlichen Entwicklungen immer weiter und fortlaufend anpassen muss.
Ich glaube durchaus, dass ein unabhängiger Polizeibeauftragter ein geeignetes Instrument sein kann, um auch in diesem Bereich Pflöcke einzuschlagen und Brücken zu bauen, nicht als Beschwerdestelle, sondern gezielt als ein Lobbyist im besten Sinne, um für die Anliegen der Polizei zu werben. Ich sage das insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gewalt gegen Einsatzkräfte trotz höherer Strafen, die wir eingeführt haben, weiter steigt. Auch das hat Gründe, über die wir diskutieren müssen.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den Linken, dieses Vorhaben steht nicht im Koalitionsvertrag. Deshalb muss meine Fraktion Ihre Vorlagen ablehnen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn meine Unionskolleginnen und ‑kollegen noch einmal intensiv über dieses Thema nachdenken würden. Ich glaube, dass ein unabhängiger Polizeibeauftragter kein Teufelszeug ist. Das ist der Wehrbeauftragte ja auch nicht. Vielmehr ist er eine sehr bewährte Institution in diesem Land.
Der nächste Koalitionsvertrag kommt ganz bestimmt, und zwar schon nach der Wahl im nächsten Jahr, und dann, so die Wählerinnen und Wähler es wollen, kommt das Thema des unabhängigen Polizeibeauftragten wieder auf den Tisch – versprochen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Josef Oster.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7452927 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Polizeibeauftragte/r des Bundes |