18.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 12

Johannes FechnerSPD - Aktuelle Stunde: Sexuellen Missbrauch effektiv bekämpfen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der sexuelle Missbrauch von Kindern gehört sicherlich zu den schlimmsten Straftaten, weil die Opfer oft über Jahre, über Jahrzehnte traumatisiert sind, weil sie sich nicht wehren können und weil Angehörige oder Personen aus dem Nahfeld, die die Taten begehen, das Vertrauen ausnutzen.

Deswegen war es gut, dass wir schon in der letzten Wahlperiode, aber auch in dieser Wahlperiode im letzten Januar wichtige Maßnahmen beschlossen haben, um sexuelle Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist eine schlimme Straftat, und wir alle müssen gemeinsam alles dafür tun, dass wir diese schlimmen Straftaten verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir müssen eben auch genau das tun, was den Kindern tatsächlich hilft, was am effektivsten den sexuellen Missbrauch von Kindern verhindern kann. Dazu gehören sicherlich auch Straferhöhungen, die wir mittragen, aber eben nicht allein.

In unseren Debatten – speziell nach dem Fall in Staufen – haben wir mit vielen Experten gesprochen. Eine Maßnahme, die sie uns besonders ans Herz gelegt haben, war weniger die Erhöhung der Strafrahmen, sondern dass wir es der Polizei ermöglichen, mit PC-generiertem künstlichem kinderpornografischen Material in die Internetchats der Pädophilen zu kommen, und genau das haben wir beschlossen. Wir sind der Forderung von Ermittlern und des Missbrauchsbeauftragten Herrn Rörig nachgekommen. Das war eine ganz wichtige Maßnahme; das will ich hier ausdrücklich sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe aus Dank – weil es mich wirklich berührt hat und ich großen Respekt habe, wie die Polizei in Staufen diesen Fall aufgeklärt hat – die Ermittlungsgruppe zu einer Berlin-Reise eingeladen. Ich war erschüttert, zu hören, wie viel Dreck – um es deutlich zu sagen – diese Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten über Wochen anschauen mussten. Deswegen ist auch eins klar: Wir müssen die Polizei technisch noch besser ausstatten, damit solche Arbeiten zukünftig mittels Software und künstlicher Intelligenz wahrgenommen und erfüllt werden können. An der technischen Ausstattung darf der Schutz unserer Kinder sicherlich nicht scheitern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf an dieser Stelle auch an den Pakt für den Rechtsstaat erinnern, den wir mit den Ländern vereinbart haben. 220 Millionen Euro stellen wir vom Bund für 2 000 zusätzliche Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zur Verfügung. Um den sexuellen Missbrauch von Kindern zu bekämpfen, braucht es in der Justiz mehr Personal. Die Länder sind dazu aufgerufen, auch dafür diese 2 000 Stellen zu schaffen und dann tatsächlich auch zu besetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es stellt sich natürlich auch bei den Fällen, die wir hier schon besprochen haben, die Frage: Waren die Familiengerichte tatsächlich ausreichend sensibilisiert? Hätten sie nicht Indizien erkennen können? Und vor allem: Hätten sie nicht das Kind anhören müssen? Ich glaube, es hätte angehört werden müssen. Deswegen brauchen wir die Kinderrechte im Grundgesetz, und deswegen brauchen wir auch dringend eine verpflichtende Fortbildung für die Familienrichterinnen und Familienrichter, damit solche Fehler nicht nochmals passieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auch einen Satz zu den Jugendämtern sagen, die bei uns wichtige Arbeit leisten, aber oft unter Personalnot leiden. Ich glaube, es wäre ganz wichtig und höchste Zeit, dass genügend Personal bei den Jugendämtern vorhanden ist, damit die Jugendämter, wenn sie einen Verdacht hinsichtlich einer schwierigen Familie haben, von der sie glauben, da könnte etwas passiert sein, genügend Zeit und genügend Personal haben, diesem Verdacht dann auch nachzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Eines ist auch klar: Es kann nicht sein, dass aus Nordrhein-Westfalen heftige Kritik an der Bundesministerin kommt, Nordrhein-Westfalen dann aber zuschaut, wie aus Geldnot Beratungsstellen geschlossen werden. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn ein Kind den Mut aufbringt, sich zu offenbaren, oder wenn Verwandte, die das mitbekommen, Hilfe suchen, dann muss es professionelle Hilfe in den Beratungsstellen geben. Deswegen ist eines ganz klar: Die Beratungsstellen dürfen nicht aus Geldmangel geschlossen werden, nicht in Nordrhein-Westfalen und auch sonst nirgendwo.

(Beifall bei der SPD)

Wegen der schlimmen Folgen der sexuellen Gewalt müssen wir auch das Strafrecht verschärfen. Ich bin Justizministerin Lambrecht sehr dankbar, dass sie hier schon konkrete Vorschläge dargestellt hat. Sie hat dafür volle Unterstützung von unserer Seite; denn gezielte Strafrechtsverschärfungen haben eben doch einen Effekt auf die Täter.

Was wir allerdings nicht wollen, sind die parteipolitischen Spielchen und Attacken. Ich finde, es geht nicht, dass Justizministerin Lambrecht von einigen so hart angegriffen wird – und es waren keine Hinterbänkler, sondern es waren der Generalsekretär, ein Innenminister und andere –

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal die Partei! Generalsekretär von welcher Partei?)

– natürlich von der Union –, obwohl sie es wirklich zu ihrem Kernanliegen gemacht hat, und zwar nicht erst seit den letzten Wochen, den sexuellen Missbrauch von Kindern zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen hinter dir, Christine! Du hast gute Vorschläge gemacht; die wollen wir schnell umsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns also ohne billige Stimmungsmache, sondern effektiv das tun, was die Kinder jetzt brauchen, damit wir sie schützen können, nämlich: mehr Prävention, mehr Personal bei den Jugendämtern, gut ausgebildete Familienrichter, mehr Personal bei Polizei und Justiz, genügend Geld in den Beratungsstellen und dort, wo es nötig ist, auch schärfere Strafgesetze. Mit diesem Bündel können wir den sexuellen Missbrauch von Kindern bekämpfen. Lassen Sie uns dies gemeinsam und effektiv tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7452955
Wahlperiode 19
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Sexuellen Missbrauch effektiv bekämpfen
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