Benjamin StrasserFDP - Rechtsextremismus und Hasskriminalität
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist ernst. Wir reden über 170 Menschen in Deutschland, die seit dem Jahr 1990 von Rechtsextremisten ermordet worden sind. Wir reden über einen Anstieg der Zahl rechtsextremistischer Gefährder innerhalb eines Jahres um über 80 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass – erstens – die Bedrohung durch Rechtsextremisten und Rechtsterroristen in Deutschland real ist und – zweitens – Rechtsextremismus von der Politik in Deutschland offensichtlich über Jahre hinweg unterschätzt wurde. Zur Wahrheit gehört: Wir haben seit dem NSU-Skandal wertvolle Jahre verloren, um deutlich härter gegen Rechtsextremisten in Deutschland vorzugehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hätte mir diese Einsicht früher gewünscht; denn es gibt für diesen Bereich – anders als beispielsweise beim islamistischen Terrorismus – bis heute kein standardisiertes Gefährdersystem. RADAR-rechts soll 2022 kommen. Das ist gut, aber leider deutlich zu spät.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hass und Gewalt sind die logische Konsequenz einer gewalttätigen Sprache, und aus Worten werden leider Taten. Deshalb kann man sich hier eben nicht hinstellen und sich treudoof wundern, dass, wenn man selber ein Klima der Angst vor Fremden schafft, sich dann Leute in Deutschland bemüßigt fühlen, aufgrund dieses gesellschaftlichen Resonanzbodens zu Taten zu schreiten. Deshalb ist es richtig, dass von der Bundesregierung heute ein Gesetzentwurf gegen Hass im Internet vorliegt.
Im vorliegenden Gesetzentwurf gibt es Punkte, die wir begrüßen, beispielsweise die Strafverschärfung bei antisemitischen Motiven oder die Ausdehnung des strafrechtlichen Schutzes von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern. Bei einigen Punkten aber haben wir massive Bedenken, beispielsweise wenn es um eine Meldepflicht von Plattformbetreibern geht – das geht am eigentlichen Problem, nämlich der Überlastung von Staatsanwaltschaften, komplett vorbei – oder bei der rechtsstaatlich höchst bedenklichen Pflicht zur Herausgabe von Passwörtern durch Telemedienanbieter. Das lehnen wir ab. Deswegen werden wir uns heute enthalten.
Wir haben bereits vor über einem Jahr ein 13-Punkte-Programm zur Bekämpfung von Rechtsextremismus vorgelegt. Aufgrund der Zeit möchte ich gerne einen Punkt herausgreifen, der uns Freien Demokraten besonders wichtig ist – ich hätte ihn eigentlich mit einem Appell an den Bundesinnenminister verbunden; jetzt ist Herr Kollege Krings da, das ist auch gut,
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das ist deutlich besser!)
Sie können meinen Appell weitergeben –: Einen international aufgestellten Rechtsterrorismus wird man nicht allein durch nationale Maßnahmen bekämpfen können. Für jedes rechtsextreme Konzert in Deutschland, das wir zu Recht verbieten, müssen wir feststellen, dass in Ungarn und anderen Mitgliedstaaten solche Konzerte durchgeführt werden. Sofern wir es endlich probieren, die Szene zu entwaffnen, können wir es gleichzeitig nicht dulden, dass Schießtrainings in den Niederlanden oder in der Tschechischen Republik stattfinden.
Wir als Freie Demokraten erwarten von Ihnen, dass Sie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um ein europaweites Programm zum Kampf gegen Rechtsextremismus vorzulegen. Sie haben uns an Ihrer Seite; denn der Gesetzentwurf kann nicht das Ende, sondern nur der Anfang im verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus sein.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Benjamin Strasser. – Schönen Nachmittag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Der nächste Redner: Niema Movassat für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7452967 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsextremismus und Hasskriminalität |