Frank SchwabeSPD - Syrienpolitik
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! In der Tat: Es tobt in Syrien seit 2011 ein Krieg, der die größte humanitäre Katastrophe neben dem Jemen mit 13 Millionen Menschen auf der Flucht hervorgebracht hat. Übrigens sind 600 000 bis 700 000 davon in Deutschland. Ich glaube, es ist wichtig, die Dimensionen dessen, was wir hier innenpolitisch diskutieren, ein bisschen zu begreifen.
Ich glaube, wir müssen uns ehrlich machen: Es ist mittlerweile wieder die Zeit von Stellvertreterkriegen, und es ist ein solcher Stellvertreterkrieg, der dort geführt wird. Solange die Rahmenbedingungen schlecht bleiben – und die Rahmenbedingungen sind schlecht –, solange wir auf UN-Ebene keine neuen Initiativen zu einer gemeinsamen Politik hinbekommen, solange wir den Multilateralismus nicht stärken, ist es eben wahnsinnig schwierig, solche Konflikte von außen international zu lösen.
Das heißt, wir müssen uns eingestehen, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, was nicht heißt, dass wir nicht trotzdem alles tun müssen, um Türen für Verhandlungen zu öffnen, dass wir nicht alles tun müssen, um Menschen zu helfen, möglichst vor Ort. In der Tat: Die Bundesregierung hat das in den letzten Jahren mit Mitteln in Milliardenhöhe getan. Ich denke, diese werden in den nächsten Jahren eher noch aufgestockt werden müssen und werden. Das ist im Übrigen die sogenannte humanitäre Hilfe, die gerade von der antragstellenden Partei ja im Prinzip abgelehnt und infrage gestellt wird. Aber wir müssen den Menschen auch helfen, wenn sie hier sind, weil es eben Menschen sind, die unsere Unterstützung brauchen. Und wir brauchen die Nutzung des internationalen Rechts, des Völkerrechts und entsprechend auch des Völkerstrafrechts.
Bei all dem, was wir international diskutieren, und dem, was auch bei den Verhandlungen in Genf Grundlage ist, muss man natürlich die Realitäten anerkennen, und sie werden auch anerkannt. Es müssen aber die Konfliktparteien selber sein, die – auch mit internationaler Hilfe – am Ende zu einer Lösung kommen.
Was man aber nicht machen darf – und das darf man in keinem Fall machen, nicht in diesem Konflikt und nicht in anderen Konflikten –, ist, Diktatoren oder autoritäre Herrscher zu hofieren. Dann fühlen sie sich nämlich angeregt, weitere Verbrechen zu begehen. Das machen aber diejenigen, die hier für die AfD im Deutschen Bundestag sitzen. Das macht der Herr Oehme auf der Krim und andere auch; das wird ja noch zu diskutieren sein.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD – Frank Pasemann [AfD]: Das ist doch scheinheilig! Sagen Sie doch so was auch für Saudi-Arabien!)
Sie delegitimieren die deutsche Außenpolitik. Sie delegitimieren den Europarat und den Deutschen Bundestag mit seiner Kompetenz, Wahlbeobachtungen vorzunehmen, und Sie organisieren Propagandabesuche in Syrien.
(Zuruf von der AfD: Nee, nee! Das stimmt nicht!)
Ich muss sagen: Ich habe ein bisschen in das Machwerk reingeguckt, das Sie da auf den Weg gebracht haben. Ich finde es wirklich abscheulich, wie Sie die Leute dort hofieren und wie Sie am Ende lustige Fotos mit dem Großmufti machen, der dazu aufgerufen hat, Selbstmörder nach Europa zu schicken. Sie haben vielleicht vergessen, dass das der Fall ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kotré [AfD]: Stimmt nicht!)
Sie machen das nur, weil Sie das Szenario aufbauen wollen, dass ja alles so super sei in Syrien und deswegen die Geflüchteten, die in Deutschland sind, entsprechend zurückkehren können. Ich halte mich da an das Auswärtige Amt, das eingeschätzt hat, dass es keine sicheren Bereiche in Syrien gibt, weswegen klar ist, dass wir Menschen aus Deutschland auch nicht dorthin zurückführen können – zurzeit jedenfalls nicht.
(Steffen Kotré [AfD]: Das ist ja gar nicht vor Ort!)
In Syrien herrscht ein schreckliches Folterregime: Hunderttausende Tote, 13 Millionen Menschen auf der Flucht, Chemiewaffen, die gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Und natürlich sind es auch Islamisten, die schrecklichste Verbrechen dort verüben. Aber die Hauptverantwortung trägt eine Person, und das ist der Diktator des Landes, Baschar al-Assad. Das muss, glaube ich, auch klar gesagt werden. Noch mal: Solche Leute hofiert man nicht.
Es gibt andere, die dort entsprechend Verantwortung tragen und die sich wirklich die Hände schmutzig machen: der Iran – der ist genannt worden –, die Türkei und Russland. Alle drei Staaten verüben schwerste Menschenrechtsverletzungen und Menschenrechtsverbrechen. Und es gibt Luftangriffe. Da wundere ich mich allerdings über beide Seiten des Hauses, dass Luftangriffe auf Krankenhäuser immer mal wieder benannt werden, aber dass das immer so ein bisschen relativierend geschieht. Russland begeht Kriegsverbrechen in Syrien, und Russland muss dafür auch zur Verantwortung gezogen werden.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Deswegen finde ich es richtig, was im Grünenantrag steht, nämlich dass wir die Kriegsverbrechen dokumentieren und dann entsprechend am Ende auch die Menschen zur Verantwortung ziehen müssen, die dafür verantwortlich sind.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Genau! Alle!)
Das können wir dort, wo es möglich ist, über den Internationalen Strafgerichtshof machen, und dort, wo es nicht möglich ist, über finanzielle Sanktionen für einzelne Personen, zum Beispiel über Maßnahmen, wie es sie im Magnitsky Act gibt, oder eben über die Anwendung des Weltrechtsprinzips.
Da kann man, glaube ich, aus Deutschland heraus selbstbewusst sagen, dass wir da wirklich gut und vorbildlich sind. Wir sind vorbildlich bei der Anwendung des Weltrechtsprinzips. Wir haben Anklage gegen zwei Syrer vor dem Oberlandesgericht in Koblenz erhoben. Einer davon soll für 4 000 Folterungen und 58 Ermordungen verantwortlich sein. Wir haben gerade heute eine neue Anzeige gegen neun hochrangige Funktionäre des syrischen Regimes und des Luftwaffengeheimdienstes wegen sexueller Gewalt – in Klammern: Vergewaltigung, Elektroschocks im Genitalbereich und erzwungene Abtreibung – erstattet. Ich glaube, darauf können wir wirklich stolz sein. Da sind wir jetzt auch weltweit führend und müssen das entsprechend weiter ausbauen.
Es bleibt dabei: Wir sollten alles tun, um die Verbrechen zu ahnden und auch entsprechend abzuschrecken. Wir müssen alles tun, um den gepeinigten Menschen zu helfen: in Syrien, rund um Syrien, in der Türkei, aber eben auch bei uns. Wir müssen Verhandlungslösungen möglich machen, dürfen Gesprächsfäden nicht abreißen lassen, müssen Türen öffnen für den Moment, in dem eben Verhandlungslösungen vielleicht dann doch möglich sind. Aber in gar keinem Fall dürfen wir Diktatoren hofieren.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Pasemann [AfD]: Das wird den vielen Menschen helfen! – Gegenruf des Abg. Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch gar nicht, was das ist! – Gegenruf des Abg. Frank Pasemann [AfD]: Halten Sie sich doch zurück! – Gegenruf des Abg. Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selber!)
Das Wort hat die Kollegin Heike Hänsel für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7453042 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Syrienpolitik |