Christian DürrFDP - Corona-Konjunkturpaket
Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jung, es ist richtig: Wir sind am Beginn einer schweren wirtschaftlichen Situation für unser Land, und die endet nicht am 31. Dezember dieses Jahres. Das Ziel eines Konjunkturpaketes muss sein, die Binnenkonjunktur so zu stärken, dass wir so schnell wie möglich aus dieser Krise auch wieder herauskommen. Und das Herzstück Ihres Konjunkturpaketes – das sagen Sie ja selbst; das sagen der Bundeswirtschaftsminister, der Finanzminister – ist eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer vom 1. Juli bis 31. Dezember. Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie entlasten wollen. Die Wahrheit ist: Für viele Mittelständler, für viele Familienbetriebe ist das ein irrer bürokratischer Aufwand. Die Mehrwertsteuersenkung ist zunächst eine Belastung des deutschen Mittelstandes, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])
Sie werden doch auch die Briefe der Mittelständler bekommen, die sich zurzeit beschweren, die sagen: Diese Umsetzung zum 1. Juli wird gar nicht rechtssicher funktionieren.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was für ein Blödsinn! – Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau das Gegenteil!)
Zum Zweiten: Es ist mehr als fraglich, ob dieses Geld auch bei den Menschen ankommt.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Seien Sie doch mal positiv gestimmt!)
Ich will meine Sorge zum Ausdruck bringen. Meine Sorge ist, dass vor allem diejenigen profitieren werden, die ohnehin gut durch die Krise gekommen sind, zum Beispiel die Onlineversandhändler, die, weil ihre Preise durch Algorithmen festgelegt werden, diese Mehrwertsteuersenkung nicht weitergeben werden. Das ist, Herr Scholz, unter Umständen kein Steuerhilfegesetz; das ist vielleicht ein Amazon-Hilfegesetz, aber nicht das, was unser Land jetzt braucht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD] – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist aber total dünne Suppe! – Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jämmerlich!)
Das „Politbarometer“ hat herausgefunden, dass 85 Prozent der Menschen in Deutschland nicht daran glauben, dass diese Mehrwertsteuersenkung bei ihnen ankommt.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Früher hat die FDP mal etwas von Wirtschaftspolitik verstanden! Das ist schon länger vorbei!)
Der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministers meldet Zweifel an, Beamte des Bundeswirtschaftsministers sind nicht überzeugt, und selbst in der besten Rechnung, selbst wenn man glaubt, alles wird weitergegeben, würde ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland 30 Euro im Monat sparen. Aber wenn nicht einmal die Menschen, die davon profitieren, Vertrauen fassen, dass sich die Wirkung wirklich entfaltet, dass diese Mehrwertsteuersenkung ankommt, dann ist sie vor allem eines: ein falsches Instrument zur Belebung der Konjunktur in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Es wäre besser, jetzt das zu tun, was sogar die Wirtschaftspolitiker der CDU/CSU fordern und vom Konjunkturpaket erwartet haben. Es wäre jetzt richtig, die kleinen und mittleren Einkommen in Deutschland zu entlasten, zum Beispiel über den Abbau des Mittelstandsbauches. Es wäre jetzt richtig, so wie es die Union selbst gefordert hat, den Solidaritätszuschlag rückwirkend zum 1. Januar 2020 vollständig abzuschaffen; denn auch kleine und mittlere Einkommen zahlen ihn in diesem Jahr. Das wäre der Konjunkturimpuls gewesen, den unser Land jetzt braucht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Michael Schrodi [SPD]: Entlastet die Spitzenverdiener, aber nicht die unteren Einkommen!)
Zum Kinderbonus ein Wort. Herr Jung, Sie sind nicht ehrlich, wenn Sie sagen, dass alle Kinder, alle Familien in Deutschland davon profitieren. Die Wahrheit ist: Er wird voll steuerlich angerechnet. Anders als bei üblichen Kindergelderhöhungen wird er voll steuerlich angerechnet. Viele Familien werden mit der Steuererklärung 2020 ein böses Erwachen erleben. Sie werden feststellen, dass es einen Profiteur dieses Kinderbonus gibt – er sitzt dort –, das ist der Bundesfinanzminister, weil er die Steuern zurückerhält. Auch das ist kein konjunktureller Impuls.
(Beifall bei der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was für eine verfehlte Rede! Sie sind ja vollkommen orientierungslos!)
Wenn dieses Konjunkturpaket nicht funktioniert, dann werden wir in Deutschland doppelt verlieren – Sie haben gerade auf die neuen Schulden hingewiesen –, dann werden wir mehr Schulden und mehr Arbeitslose haben. Genau das darf nicht passieren, Herr Jung, und ich will Ihnen eines sagen: Auch wir sind bereit – nicht nur beim ersten Paket des Nachtragshaushalts, sondern auch jetzt –, die Konjunktur anzukurbeln und dafür Kredite aufzunehmen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber andere!)
Aber es ist dann auch richtig, alles zu aktivieren, was vorhanden ist. Es ist dann auch richtig, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren, und nicht nur 57 Milliarden Euro Mehrausgaben zu veranschlagen, sondern auch deutlich zu machen, wo Einsparungen möglich sind.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Haben Sie etwas anderes als Worthülsen?
Vor allem ist eines wichtig: dass jetzt mit diesem Nachtragshaushalt alle Rücklagen des Bundesfinanzministers aufgelöst werden.
(Beifall bei der FDP)
Sie machen das exakte Gegenteil. Sie erhöhen die Rücklage des Bundesfinanzministers von knapp 40 Milliarden Euro auf 50 Milliarden Euro. Das sind die Steuern der Menschen in Deutschland; Sie enthalten ihnen diese Steuern vor. Es wäre jetzt richtig gewesen, das Geld den Menschen zu geben, damit die Konjunktur in Deutschland wieder in Schwung kommt. Insbesondere die Union bleibt schuldig, dieses Versprechen einzulösen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Fabio De Masi, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7453101 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Konjunkturpaket |