19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 27

Linda TeutebergFDP - Verbot der Antifa

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz von Rechtsstaat und Demokratie ist uns Freien Demokraten wahrlich wichtig. Dafür brauchen wir allerdings keinen einäugigen Antrag wie den heute vorliegenden. Rechtsstaat und Demokratie werden von verschiedenen Seiten gefährdet. Durch Extremisten, seien sie rechts, links oder religiös motiviert. Auf keinem Auge darf der demokratische Rechtsstaat blind sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben über einen Ihrer beiden Anträge schon im September letzten Jahres debattiert. Was ich allerdings nicht geahnt bzw. mir nicht gewünscht habe: Ich habe damals darauf hingewiesen, dass Redefreiheit gegen Blockaden, gegen widerrechtliche Verhinderung von Veranstaltungen verteidigt werden muss: Dann haben wir im Herbst ein paar Beispiele dafür gesehen. Es ist auch weiterhin wichtig, die Redefreiheit für alle auf dem Boden der Verfassung stehenden Meinungen zu verteidigen.

Klar muss auch sein – das gehört dazu, wenn wir die freiheitliche demokratische Grundordnung wirklich ernst nehmen, und das ist auch ein Grund, warum wir den zur Beschlussfassung vorliegenden Antrag ablehnen –, dass auch die Gewaltenteilung zu dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung dazugehört und die Behörden in unserem Land keine konkreten Aufträge aus dem Parlament brauchen, wie sie wen zu beobachten und zu beurteilen haben. Wir vertrauen darauf, dass das nach den Kriterien von Recht und Gesetz geschieht.

(Beifall bei der FDP)

Der Antrag ist allerdings ein guter Anlass, auf ein paar Dinge einzugehen, die tatsächlich klargestellt werden müssen und die wichtig sind. Zum Beispiel das staatliche Gewaltmonopol wirklich zu verteidigen. Wir reden heute mit Blick auf das Mittelalter vom Fehdeunwesen, weil wir Besseres kennen: nämlich den Rechtsstaat mit vollziehender Gewalt. Ohne Selbstjustiz, sondern mit dem staatlichen Gewaltmonopol. Das gilt es zu verteidigen. Aber das geht in einigen Debatten manchmal unter. Nach den Silvesterzusammenstößen zwischen gewalttätigen Demonstranten und Polizei in Leipzig-Connewitz zum Beispiel wurde darüber diskutiert, ob es Polizeigewalt gegeben habe. Aber die Diskussion geht am Thema vorbei. Denn sie setzt voraus, dass die Polizei generell keine Gewalt anwenden dürfe. Die Frage ist doch, ob sie verhältnismäßig und rechtmäßig gehandelt hat. Es begegnen sich ja nicht wie in vorstaatlichen Zeiten zwei Clans, die wie im Buddelkasten darüber streiten, wer angefangen hat zu zanken. Der Staat ist nicht zur Gewaltlosigkeit verpflichtet, er ist dazu verpflichtet, das Recht einzuhalten.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])

Deshalb muss das Verhältnis zum Beispiel zwischen den Demonstranten und der Polizei asymmetrisch sein. Allein der Staat darf zwingen. Das ist Inhalt des staatlichen Gewaltmonopols und des Rechtsstaates. Wir tragen in der Familie keine Waffen, weil wir uns schätzen und aufeinander verlassen. Und wir tragen auch sonst keine, weil wir darauf vertrauen, dass die Polizei uns im Ernstfall in unserem Rechtsstaat schützt. Dieses Vertrauen ist wichtig.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])

Deshalb: Gewalt, verstanden als durch das Gesetz legitimierter Zwang gegen den Willen der Betroffenen, ist Aufgabe der Polizei. Die Stärke unseres freiheitlichen Rechtsstaates ist, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, die Rechtmäßigkeit von Handlungen durch unabhängige Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen. Das unterscheidet unseren Rechtsstaat von anderen, früheren Staaten auf deutschem Boden. Rechtskräftige Verfügungen der Behörden und Gerichte müssen weiterhin zuverlässig durchgesetzt werden; denn sie sind mehr als Bitten oder Empfehlungen. Die Debatten über Polizeigewalt sind in diesem Sinne regelmäßig verzerrt.

Ob ein bestimmter Einsatz rechtlich legitimiert war oder nicht, das ist zu prüfen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das war mal eine Bürgerrechtspartei! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Das sagt gerade ihr! Das sagen genau die Richtigen! So einen Satz!)

– Ja, genau. – Und deshalb müssen die Bürgerrechte auch gegen Gewalttätige geschützt werden. Genau das ist Inhalt dessen, was ich gerade beschreibe: Die Polizei ist rechtlich gebunden. Sie muss auch Bürger schützen, wenn andere Bürger nicht bereit sind, sich an die Rechtsordnung zu halten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Inhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung – um deren Schutz geht es ja in dieser Debatte – ist, dass jeder daran gebunden ist, seine politischen Ziele nur mit friedlichen, mit rechtmäßigen Mitteln zu verfolgen. Insofern führen diese Diskussionen in die Irre. In die Irre führen uns übrigens auch diejenigen, die meinen, im Zusammenhang mit Polizei von struktureller Gewalt sprechen zu können. Unser Rechtsstaat bietet die Möglichkeit, die politischen Verhältnisse durch Wahlen zu beeinflussen und die Rechtmäßigkeit von Handlungen durch Gerichte überprüfen und rechtswidriges Handeln feststellen zu lassen. Das müssen wir verteidigen und denjenigen, die die Knochen dafür hinhalten, grundsätzlich mit Wertschätzung begegnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schließlich ist es wichtig, etwas dazu zu sagen, was der Begriff „Antifaschismus/Antifa“ für unseren Kampf um die freiheitliche Demokratie bedeutet. Das ist ein sehr ambivalenter Begriff. Ich finde, man muss unterscheiden und den Ursprung kennen. Denken wir etwa an den Schwur von Buchenwald 1945: Das war ein Antifaschismus, der aus der konkreten Erinnerung, ja, aus der Erschütterung durch das Erlebte erwuchs. Das war zunächst eine überparteiliche und auch internationale Sammelbewegung: gegen den Nationalsozialismus, sein Erbe, und für eine friedliche und freiheitliche Welt. Das war der Anfang. Das ist zum einen zu sehen.

Es ist aber auch zu sehen, wie der Begriff zunehmend missbraucht wurde. So wie der Begriff „Faschismus“ vielschichtig ist und wissenschaftlich und politisch unterschiedlich gebraucht wird, gilt das auch für den Begriff „Antifaschismus“. Es gibt eine Vielzahl von Verwendungen im linksextremistischen Sinne, gerne auch als Diffamierung aller abweichenden Ansichten genutzt. Wir haben gerade erst vor zwei Tagen in diesem Haus der Ereignisse am 17. Juni 1953 gedacht; auch da wurden Andersdenkende als faschistische Provokateure diffamiert. Das war eine Legitimationsideologie für die DDR-Diktatur, das ist Agitation linksextremistischer Vorfeldorganisationen, eine Bündnisstrategie linksextremistischer Vorfeldorganisationen und ein Argumentationsmuster bzw. Agitationsfeld sogenannter Autonomer.

Deshalb stellt sich die Frage: Welchen Wert hat dieser Begriff für unseren Einsatz für Freiheit und Demokratie? Kaum einen. Er hat keinen analytischen Wert, er hat keinen praktischen Wert. Denn überzeugte Demokraten sind selbstverständlich immer in Opposition zu faschistischen Bewegungen; aber längst nicht alle Antifaschisten sind überzeugte Demokraten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Deshalb stellt sich die Frage: Worauf kommt es jetzt eigentlich an? Es kommt auf den positiven Einsatz für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung an, indem wir dazu stehen – und zwar entschieden, nicht schamhaft und nicht nach irgendwelchen politischen Präferenzen opportunistisch eingeschränkt –, dass jeder seine politischen Ziele nur gewaltfrei, rechtmäßig, demokratisch verfolgt, indem wir jeder Art von Menschenverachtung entgegentreten und sie nicht durch eine andere Menschenverachtung ersetzen oder legitimieren und indem wir für den antitotalitären Konsens einstehen.

Gegen andere Antidemokraten zu sein, macht einen selbst noch nicht zum Demokraten. Dazu gehört mehr. Dass man nämlich diese friedliche, freiheitliche Ordnung selbst aktiv gegen all ihre Feinde verteidigt. Dafür werden wir eintreten, auch ohne diesen Antrag.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Teuteberg. – Nächster Redner ist der Kollege Uli Grötsch, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453126
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Verbot der Antifa
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