19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 27

Uli GrötschSPD - Verbot der Antifa

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann gleich an die Ausführungen meiner Vorrednerin anknüpfen. Ich möchte eine Sache ganz am Anfang klarstellen: Doch, Frau Teuteberg, alle Antifaschisten sind selbstredend und ganz automatisch Demokraten,

(Lachen bei der AfD – Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist der Hammer! Unglaublich!)

weil sie sich gegen Faschismus wenden und weil sie für Demokratie und Freiheit kämpfen.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Antifaschisten können auch Linksextremisten sein!)

Ich möchte auf den zur Debatte stehenden Antrag zu sprechen kommen. In der Überschrift Ihres Antrags heißt es ja: „… Verbot der Antifa prüfen“. Ich habe das mal für Sie gemacht und komme zu dem Schluss, dass es sich bei Ihrem Antrag um eine Themaverfehlung handelt.

(Marianne Schieder [SPD]: Thema verfehlt! Das stimmt!)

Ich möchte Ihnen kurz erklären, wie ich zu diesem Schluss komme: In der Überschrift steht zwar „Antifa“, aber in dem Antrag geht es um Linksextremismus. Sie hätten in der Schule in Geschichte besser aufpassen sollen; denn Antifaschismus hat nichts mit Linksextremismus zu tun,

(Lachen bei der AfD – Marian Wendt [CDU/CSU]: Natürlich!)

und im Übrigen auch seine Symbole nicht.

Herr Kollege Grötsch, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Teuteberg?

Ja. – Bitte, Frau Teuteberg.

Herr Grötsch, Sie haben gerade gesagt, dass auch jeder Antifaschist Demokrat sei. Ich finde, das ist eine sehr ernste Frage, wenn es uns mit diesem Kampf für die Demokratie ernst ist. Würden Sie das auch über zum Beispiel Stalin sagen, der mindestens bis 1939 und dann wieder ab 1941 erklärter Antifaschist war, aber bestimmt nicht Demokrat?

(Michel Brandt [DIE LINKE]: Ist das ernsthaft das Niveau der Debatte, oder was? Das ist ja fürchterlich!)

– Könnte ich bitte ausreden?

Ich frage das sehr bewusst, auch mit hohem Respekt vor der Geschichte der Sozialdemokraten, die in der Weimarer Republik selbst durch Kommunisten diffamiert wurden. Da sollte davon abgelenkt werden, dass die Republik von rechts und links in die Zange genommen wurde. Deshalb kann ich nur sehr davor warnen, diesen Umkehrschluss zu ziehen, dass jeder Antifaschist auch Demokrat sei. Jeder, der die Geschichte kennt, übrigens auch die im Osten unseres Landes, weiß, dass das nicht der Fall ist. Ihre eigene Partei wurde mit einer Zwangsvereinigung zur SED ebenfalls unter dem Rubrum Antifaschismus unterdrückt. Deshalb sollten wir da sehr differenzieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der AfD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Um erst mal ganz direkt auf Ihre Frage zu antworten: Nein, Frau Teuteberg, Josef Stalin war kein Antifaschist, und er war kein Demokrat; um das mal zu sagen.

(Lachen bei der AfD)

Aber so geht es Demokraten, so geht es Antifaschisten und vielen anderen: Ihre Symbole und ihre Botschaft wurden oft missbraucht. Wir in der SPD reden uns zum Beispiel mit „Genossinnen und Genossen“ an,

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Schlimm genug!)

und das seit 157 Jahren. Davon wird uns nicht abhalten, dass diese Anrede in der DDR missbraucht

(Lachen bei der AfD – Zuruf des Abg. Thomas Ehrhorn [AfD])

und ad absurdum geführt wurde; wenn Sie mich fragen.

So geht es vielen Symbolen und vielen Ausdrücken. So wurde auch der Begriff „Antifaschismus“ in der Geschichte viel zu oft missbraucht, um von eigenen Defiziten und womöglich sogar – wenn Sie Stalin ansprechen – von der eigenen Menschenfeindlichkeit und vom eigenen Extremismus oder ganz persönlichen Faschismus abzulenken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir waren beim Thema „Antifaschismus im Jahr 2020 und darüber hinaus“, bei seinen Symbolen sowie der Frage, was darunter zu verstehen ist und wer womöglich dahintersteckt. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit erklären, was es damit auf sich hat. Das zum Beispiel ist das Symbol der antifaschistischen Aktion „Storch Heinar“.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Die kennen Sie von der AfD; gegen die haben Sie diese Woche erst wieder vor Gericht verloren.

Das ist das Symbol der antifaschistischen Aktion Eiserne Front, seit 1931.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Das ist das Symbol unserer Jugendorganisation, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, aber antifaschistische Aktionen durchführt.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Es wird Sie wahrscheinlich nicht überraschen, was zum Abschluss kommt: Das ist das Symbol einer antifaschistischen Aktion, die es seit 157 Jahren gibt, der SPD.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch – Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich finde es alles in allem mehr als schwierig, wenn man verkrampft versucht, den Scheinwerfer in die andere Richtung zu drehen, während man wegen politischen Extremismus selbst im Fokus des Verfassungsschutzes steht. Das hat schon im Kindergarten nicht funktioniert, und das funktioniert auch hier im Deutschen Bundestag nicht, meine Damen und Herren von der AfD. Ihr „Flügel“ ist nachweislich rechtsextrem. Landesverbände der AfD stehen unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ihre Jungendorganisation wird beobachtet. Die ganze AfD wird vom Verfassungsschutz überprüft.

Wir haben es immer gesagt und sagen es auch heute: Die rechtsstaatliche Fassade kann auch der Bundesverband nicht lange aufrechterhalten. Seien Sie sich dessen ganz sicher.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Von dem antiextremistischen Grundkonsens, den Sie ja immer fordern – so auch heute wieder –, wenden Sie sich doch Tag für Tag aufs Neue ab. Wer aus Ihrer Sicht ein Linksextremist ist, zeigt zum Beispiel ein Tweet eines AfD-Landtagsabgeordneten: ARD und ZDF seien linksextreme Medien.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Was fällt Ihnen zu der gesellschaftlichen Debatte im Zusammenhang mit „Black Lives Matter“ ein? Natürlich Rassismus gegen Weiße. Dass also auch Antifaschismus nach Ihrer Lesart linksextrem ist, wundert deshalb wahrscheinlich niemanden mehr. Sie gehen mit diesem Begriff ohnehin inflationär um.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: So wie Sie mit dem Begriff „Nazi“!)

Das ist unrecht gegenüber allen Antifaschisten, auch in den Reihen der SPD und im ganzen Deutschen Bundestag, die für die Verteidigung von Freiheit ihr Leben gegeben haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie an einer sachlichen Debatte interessiert sind, dann hören Sie auf, Antifaschisten mit randalierenden, plündernden Gewalttätern in einen Topf zu werfen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Distanzieren Sie sich! – Weitere Zurufe von der AfD)

Alle – das behaupte ich jetzt, weil ich glaube, es zu wissen – Parteien des demokratischen Spektrums distanzieren sich selbstredend von marodierenden Banden wie beim G-20-Gipfel in Hamburg oder anderswo.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Die Antifa, die Sie verbieten wollen, gibt es als Organisation gar nicht,

(Lachen bei der AfD)

weshalb man sie auch nicht verbieten kann. In Wirklichkeit meinen Sie mit Antifa womöglich alles, was hier im Hause links von Ihnen sitzt plus die öffentlich-rechtlichen Medien. Hören Sie auf, von sich selber abzulenken. Ihre Tage sind gezählt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind dieses Hauses nicht würdig. Ihr Antrag ist absurd. Deshalb lehnen wir ihn ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453127
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Verbot der Antifa
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