19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 27

Sylvia LehmannSPD - Verbot der Antifa

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Bildschirmen! Der vorliegende Antrag zum Verbot der Antifa beschwört auf sechs Seiten eine linke Gefahr und den antikapitalistischen Sturz unserer parlamentarischen Grundordnung. Die AfD generiert sich wiederholt als Opfer und reiht willkürlich Zahlen wie Fakten aus den Bundesverfassungsschutzberichten aneinander.

(Corinna Miazga [AfD]: Hetzer!)

Richtig ist, dass es gewaltbereiten Linksextremismus gibt. Selbst einige meiner Fraktionskollegen waren von linker Gewalt bereits betroffen.

(Zuruf von der AfD: Oh!)

Selbstverständlich wird derart motivierte Gewalt in unserem Staat verurteilt und bekämpft.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Richtig ist aber auch, dass es viermal mehr rechts- als linksextremistisch motivierte Straftaten gibt. Die Art und Weise, wie Sie Daten aus den Berichten interpretieren, suggeriert ein Mäntelchen der bürgerlichen Mitte. In Wirklichkeit verbergen sich dahinter Fremdenfeindlichkeit, Menschenverachtung und Rassismus.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Was spricht noch aus diesem Antrag der AfD? Könnte das schlicht Panik nach der Einstufung des gesamten Brandenburger Landesverbandes als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz sein? Diese Panik hätte ich an Ihrer Stelle auch.

(Beifall bei der SPD)

Erst diesen Montag erklärte das brandenburgische Innenministerium – ich darf zitieren –:

Die Brandenburger AfD hat sich seit ihrer Gründung stetig radikalisiert und wird mittlerweile von Bestrebungen dominiert, die ganz eindeutig gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Als Brandenburgerin mit langjähriger Erfahrung auf Kreis- und Landesebene, auch mit der AfD, hat es für mich eine große politische Bedeutung und ist mir ganz wichtig, dass wir nach Thüringen das zweite Bundesland sind, das diesen Schritt jetzt geht.

(Tino Chrupalla [AfD]: Das glaube ich Ihnen!)

Die Entscheidung des brandenburgischen Verfassungsschutzes ist folgerichtig, längst überfällig und zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sehr geehrte Wählerinnen und Wähler der AfD, verschließen Sie vor dieser Gesinnung

(Tino Chrupalla [AfD]: Der SPD!)

nicht die Augen!

(Beifall bei der SPD)

Entscheiden Sie sich für Demokratie!

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Machen wir! – Martin Reichardt [AfD]: Wählen Sie lieber die Linksextremisten!)

Die AfD will die Antifa verbieten; lüften wir auch noch dieses Mäntelchen. Was verbirgt sich denn hinter dem Begriff „Antifa“? Sind es wirklich nur prügelnde, autoanzündende, randalierende Chaoten, wie der AfD-Antrag zu verstehen gibt?

(Tino Chrupalla [AfD]: Ja!)

Kann Antifa nicht auch ein Lebensprinzip sein?

(Lachen bei der AfD)

Die Definition unserer Jugendorganisation, der Jusos, ist ein Beispiel dafür, dass Antifa und Grundgesetz zusammengehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das könnte euch so passen!)

Ich darf die Jusos zitieren:

Wir verstehen unser antifaschistisches Engagement als Akt der Verteidigung gegen … antidemokratische Kräfte jeglicher Art.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf noch einen Satz zitieren:

Wir engagieren uns im Gegenprotest und stellen ihrer rechten Ideologie zu jeder Zeit unsere Idee einer solidarischen, offenen und gerechten Gesellschaft entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist natürlich ein Paradoxon – wir hatten die Debatte anfangs schon; ich möchte es noch einmal aus meiner Perspektive sagen –: Nicht jeder Antifaschist ist automatisch ein Demokrat, doch jeder aufrichtige Demokrat ist automatisch ein Antifaschist.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Frau Kollegin, Sie müssen trotzdem zum Schluss kommen.

Ich verurteile Gewalt, bin 66, bin Antifa.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lehmann. – Nächster Redner ist der Kollege Alex Müller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453132
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Verbot der Antifa
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