Alexander MüllerFDP - Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2019
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch in diesem Jahr berichtete der Wehrbeauftragte über die bekannten Mängel: fehlendes Material und schlechte Einsatzbereitschaft. Das demotiviert unsere Soldatinnen und Soldaten, die von uns, aus Respekt vor ihrer Arbeit, wirklich bessere Ausrüstung verlangen können. Lassen Sie uns mit den Gründen beschäftigen, mit den Ursachen, warum es nicht besser wird. Dr. Bartels schreibt von der Überbürokratisierung der Bundeswehr, von zu wenig Eigenkompetenz der Soldaten und von einer Inneren Führung, die auf Fehlervermeidung statt auf den operativen Erfolg abzielt. Alles das müssen wir uns kritisch anschauen.
Die Bundeswehr hat eine Kultur, in der Fehler bestraft werden und Auswirkungen auf die Karriere haben, Erfolge hingegen haben keinen Einfluss auf die Beförderung. Es gibt ein Anreizsystem, mit dem man unter allen Umständen fehlerfrei bleiben sollte, um Karriere zu machen. Wer etwas wagt, wer sich über die Maßen engagiert, um eine Mission zum Erfolg zu bringen, der wird dafür nicht belohnt. Modernes Projektmanagement geht aber anders. Teams bekommen Aufträge mit allen erdenklichen Freiräumen, um ihr Ziel zu erreichen. Dabei passieren natürlich Fehler, aber aus denen lernt man. Das ist menschlich. Im Untersuchungsausschuss Berateraffäre zeigte sich zum Beispiel, dass etliche Menschen einen Rahmenvertrag kursorisch geprüft, aber nur für ihr kleines Stückchen Verantwortung übernommen hatten, und das führte zu rechtswidrigen Vergaben. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: In der Instandsetzung soll ein Fahrzeug repariert werden, aber es fehlt ein Ersatzteil. Bei Dienst nach Vorschrift steht das Fahrzeug vier Wochen still, bis alle Teile überbürokratisch beschafft sind. Aufgrund gemachter Anreizerfahrungen wird der Instandsetzer keine kreativen Ideen nutzen, um das Fahrzeug schneller wieder flott zu kriegen, obwohl er seine Kameraden unterstützen will. Er wird den sicheren Weg wählen, und das Ergebnis sehen wir an der mangelnden Einsatzbereitschaft unserer militärischen Gerätschaften.
(Beifall bei der FDP)
In einer Gefechtssituation, in der das Fahrzeug dringend die Kameraden aus der Bedrohung rausbringen muss, fragt aber niemand nach der zentralen Dienstvorschrift. Da ist dann echte Kreativität gefragt, wie man das Fahrzeug auf schnellstem Wege wieder flottkriegt. Wir trainieren also falsch. Wir müssen unseren Soldatinnen und Soldaten eine Kultur vorleben, lösungsorientiert zu handeln, kreativ zu denken und Fehler zu akzeptieren, wenn der Missionserfolg damit gewährleistet werden kann.
(Beifall bei der FDP)
Wie schaffen wir das? Erstens. Wir müssen die Vorschriftenkataloge entbürokratisieren und deutlich abspecken, so wie der Wehrbeauftragte es vorschlägt. Das können wir aber nicht von den Soldaten verlangen. Dieser Prozess muss von hier, von Berlin ausgehen.
Zweitens. Wir müssen der Bundeswehr eine Kultur implementieren, die Fehler akzeptiert, die Fehler nicht zu Karrierekillern macht und die vor allen Dingen den Projekterfolg nach vorne stellt und honoriert. Also: Erfolge belohnen, aus Fehlern lernen!
Drittens. Wir müssen bei der Materialbeschaffung viel stärker auf verfügbare Dinge aus dem Regal zugreifen, statt immer die perfekt passende Goldrandlösung neu entwickeln zu lassen. Der Wehrbeauftragte nennt das das Ikea-Prinzip; auch damit hat er vollkommen recht. Wenn wir dieses Prinzip viel stärker umsetzen, dann kommen wir auch in Sachen Materialbeschaffung und Einsatzbereitschaft schneller voran.
Frau Wehrbeauftragte, es gibt viel zu tun. Bleiben Sie dran, und lassen Sie uns gemeinsam die Verbesserungen angehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Reinhard Brandl das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7453153 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2019 |