19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 29

Norbert MüllerDIE LINKE - Kinderrechte in und nach der Corona-Krise

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im März dieses Jahres bestand große Einigkeit darüber, dass es richtig ist, zunächst Kitas und Schulen zu schließen, Angebote von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie ambulante Angebote herunterzufahren. Wir wissen heute mehr. Vor allem wissen wir aber, dass viele dieser Entscheidungen verheerende Folgen nach sich zogen. Wir wissen auch, dass besonders arme Familien, besonders arme Kinder unter diesen Entscheidungen gelitten haben und immer noch unter den Bedingungen der Pandemie leiden. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Kindheitswissenschaftler Professor Michael Klundt, der in einer aktuellen, diese Woche veröffentlichten Studie schreibt – ich zitiere –:

Die bislang erhältlichen … Studien zur Kinderarmut während der Corona-Krise zeigen, dass sich diese soziale Polarisierung nicht etwa reduziert hat, sondern vielmehr noch deutlicher als vorher hervorscheint.

Ich finde, wir müssen alles dafür tun, dass sich dieser Trend wieder umkehrt und sich die Schere zwischen Arm und Reich gerade in der Coronapandemie nicht noch weiter öffnet.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber offenbar ist diese Erkenntnis um den Landkreis Gütersloh in einem großen Bogen herumgegangen. Am Mittwoch, als bereits 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Tönnies mit dem Coronavirus infiziert waren, war die Entscheidung des Landkreises zunächst, alle Kitas und Schulen zu schließen bzw. in den Notbetrieb zurückzuschicken. Was jedoch nicht sofort geschlossen wurde, sondern bis zum heutigen Tage mit Ausnahmegenehmigung des Gesundheitsamtes weiterläuft, ist die Fleischbude von Tönnies, weil dort nämlich noch Schweinehälften in den Kühlregalen liegen, die weiterverarbeitet werden müssen. Ich finde, ehrlich gesagt, Eltern, die gegen diese Entscheidungen demonstrieren und sich fragen, ob die Verantwortlichen eigentlich noch alle Latten am Zaun haben, haben jedes gute Recht dazu.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stefan Schwartze [SPD])

Es kann doch nicht sein, dass die Interessen und das Recht des Fleischbarons Tönnies auf die Ausbeutung seiner Arbeiterinnen und Arbeiter zur Mehrung des eigenen Reichtums wichtiger sind als die Rechte der Kinder im Landkreis Gütersloh auf Bildung und andere Kinderrechte.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz. Das zeigen die Defizite ganz deutlich; die sind während der Coronapandemie noch mehr offengelegt worden. Ja, wir brauchen endlich kindergerechte Pandemiepläne. Auch das ist hier schon angesprochen worden; das muss in den Pandemieplänen auftauchen. Und wir brauchen pandemiegerechte Ausstattung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, in Kitas, Horten und Jugendklubs. Das ist Teil unserer Anträge.

Was brauchen wir noch? Wir brauchen einen Pandemiezuschlag für die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe, in Horten und in Kitas von 25 Prozent auf das Brutto. Wir haben hier Beschäftigte, die ähnlich wie im Pflegebereich, nah an den Kindern arbeiten. Die können sich auch nicht von oben bis unten einpacken. Wir wollen, dass sie wieder arbeiten, dass diese Einrichtungen wieder öffnen. Aber, ich finde, es reicht nicht, zum Dank zu applaudieren; denn das ist ziemlich gratis. Vielmehr müssen wir auch eine Wertschätzung entgegenbringen, wir müssen für die Risiken, die diese Beschäftigten eingehen, einen Zuschlag von 25 Prozent zahlen. Ihnen gilt echter Dank, und dieser echte Dank muss am Ende des Monats auch auf dem Konto sichtbar sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens und letztens. Wir brauchen den Kindergipfel. Auch diesen Antrag stellen wir heute noch mal zur Abstimmung. Wir brauchen den Kindergipfel, der deutlich macht, dass wir die Sorgen und Nöte der Kinder ernst nehmen, dass wir sie selber anhören und dass sie sozusagen nicht mehr zu Objekten werden, die bei einer Pandemie hin und her geschoben werden, sondern dass wir sie selber ernst nehmen. Wir brauchen den Kindergipfel, und wir brauchen endlich auch Kinderrechte im Grundgesetz, damit das ganze Thema eine andere Bedeutung bekommt und es nicht wieder vorkommt, dass am Ende die Fleischfabriken offen haben, Kitas und Schulen aber schließen müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453158
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Kinderrechte in und nach der Corona-Krise
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