19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 29

Ulrike BahrSPD - Kinderrechte in und nach der Corona-Krise

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kollegen und Kolleginnen! Es steht völlig außer Frage: Die Jugendverbände mit ihren Angeboten, die offene Jugendarbeit in unseren Städten und Gemeinden und auch die Jugendsozialarbeit bereichern das Leben unzähliger Kinder und Jugendlicher. Zu Coronazeiten waren und sind diese wichtigen Akteure einerseits wirtschaftlich gefährdet, andererseits stark in ihrer Kreativität gefordert; denn mit Abstand und Kontaktbeschränkungen sind weder Gruppenaktivitäten mit Spiel und Spaß noch Beratungssituationen Face to Face gut möglich. So haben die Jugendtreffs des Stadtjugendrings bei mir zu Hause in Augsburg erst vor zwei Wochen unter Auflagen wieder öffnen dürfen.

Trotzdem haben Fachkräfte wie auch freiwillig Engagierte versucht, mit Onlineangeboten und kreativen Ideen weiter zu unterstützen. Das verdient zweifellos Wertschätzung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Jugendministerin Franziska Giffey hat diese Wertschätzung immer wieder und auch schon zu Beginn der Krise zum Ausdruck gebracht. In unserem ersten Hilfepaket haben wir mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz einen Schutzschirm für die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe aufgespannt, die coronabedingt nicht arbeiten konnten. Bereits im März hat das Familienministerium an die Länder appelliert, die Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe als systemrelevant einzustufen.

Die Onlineberatungsangebote des Bundes wurden gestärkt, aber auch die Fachkräfte mit einer Kommunikations- und Transferplattform unterstützt, auf der Beispiele guter Praxis gesammelt und weitergegeben wurden. Denn die Kinder- und Jugendhilfe hat wieder einmal gezeigt, was sie draufhat und wie schnell sie sich unter neuen Bedingungen neu erfinden kann. Schauen Sie doch einfach auch mal die Webseite www.forum-transfer.de an. Hier haben das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz, die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen und die Universität Hildesheim sehr praxisnah und für alle Hilfearten Anregungen, Praxisbeispiele, rechtliche Hinweise und auch Tipps zur Stabilisierung der Fachkräfte selbst zusammengetragen.

Gerade auch für die Straßenkinder in ihrer schwierigen Situation gab und gibt es Onlineberatungen des Projektpartners Off Road Kids. Die Mitarbeitenden aus den Streetworker-Stationen haben im Live-Chat viel abfangen können und Jugendliche, die nicht mehr bei Freunden unterkommen konnten, auch während der Coronazeit in Hilfen vermittelt.

Wenn das nur als Tropfen auf den heißen Stein wahrgenommen wird, dann gibt es dafür zwei Gründe: Einmal ist, wie wir alle hier wissen, eine direkte Förderung des Bundes für Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbände nur in engem Rahmen möglich, nämlich entweder über Modellprojekte oder über die Förderung einzelner überregionaler Träger im Kinder- und Jugendplan. Und zum anderen ist die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe leider viel zu selten im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es nicht gerade um sexuellen Missbrauch oder schlimme Fehler bei der Inobhutnahme von Kindern geht. Die tägliche gute Arbeit und auch das Lob aus der Politik sind den Medien häufig leider keine Nachricht wert.

Ich bin mir dennoch sicher, dass unser heute anberatenes Konjunkturpaket auch für die Kinder- und Jugendhilfe Wirkung zeigen wird: Die Kommunen, die vor Ort die Angebote vorhalten und finanzieren müssen, werden mit 9,5 Milliarden Euro entlastet. Auch vom Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter erwarte ich mir neuen Schwung und fördernde Impulse.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Da gibt es noch nicht mal einen Gesetzentwurf!)

Denn guter Ganztag geht immer auch mit Konzepten für partizipative Kinder- und Jugendarbeit, für Zusammenarbeit mit geschätzten Verbänden und mit einem Ausbau der Schulsozialarbeit einher.

Für den Ganztag gibt es jetzt eine sichere Zusage von 1,5 Milliarden Euro mehr an Investitionsmitteln.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Und keinen Gesetzentwurf für den Rechtsanspruch!)

Auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich am Mittwoch für den Rechtsanspruch ausgesprochen. Das wird die Jugendarbeit stärken und voranbringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Dr. Silke Launert [CDU/CSU] – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Vorlegen!)

Denn der Rechtsanspruch ist nur in Kooperation von Schule und Jugendhilfe, von öffentlichen und freien Trägern und gemeinsam mit den Verbänden umzusetzen.

Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe steht ohnehin auf der Agenda, und in dem wirklich gelungenen Dialogprozess „Mitreden – Mitgestalten“ im letzten Jahr waren etliche Punkte Thema, die sich jetzt auch im Antrag der Linken wiederfinden. So soll die Kinder- und Jugendarbeit niedrigschwellig und inklusiv ausgestaltet werden, sodass noch mehr Heranwachsende davon profitieren können. Auch sollen Kinder, Jugendliche und ihre Familien noch stärker als Experten und Expertinnen in eigener Sache wahrgenommen und einbezogen werden.

In diesem Dialogprozess zur SGB-VIII-Reform haben wir auch besprochen, die präventiven Angebote und die Beratungsmöglichkeiten verpflichtend auszubauen und zu stärken. Diese gemeinsame Verabredung wird – da bin ich mir ganz sicher – auch im neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ihren Niederschlag finden. Ich freue mich auf einen wirklichen Meilenstein, den wir im Herbst und im Winter parlamentarisch beraten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Schließlich: Mehr Geld für die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe finde ich als GEW-Mitglied immer gut. Aber das gilt während Corona und auch danach und muss ordentlich gegenfinanziert werden. Denn zahlen müssen am Ende die kommunalen oder gemeinnützigen Arbeitgeber, und die müssen trotz Einnahmeausfällen wegen der Coronakrise dazu in der Lage sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat die Abgeordnete Britta Katharina Dassler für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453166
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Kinderrechte in und nach der Corona-Krise
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