Jens BrandenburgFDP - Transsexuellengesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Transgeschlechtliche Menschen sind Menschen, denen bei ihrer Geburt aufgrund äußerer Merkmale ein Geschlechtseintrag zugeordnet wurde, der nicht ihrer geschlechtlichen Identität, ihrem tatsächlichen Geschlecht, entspricht, also zum Beispiel ein Mann in einem weiblich erscheinenden Körper. Sie leiden oft ein Leben lang unter dem Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein, mit ihrem wahren Ich nicht anerkannt zu werden. Manche beginnen nach der Transition ein neues Leben, wechseln dafür den Wohnort, den Arbeitsplatz, den Freundeskreis, bloß um nicht mit unfreiwilligen Outings und Stigmatisierungen konfrontiert zu werden. Schon mit dem früheren Namen angesprochen zu werden, kann tausend Nadelstiche auslösen.
Eine transgeschlechtliche Lehrerin in meiner Heimat hat mir berichtet, wie sie sich mit Mitte 50 nach Jahrzehnten des Versteckens vor ihrer Frau,
(Zuruf des Abg. Enrico Komning [AfD] – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie da drüben?)
ihren Kindern und Freunden, in der Schule und in der Kirche geoutet hat – eine beeindruckende Frau. Die Transition hat sie beschrieben als einen großen Befreiungsschlag nach vielen Depressionen und Suizidgedanken hin zu einer ausgeglichenen Fröhlichkeit. An mein eigenes Outing, mein Coming-out als schwuler Jugendlicher, kann ich mich sehr gut erinnern: an die Zweifel, die Unsicherheit und auch das Lampenfieber. Wie viel mehr Mut und Kraft muss es kosten, dem gesamten persönlichen Umfeld zu erklären, dass man eigentlich eine Frau ist und sich für Hormontherapien, Operationen und ein neues Leben entschieden hat? Davor habe ich den allergrößten Respekt.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dennoch gängelt der Staat diese Menschen in einer schwierigen Lebensphase mit unnötigen Hürden. Wer den eigenen Geschlechtseintrag im Geburtenregister korrigieren lassen will, muss nach dem Transsexuellengesetz mehrere unabhängige psychologische Gutachten und ein amtsgerichtliches Verfahren durchlaufen. Das ist demütigend und überflüssig. Eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt sollte völlig ausreichen.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD] – Gegenruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie auf, Menschen verächtlich zu machen! Das ist widerlich!)
Denn für die geschlechtliche Identität eines Menschen gibt es keinen besseren Experten als diesen Menschen selbst.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Trans-Rechte gehen uns alle an. Deshalb legen wir Freie Demokraten Ihnen heute ein Rahmengesetz zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung vor. Wir befreien trans- und intergeschlechtliche Menschen von der Fremdbestimmung über den eigenen Geschlechtseintrag.
(Beatrix von Storch [AfD]: Über die Realität!)
Mit einem klaren Offenbarungsverbot schützen wir sie vor Diskriminierung und unfreiwilliger Bloßstellung. Aufklärungs- und Beratungsangebote wollen wir stärken, medizinisch nicht notwendige genitalverändernde Operationen an intergeschlechtlichen Kindern endlich wirksam verbieten. Niemand sollte sie operieren dürfen, nur damit sie in eine männliche oder weibliche Schublade passen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Die Kosten für selbstbestimmte geschlechtsangleichende Behandlungen hingegen sollten endlich zuverlässig von den Krankenkassen übernommen werden. Vielfach hat die Regierung das angekündigt und versprochen; nichts ist passiert. Liebe Koalition, jetzt müssen Sie Farbe bekennen!
(Beatrix von Storch [AfD]: Wieso eigentlich die Krankenkassen?)
Trans- und intergeschlechtliche Menschen verdienen kein Misstrauen, sondern Anerkennung und Unterstützung.
(Beifall der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP] und Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hier haben Sie einen Entwurf, wie das funktionieren kann. Also schreiben Sie entweder ab, oder stimmen Sie unserem zu.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Fraktion im Haus scheint der Debatte nicht gewachsen zu sein bei so viel Verachtung!)
Vielen Dank, Dr. Brandenburg. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Doris Achelwilm.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7453376 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Transsexuellengesetz |