19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 34

Doris Maria AchelwilmDIE LINKE - Transsexuellengesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Transmenschen haben lange dafür gekämpft, heute etwas sichtbarer und vielleicht auch akzeptierter zu sein als vor 10 oder 20 Jahren. Trotzdem gehören sie immer noch zu den verwundbarsten und am stärksten diskriminierten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Hier ist der Ort, von wo aus dieses Problem wesentlich geändert werden kann, also müssen wir das jetzt tun.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu wissen, dass ich ein anderes Geschlecht habe als das, was mir bei der Geburt zugeschrieben wurde, ist eine Erkenntnis, die mit hohen Risiken verbunden ist. Ob in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit: Es drohen Unverständnis, Verletzungen und Schlimmeres, wenn ich erklären muss, dass mein Geschlecht ein anderes ist als das von außen angenommene. Wer diesen Weg offen geht und für andere leichter macht, verdient Respekt, Schutz und rechtliche Anerkennung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bis vor Kurzem wurde Transsein von der WHO noch als Krankheit definiert. Und auch wenn diese Diagnose wissenschaftlich ein Auslaufmodell ist, lebt sie faktisch fort und macht vielen das Leben schwer. Je nach politischem Klima nimmt der Druck sogar noch zu, zum Beispiel in Ungarn, wo Viktor Orban gesetzlich festzieht, dass es nur das bei Geburt zugewiesene Geschlecht geben soll und damit keine Existenzberechtigung für Transmenschen. Es ist ungeheuerlich!

Dieser Beispiele gibt es mehr. Umso wichtiger ist es, international Position für queere Minderheiten zu beziehen und hierzulande fortschrittliche Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der LINKEN – Beatrix von Storch [AfD]: Aber die Krankenkassen sollen bezahlen, oder was? – Gegenruf der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schweigen Sie lieber!)

– Die Krankenkassen sollen bezahlen, ja.

Die Umsetzung der dritten Option blieb weit hinter den Möglichkeiten zurück. Für Transmenschen ist die dritte Option leider keine echte Option. Sie müssen ihr Wissen um das eigene Geschlecht weiterhin über Gerichte und Gutachten schikanös prüfen lassen, um ihren alten Namen ändern zu können, so wie es das Transsexuellengesetz, kurz: TSG, seit 1981 vorsieht. Eine Riesenenttäuschung!

Was spricht gegen einen einfachen Ummeldevorgang gemäß der Selbstangabe beim Standesamt? Rational nichts; es sind alte Vorbehalte. Als Linke begrüßen wir deshalb sehr, dass es jetzt neue Entwürfe dafür gibt, das TSG durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern außerdem, dass die Menschenrechtsverletzungen historisch aufgearbeitet und die Menschen materiell entschädigt werden. Bis 2009 nämlich mussten sich Eheleute gemäß TSG für ihre Transition von der Partnerin oder dem Partner scheiden lassen. Bis 2011 war eine Änderung des Geschlechtseintrages nur durch Nachweis zum Beispiel der Zeugungsunfähigkeit durch eine Sterilisation möglich. Beide Regelungen – die unsäglich sind – hat das Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt; aber bis dahin war zigtausendfach Unheil geschehen. Dies muss öffentlich ausgewertet und entschädigt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schweden kann hier Vorbild sein. Es hat 2016 allen Menschen eine pauschale Entschädigung zugesprochen, die bis 2013 nach dem schwedischen Transsexuellengesetz zwangssterilisiert worden waren. Auf diese Idee hätte die Bundesregierung auch schon kommen können. Wir hoffen, Sie tut es jetzt und folgt unseren Vorschlägen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453377
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Transsexuellengesetz
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