19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Zusatzpunkt 35

Thomas SeitzAfD - Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte bekennen: Ich bin Lobbyist, ein Lobbyist für Recht und Freiheit und für nichts anderes.

(Lachen bei der LINKEN)

Wenn alle Abgeordneten so dächten, dann hätten wir nicht nur ein besseres Parlament, sondern auch ein besseres Deutschland.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie nicht einer von denen, die uns beim Abstimmungsverhalten fotografiert haben?)

Der Kollege Amthor liefert den Anlass für die heutige Diskussion. Das Problem ist aber strukturell. Und nur ganz kurz zum Kollegen: Er hat äußerst unklug gehandelt, auch wenn wohl kein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorliegt. Man muss dem Kollegen aber zugutehalten, dass er mit seinem auf Universität und Junge Union beschränkten Erfahrungsschatz einfach nicht bodenständig verwurzelt war und es auch nicht sein konnte.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN)

Über die für die Unabhängigkeit eines Abgeordneten notwendige Lebens- und Berufserfahrung konnte er altersmäßig gar nicht verfügen. Ich glaube, das zeigt, wie falsch manche Kollegen hier im Haus unterwegs sind, und zwar nicht, weil bei allen das Talent fehlt, sondern weil sie einfach fünf oder zehn Jahre zu früh hier dran sind.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manche sind auch zu spät hier!)

Ich schätze den Kollegen Amthor aber als intelligent genug ein, um aus seinen Fehlern zu lernen und vor allem sein Zweites Staatsexamen nachzuholen, um sich unabhängig vom Politikbetrieb zu machen. Gerade weil er so jung ist, gebe ich ihm eine echte Chance, die Traditionslinie fragwürdiger Integrität in der Union zu durchbrechen, eine unrühmliche Traditionslinie von Helmut Kohl über Wolfgang Schäuble bis unlängst Stephan Harbarth. Denn wenn wir über Lobbyismus reden, reden wir vor allem über Integrität, über die Integrität des Parlaments, der Regierung und allgemein des politischen Betriebs. Da die Hoffnung auf Integrität nicht ausreicht, brauchen wir Regeln für den Lobbyismus, um jedenfalls die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Und was an zulässigem Lobbyismus übrig bleibt, das muss dann möglichst transparent sein, damit der Bürger weiß, welchen Konzern oder welche Ideologie er zwangsläufig mit einer Partei oder einem Kandidaten mitwählt.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: Bei euch wissen wir das!)

Was das Thema „Integrität und Transparenz“ angeht, ist dieses Parlament ein Parlament der Schande.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist aber ein Ordnungsruf! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade wir als Alternative für Deutschland sind deshalb gegen den Berufspolitiker „Typ Altpartei“.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind eine Schande für dieses Parlament! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind eine Schande!)

Unsere Satzung gibt das Bild eines Abgeordneten vor, der über eine mehrjährige Erwerbsbiografie verfügt, die es ermöglicht, dass er nach längstens drei oder vier Legislaturperioden in seinen alten Beruf zurückkehrt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind eine Schande!)

Und wenn er seinen Beruf auch während des Mandats ausübt, dann nur in einem Umfang, der für die spätere Rückkehr notwendig ist. Er übernimmt aber keine neuen Tätigkeiten, schon gar nicht als Lobbyist, und am Ende des Mandats gilt freiwillig eine Karenzzeit von drei Jahren. – Das ist es, wofür die Alternative für Deutschland steht.

(Beifall bei der AfD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen für Rechtsextremismus! Sie gefährden das Leben anderer Menschen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Realität der Altparteien gab es dagegen jahrzehntelang überhaupt keine Regelungen, die wenigstens verhinderten, dass Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre ihr amtlich erworbenes Wissen, vor allem aber ihre amtlich geknüpften Kontakte mehr oder weniger nahtlos nach dem Ausscheiden aus dem Amt gewinnbringend an den Meistbietenden verhökerten. Seit 2015 gibt es für Minister und Staatssekretäre nun zumindest halbherzige Regelungen mit einer allerdings viel zu kurzen Karenzzeit und vor allem ohne spürbare Sanktionen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah! Parteispenden Ihrer Fraktionsvorsitzenden!)

– Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, Frau Kollegin; auch Ex-Minister dürfen das tun.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich ja nicht! Und es wäre mir peinlich, eine Zwischenfrage zu stellen!)

Der Kollege Oliver Wittke, CDU, bis letzten November noch Staatssekretär, wartet auf die Berufung als Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft. Ex-Minister Gabriel, SPD, wartet auf die Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Ex-Ministerin Frau Zypries, SPD, sitzt im Aufsichtsrat bei Bombardier. Und Frau Andreae von den Grünen ist jetzt Lobbyistin beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Das in seiner Dimension wohl dramatischste Beispiel: der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Ein exzellenter Jurist, keine Frage, aber wer als Vorstand selbst einer Wirtschaftskanzlei sogenannte Nebeneinkünfte in einer Höhe bezogen hat, dass er dafür selbst bei einem Stundensatz von 500 Euro neben dem Mandat noch weitere rund 2 500 Stunden im Jahr hätte arbeiten müssen, der provoziert eben die Vermutung, dass hier Geld ohne Gegenleistung geflossen ist. Ein mutmaßlicher Lobbyist für Volkswagen war tätig in Ausschüssen und hat im Dieselskandal an Entscheidungen mitgewirkt – mit großer Bedeutung für Volkswagen. So etwas darf es nicht mehr geben. Eine Möglichkeit wäre, dass Einkünfte aus Nebentätigkeiten, nicht aus Vermögensverwaltungen, die die Abgeordnetenentschädigung übersteigen, künftig an die Staatskasse abzuführen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Diese Beispiele machen es für mich unumgänglich: Es muss nicht nur das Bundesministergesetz und das Abgeordnetengesetz angepasst werden – Herr Schnieder, Änderungen bei den Verhaltensregeln reichen eben nicht aus –, sondern es bedarf auch der Einführung eines Lobbyregisters. Wir werden dazu demnächst einen eigenen Entwurf vorlegen.

Aber es geht eben nicht nur um die Verflechtungen und die Einflussnahme seitens der Wirtschaft, sondern auch um Einflüsterungen seitens Ideologen und NGOs. Gerade Letztere müssen hier erfasst werden, da sie oft das Vehikel zur Umsetzung von Interessen von milliardenschweren Hintermännern sind, deren direkte Einflussnahme bei Bekanntwerden öffentliche Empörung auslösen würde.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Unterirdisch!)

Herr Abgeordneter Seitz, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist ja unerträglich!)

Ein Register, das für echte Lobbytransparenz sorgt, muss deshalb abbilden, mit wem ein Abkassierverein wie die bereits erwähnte DUH zusammenarbeitet, und genauso –

Herr Seitz, setzen Sie bitte den Punkt.

– die Verflechtungen von Frau Scheer von der SPD und ihren missionarischen Eifer bei der Verbreitung der Solarideologie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abgeordneter Seitz, Sie haben den Deutschen Bundestag als „Parlament der Schande“ bezeichnet. Damit verletzen Sie die Würde des Hauses. Ich erteile Ihnen dazu einen Ordnungsruf. Vorsorglich stelle ich fest: Ich erteile diesen Ordnungsruf nach § 36 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung. Sowohl der Inhalt des Gerügten als auch der Ordnungsruf dürfen im weiteren Verlauf dieser Debatte nicht zum Gegenstand der Debatte gemacht werden.

Wir fahren fort in der Aktuellen Stunde. Das Wort hat die Kollegin Sonja Amalie Steffen, für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453391
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme
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