19.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 167 / Zusatzpunkt 35

Sonja SteffenSPD - Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was glauben Sie, was die Leute draußen an den Bildschirmen denken, wenn sie diese Debatte verfolgen? Gerade der letzte Redner vor mir hat, glaube ich, dafür gesorgt – und das ist wirklich schlimm genug –, dass die Menschen da draußen denken: Was ist eigentlich los im Parlament?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee! Bei denen ist was los! Nicht bei uns!)

Eines möchte ich zusätzlich vorweg sagen: Ich werde mich, wie es auch der Kollege Schnieder getan hat, heute in meiner Rede nicht an dem Tribunal gegen den Abgeordneten Philipp Amthor beteiligen. Ich glaube, wir sollten wirklich abwarten, was bei den Untersuchungen herauskommt, bevor wir hier in diesem Haus vorab Urteile fällen, die letztendlich uns allen schaden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Andererseits muss ich aber auch sagen: Man kommt sich tatsächlich vor wie beim Murmeltiertag, und das ist nicht lustig gemeint. Ich bin seit 2009 in diesem Parlament, und seit 2009 habe ich selber schon drei Reden zum Thema Lobbyregister gehalten. Das Thema ist übrigens schon viel, viel älter. Es ist unheimlich schade, dass das immer wieder zum Thema wird und dann mit dieser unglaublichen Schärfe behandelt wird, wenn ein Skandal auftritt, wie wir ihn diese Woche erlebt haben. Ich finde es, wie alle anderen hier auch, wirklich schlimm, dass es erst eines Skandales bedurfte, dass wir wieder darüber reden.

Ich möchte Ihnen sagen – da spreche ich wirklich auch im Namen der SPD-Fraktion –: Wir verfolgen dieses Thema mindestens seit 2009. Bislang konnten wir hier leider nicht zu einem Ergebnis kommen. Wenn es so sein sollte, dass dieser Skandal zu einem Lobbyregister führt, dann ist der Anlass zwar traurig und tut uns allen wirklich nicht gut, aber führt letztendlich dann doch – hoffentlich – zu einem guten Ergebnis, zu einem Lobbyregister. Denn es verhält sich ja nun einmal so – das ist vorhin auch schon kurz gesagt worden –: Wir haben so viele gute Unternehmen, gute Interessenverbände, KMUs, Handwerkskammern, Naturschutzverbände, Organisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, Sozialverbände – wir kennen sie alle gut –, die uns gegenüber völlig zu Recht ihre Interessen wahrnehmen.

Gerade jetzt, in der Coronapandemie, sind wir alle noch viel mehr im Austausch, und das ist auch richtig so. Die Menschen kommen mit ihren Anliegen zu uns, wir reden mit ihnen darüber – nicht nur mit den einzelnen Menschen, sondern auch mit den Verbänden –, damit wir ihre Anliegen in der Gesetzgebung berücksichtigen können. Das ist richtig so. Deshalb sind wir es der Gesellschaft schuldig, dass wir endlich eine transparente Lobbyregisterregelung mit einem Verhaltenskodex finden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind das übrigens auch den Interessenverbänden schuldig. Die wollen das auch; das ist tatsächlich so. Die warten auf eine Regelung, weil sie endlich aus dieser Schmuddelecke herauskommen wollen. Wir sind das letztlich auch uns selber schuldig, uns Abgeordneten; denn jeder Skandal – ich sage es noch mal – schadet dem Ansehen dieses Hohen Hauses. Wenn schon Junge-Unioner diese nicht besonders schönen, sondern eher schon verwerflichen Dinge während der Wahrnehmung des Amtes in Anspruch nehmen, dann hätte vielleicht ein Verhaltenskodex gewirkt, um dem von vornherein Einhalt zu gebieten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das schon gesagt: Wir brauchen ein öffentliches Register, wir brauchen eine Eintragungspflicht aller Interessenverbände. Da muss drinstehen: Wer ist für einen Interessenverband unterwegs? Mit welchem Ziel ist derjenige für den Interessenverband unterwegs? Welche Interessen werden verfolgt? Wir brauchen einen Verhaltenskodex. Der muss auch wirklich konkret formuliert sein. Es darf nicht mehr so sein, dass auf Luxusjachten irgendwelche Vereinbarungen geschlossen werden oder dass irgendwelche Überlegungen angestellt werden, wen man wie möglicherweise besuchen und beeinflussen kann. Das darf nicht sein, das schadet unserem Haus. Deshalb brauchen wir ein Lobbyregister. Das nur über Hausausweise zu regeln, ist definitiv nicht ausreichend. Und die Freiwilligkeit des Registers ist auch nicht zielführend.

Wir brauchen darüber hinaus einen Fußabdruck, in jedem Falle. Ob es ein legislativer oder exekutiver Fußabdruck werden soll, das werden wir in den jetzt beginnenden Verhandlungen beraten. Wir werden eine Expertenrunde haben – wir haben das schon gehört –, die wird nach der Sommerpause stattfinden. Es ist – das muss ich jetzt auch mal sagen, weil ich befürchte, dass der Kollege Straetmanns gleich noch darauf eingehen wird –, tatsächlich so, dass wir diese Woche überlegt haben: Ziehen wir die Sachverständigenanhörung vor? Machen wir das noch vor der Sommerpause, oder machen wir das nach der Sommerpause? – Wir haben tatsächlich gesagt: „Wir machen es nach der Sommerpause“, weil wir es eben auch vorbereiten wollen und weil wir uns genügend Zeit damit lassen wollen.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE])

– Das ist nicht witzig. – Es hat einfach vor der Sommerpause von der Zeit her nicht mehr gereicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb: Lassen Sie uns nach der Sommerpause da wirklich gut rangehen!

Ich bin, abschließend, wirklich sehr froh und sehr hoffnungsvoll, dass wir – wir haben das ja auch schon von den Kollegen der Union gehört – ein Lobbyregister noch in dieser Legislaturperiode aufstellen werden.

Kollegin Steffen.

Ich freue mich auf die Verhandlungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU])

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Friedrich Straetmanns das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7453393
Wahlperiode 19
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme
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