Marco Bülowfraktionslos - Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon ziemlich bezeichnend, wie einige Kollegen der Union das schönreden, was wir nun bei Philipp Amthor erlebt haben. Auf der einen Seite werden 16-, 17-, 18-jährige Aktivistinnen/Aktivisten, die für das Klima demonstrieren, dämonisiert und in eine Ecke gestellt und auf der anderen Seite soll ein 27-Jähriger zu jung sein, Verantwortung zu übernehmen; bei dem kann man sagen: Der ist doch jung.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Genau diesen Widerspruch lassen wir nicht durchgehen. Philipp Amthor wusste genau, was er tut.
Aber der eigentliche Skandal, über den wir reden sollten und hier auch reden, ist, dass es kein Einzelfall ist, sondern dass es zum Teil Methode hat. Der eigentliche Skandal ist, dass wir uns auch in diesem Haus häufig auf einer Gratwanderung zwischen Profitlobbyismus und Abhängigkeit der Politik befinden. Lobbyismus, wie ich ihn verstehen würde, ist eben keine reine Interessenvertretung, die jeder gleichzeitig und gleichmäßig gestalten soll. Vielmehr gibt es zum einen große Profitlobbyisten, die im Ministerium ein und aus gehen. Zum anderen gibt es auf Fragen von Kolleginnen und Kollegen und mir teilweise schöne Auflistungen, wie häufig denn zum Beispiel Umweltverbände dabei waren, wenn es um Konzepte zur Energiewende ging. Die Energieunternehmen dagegen mit ihrem riesigen Wasserkopf gehen ständig ein und aus in den Ministerien und auch bei Kolleginnen und Kollegen. Auch das, finde ich, gehört bei dieser Debatte dazu.
Wir haben außerdem ein System, dass man eigentlich alles darf als Abgeordneter. Konzerne haben Compliance-Einrichtungen. Da muss man danach fragen und sich vergewissern, was man darf und was nicht. Und es gibt viele Verwaltungen – außerhalb dieses Hauses –, in denen man so gut wie nichts darf.
Aber ein Abgeordneter darf eigentlich alles, außer er ist sozusagen für eine Stimme bestechlich. Er darf Geld nehmen, in unendlicher Höhe; er muss es nur beim Bundestagspräsidenten anzeigen. Und natürlich verlangt man dafür eine Gegenleistung. Jeder weiß doch, wie das aussieht, und jeder weiß auch, in welcher Höhe bestimmte Sachen laufen und Summen fließen und dass dann natürlich auch eine Gegenreaktion kommt. Das ist der Skandal, über den wir eigentlich reden sollten. Da hilft auch kein Lobbyregister, sehr geehrte Damen und Herren.
Ich will noch mal einen Schwenk zur SPD machen. Ich habe lange in der SPD für das Lobbyregister gekämpft. Aber in den Koalitionsverhandlungen mit der Union war es immer das Erste, was rausgefallen ist. Und wenn es nach Ihrer Meinung wirklich Transparenz geben sollte: Warum hat die SPD, als abgeordnetenwatch.de dagegen geklagt hat, dass es bei den Hausausweisen für die Öffentlichkeit keine Transparenz gibt, der Einführung einer Transparenzregelung nicht zugestimmt, sodass das gerichtlich erzwungen werden musste?
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man wirklich Transparenz will, dann muss man das machen. Aber dann reicht ein Lobbyregister nicht aus. Dann brauchen wir einen Kodex: einen Ethikkodex für Abgeordnete. Der sehr geehrte Kollege Gerhard Schick von den Grünen – leider ist er nicht mehr Mitglied des Hauses – hat mit mir einen solchen Kodex erstellt. Leider sind nur 40 Abgeordnete dabei. Da verpflichten wir uns dazu, dass wir unsere Nebentätigkeiten begrenzen und dass es Transparenz gibt, wie wir mit den Lobbyisten umgehen. Das müsste aber allgemeinverbindlich sein.
Zudem brauchen wir den legislativen Fußabdruck. Wir brauchen aber auch klare Grenzen und Verbote. Am Ende brauchen wir eine neue politische Kultur. Denn wir dürfen nie vergessen, dass unser Chef eben nicht der Fraktionsvorsitzende und nicht die Regierung ist, und erst recht sind es nicht die Konzernvertreter. Unser Chef ist vielmehr die Bevölkerung, und vor allem das sollten wir uns jeden Tag hinter die Ohren schreiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Wort hat der Kollege Michael Frieser für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7453395 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Lobbyismus – Transparenz bei möglicher Einflussnahme |