Christian DürrFDP - Zweites Corona-Steuerhilfegesetz
Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dobrindt, ich will Ihnen zugutehalten, dass Sie heute anders als Herr Glaser zum vorliegenden Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz gesprochen haben.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja!)
Liebe Kollegen der AfD, Sie können über viel reden. Aber offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, erstens zu arbeiten und zweitens über die jetzt notwendige Steuer- und Finanzpolitik für Deutschland zu reden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will Ihnen das sagen, Herr Glaser: Sie sind nicht mal in der Lage gewesen, zu diesem Gesetzentwurf, an dem Sie offensichtlich Kritik üben, konkrete Änderungsvorschläge vorzulegen. Ich nenne das Arbeitsverweigerung, Herr Glaser. Sie tun gar nichts im Deutschen Bundestag! Sie sind eine überflüssige Fraktion, um das in aller Klarheit zu sagen!
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der AfD)
Herr Kollege Dobrindt, Sie haben aus Ihrer Sicht das Herzstück dieses Gesetzentwurfes angesprochen: Das ist die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in Deutschland. In den letzten Wochen ist eines immer klarer geworden: Das ist nicht nur nicht die ausreichende Antwort auf diese Krise, sondern es ist auch nicht die richtige Antwort.
Sie ist erstens verbunden mit einem absurden bürokratischen Aufwand. Der Normenkontrollrat, der uns bei der Frage berät, wie bürokratisch die Gesetze der Großen Koalition sind, musste Sie erst mal auffordern, überhaupt vorzulegen, mit welchem Aufwand dieses Gesetz für den deutschen Mittelstand verbunden ist. Dann war die Antwort aus dem Haus von Olaf Scholz – Zitat –: Da keine Gesamtaussage getroffen werden kann, wird ein Zeitaufwand von durchschnittlich fünf Minuten auf Basis von zwei Befragungen veranschlagt. Insgesamt entsteht ein einmaliger Zeitaufwand von zehn Minuten.
Viele Mittelständler in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, wissen angesichts dieser Worte nicht, ob sie lachen oder weinen sollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht des deutschen Mittelstandes, gerade in einer solchen Krise. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens ist es – das sagen Sie ja teilweise selbst – mehr als fraglich, ob das Geld wirklich bei den Menschen ankommt.
(Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Selbst im optimistischsten Fall – unterstellt, dass das Geld komplett im Portemonnaie der Menschen landet – sind es 30 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt pro Monat, meine Damen und Herren.
Meine Befürchtung ist: Die Profiteure dieses Gesetzes werden diejenigen sein, die in der Krise gerade nicht gelitten haben, beispielsweise die Onlineversandhändler. Es ist nicht fair, den deutschen Mittelstand mit Bürokratie zu belasten, aber Händler wie Amazon zu entlasten. Das ist das falsche Signal, gerade in einer Konjunkturkrise, liebe Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Genau deshalb legen wir Ihnen heute sehr konkrete Änderungsanträge vor und benennen Alternativen:
Erstens: die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages, und zwar rückwirkend zum 1. Januar für alle Einkommen; denn alle, auch Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, zahlen im Jahr 2020 noch den Soli. Das Geld würde ganz konkret im Portemonnaie der Menschen ankommen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens: zum 1. Januar die vollständige Abschaffung des Mittelstandsbauchs. Auch das wirkt gerade für kleine und mittlere Einkommen. Das würde ganz konkret im Portemonnaie der Menschen in Deutschland ankommen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Zu spät!)
Und drittens. Wir haben Ihnen einen Vorschlag für eine negative Gewinnsteuer für die privaten Unternehmen in Deutschland vorgelegt. Ja, Sie steigen mit der steuerlichen Verlustverrechnung ein, aber in einem minimalen Umfang. Die Union hat sich an dieser Stelle gegenüber der SPD in Wahrheit nicht durchgesetzt. Wenn wir das beschließen, was wir vorschlagen, über die steuerliche Verlustverrechnung in Höhe von 25 Milliarden ganz konkret die Unternehmen in Deutschland jetzt zu entlasten, dann wäre nicht nur ihre Liquidität gesichert, sondern Sie könnten endlich wieder Vertrauen in Zukunftsinvestitionen schaffen. Das würde dem deutschen Mittelstand und der Konjunktur in Deutschland helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Was mich wundert, Herr Dobrindt: Genau das, was ich hier gerade vorgelesen habe, hat die CSU selbst gefordert. Ich frage mich: Wie lange noch fordern Sie in Papieren, in Beschlüssen, auf Parteitagen und als Landesgruppe der CSU Entlastung für den Mittelstand, für die mittleren und kleinen Einkommen in Deutschland? Warum bringen Sie das nicht als Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag ein, damit es Recht und Gesetz werden kann und wir den Menschen gerade in der Coronakrise wirklich helfen können?
(Beifall bei der FDP)
Und zum Schluss, Herr Präsident: Schauen wir mal auf die Experten, die Sie selbst benannt haben. Heute findet eine Anhörung im Haushaltsausschuss statt. Ich habe mir die Anhörungsstellungnahmen Ihrer Experten durchgelesen. Sie sagen: Die Mehrwertsteuersenkung ist ineffizient und bürokratisch. Es ist fraglich, ob sie ankommt. – Und wissen Sie, was sie loben? Die loben unseren Vorschlag für die negative Gewinnsteuer.
Liebe Kollegen von der Union, wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann rate ich Ihnen an der Stelle dringend, auf Ihre eigenen, von Ihnen selbst benannten Experten zu hören. Dieser Gesetzentwurf wird nicht den Konjunkturimpuls bringen, den wir uns alle erhoffen und den Deutschland jetzt braucht. Deswegen: Stimmen Sie gleich den drei Änderungsanträgen der Freien Demokraten zu! Das wäre der Konjunkturimpuls für die privaten Haushalte und Unternehmen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP)
Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Sahra Wagenknecht, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 168 |
Agenda Item | Zweites Corona-Steuerhilfegesetz |