29.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 168 / Tagesordnungspunkt 1

Bernhard DaldrupSPD - Zweites Corona-Steuerhilfegesetz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst: Ich komme aus dem Kreis Warendorf. Der letzte Test bei mir ist von gestern, 10 Uhr: negativ. Ich könnte heute also sogar in Bayern einreisen, vielleicht gemeinsam mit Herrn Brinkhaus.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal!)

Aber ich will an dieser Stelle auch eines sagen – Kollegin Arndt-Brauer hat dazu schon einiges gesagt –: Die Art und Weise, wie mit den Betroffenen hier umgegangen wird, ist ein bisschen wohlfeile Kritik. Ich will deutlich sagen: Im Kreis Warendorf und auch sonst hat sich Politik niemals mit den Bedingungen bei Tönnies einfach so abgefunden. Das ist nicht der Fall,

(Beifall bei der SPD)

und es ein bisschen wohlfeil, das jetzt zu behaupten. 2016 ist unter Andrea Nahles sehr deutlich damit begonnen worden, und ich hoffe, dass all diejenigen, die es damals nicht wollten, jetzt aber dabei sind, wenn Hubertus Heil seine Initiativen dazu einbringt.

(Beifall bei der SPD)

Wegen der Fundamentalkritik, die hier zu einem Teil jedenfalls geäußert worden ist, will ich als Sozialdemokrat und Mitglied der Großen Koalition – es ist auch nicht immer so einfach – Ihnen gerne einmal etwas schildern, was man nicht jeden Tag erfährt. Eine ganze Reihe von Bürgerinnen und Bürgern kommt jetzt zu mir und sagt: Es ist gut, dass ihr Sozis in dieser Regierung seid. Es ist gut, dass ihr für soziale Ausgewogenheit bei den unterschiedlichen Geschichten sorgt. – Wenn es darauf ankommt, wissen die Menschen nämlich, dass sie auf uns zählen können, dass sie uns vertrauen können. Das hat ein bisschen mit Glaubwürdigkeit in der Politik zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Von der befristeten Senkung der Umsatzsteuer über den Kinderbonus, die Entlastung von Alleinerziehenden bis zu diversen steuerlichen Maßnahmen, die schon angesprochen worden sind, hat dieses Paket bei diesem Gesetzgebungsverfahren, über das wir konkret reden, ein Volumen von ungefähr 28,5 Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Es ist Teil eines Paketes von 130 Milliarden Euro, das wir in dieser Größenordnung bisher nicht hatten.

Unsere Antwort auf die Krise lautet eben nicht: „Gürtel enger schnallen“, sondern wir erhöhen die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger, wir verschaffen Unternehmen benötigte Liquidität, wir geben Anreize für Investitionen, wir geben der wirtschaftlichen Erholung den notwendigen Schub, und zwar jetzt, weil es jetzt nötig und dringend erforderlich ist. Genau so ist es, und es ist auch wirtschaftspolitisch richtig.

(Beifall bei der SPD)

Die kurzfristige Senkung der Mehrwertsteuer bringt 20 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf und wird ihre Wirkung entfalten, jedenfalls eine ganz andere und sehr viel bessere als die kurzfristige Abschaffung des Solis; das wissen, glaube ich, alle. Die Einkommensgruppen, die von der Abschaffung des Solis profitieren würden, brauchen diese Entlastung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Jeder, der Einkommensteuer zahlt, zahlt das!)

Wir wissen auch: Untere und mittlere Einkommen profitieren prozentual am meisten von der Senkung der Mehrwertsteuer. Einfach nur die Steuersenkung für die Tüte Milch – wie heute Morgen im Fernsehen geschehen – aufzuzählen, ist das, was man eine Milchmädchenrechnung nennt; die passt nämlich nicht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich nehme jedenfalls zur Kenntnis, dass Die Linke offensichtlich nicht einverstanden ist mit einer Mehrwertsteuersenkung, und das ist schon ein – jedenfalls für mich – bemerkenswerter Vorgang.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn Sie es auf Dauer machen! – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Dauerhaft! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Erwischt, Leute! Ich merk’s! Erwischt! Genau so ist es.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir reagieren mit vielen Maßnahmen für Familien in der Coronakrise, angefangen vom Elterngeld über den Kinderzuschlag bis zur Entschädigung für Verdienstausfall, um nur einige zu nennen. Der Kinderbonus ist ein zusätzliches Element, nicht das einzige. Der Kinderbonus dürfte für rund 18,3 Millionen Kinder ausgezahlt werden. Aber: Von den 11,2 Millionen Steuerpflichtigen mit Kindern werden nur rund 2 Millionen diesen Kinderbonus nicht in Anspruch nehmen können, weil sie den Kinderfreibetrag weiterhin in Anspruch nehmen werden. Der Kinderbonus ist mithin eine Hilfe für Familien mit Kindern, die diese Hilfe auch tatsächlich brauchen; und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Aber Ihre Kollegin hat das Gegenteil gesagt!)

Darüber hinaus fördern wir berufstätige Alleinerziehende. Eine alleinerziehende Kassiererin mit 1 750 Euro brutto und einem Kind erhält dadurch 463 Euro mehr im Jahr, und der Kinderbonus kommt obendrauf. Das sind konkrete Hilfen.

Herr Kollege Daldrup, der Kollege De Masi würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ich mache es auch durchgehend zu Ende. Danke, keine Zwischenfragen.

Keine Zwischenfrage.

(Christian Dürr [FDP]: Ich hätte die gerne gehört!)

Ich will zum Schluss, weil das ein paarmal gesagt worden ist, noch auf die Kommunen eingehen: Die beste Maßnahme zur Konjunkturbelebung besteht in der Stärkung der Kommunen. Deswegen werden wir die Mindereinnahmen der Kommunen – sowohl beim Kinderzuschlag als auch bei der Mehrwertsteuer – nicht den Kommunen anlasten. Die 911 Millionen Euro werden in diesem Jahr vollständig vom Bund übernommen. Das ist, glaube ich, eine vernünftige Lösung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Neben der Tatsache, dass wir Ausfälle bei der Gewerbesteuer in Höhe von rund 12 Milliarden Euro je zur Hälfte durch Bund und Länder erstatten wollen, wollen wir gleichzeitig auch das Grundgesetz ändern, um sowohl dieses Geld zielgerichtet bei den Kommunen ankommen zu lassen als auch die Hilfen bei den Entlastungen von den Sozialausgaben wirksam werden zu lassen.

Das ist eine Debatte, die wir nicht heute führen können, sondern die wir am kommenden Donnerstag führen werden. Ich hoffe, dass all diejenigen, die immer sagen: „Es muss konkret bei den Menschen ankommen“, bei den erforderlichen Grundgesetzänderungen auch dabei sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir für dieses Gesetz relativ wenig Beratungszeit hatten, bin ich bei der Zulassung von Zwischenbemerkungen, auch wenn es ein Montagvormittag ist, großzügig und erteile das Wort zu einer Zwischenbemerkung dem Kollegen Fabio De Masi, Die Linke.

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7454740
Wahlperiode 19
Sitzung 168
Tagesordnungspunkt Zweites Corona-Steuerhilfegesetz
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