Gregor GysiDIE LINKE - Nahostpolitik
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert, dass CSU, CDU, SPD und zunächst auch FDP und Grüne gerade mich aus ihrem ursprünglichen Antrag herausgehalten haben; darüber lohnt es sich, nachzudenken.
Der Beschluss der UNO-Generalversammlung vom 29. November 1947, das heißt die Resolution 181, hat folgenden Wortlaut:
Zwei Monate nach Abschluss des Abzugs der Streitkräfte der Mandatsmacht, in jedem Fall spätestens am 1. Oktober 1948, entstehen in Palästina ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das in Teil III dieses Plans vorgesehene internationale Sonderregime für die Stadt Jerusalem.
Das Gleiche bezog sich noch auf Bethlehem. Nur hinsichtlich Israels ist dieser Beschluss erfüllt, nicht für Palästina, nicht für Jerusalem, nicht für Bethlehem.
Selbstverständlich müssen wir in Deutschland besonders sensibel sein in Bezug auf die Sicherheit und das Existenzrecht Israels.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Das hat mit unserer Geschichte zu tun: Die Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden durch deutsche Nazis bleibt das größte Menschheitsverbrechen. Es gibt immer noch Menschen, Organisationen, Regierungen und andere, die Israel vernichten wollen. Dagegen werden wir uns immer mit aller Entschiedenheit wenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Antisemitismus und Rassismus müssen wir ebenfalls entschieden bekämpfen. Doch das Existenzrecht Israels ist in seiner völkerrechtlichen Geburtsurkunde an das Existenzrecht Palästinas gebunden; von der ersten UN-Resolution bis zur Sicherheitsratsresolution 2334 vom Dezember 2016 wird das immer wieder betont und festgehalten. Und nun haben die Koalitionsparteien Israels eine Annexion großer Teile von Palästina vereinbart. Es gibt immer stärkere Bewegungen dagegen. Es ist auch für viele Jüdinnen und Juden mehr als beschämend, wenn gerade Israel mit Völkerrechtsbruch, mit Besatzung, mit Demütigung der Palästinenserinnen und Palästinenser in Verbindung gebracht werden muss. Der Ruf von Israel wird bei Realisierung der Annexionspläne weltweit noch deutlich negativer. Das trifft ebenfalls weltweit alle Jüdinnen und Juden. Weder sie noch Israel werden dadurch sicherer – im Gegenteil.
(Beifall bei der LINKEN)
Alles, was wir in unserem Antrag an Friedensinitiativen vorschlagen, ist hoffentlich unstreitig. Auch bei einer Annexion wird Ihnen, der Regierung, der Stopp der Militärkooperation mit Israel und der Waffenexporte in den gesamten Nahen Osten schwerfallen; aber er ist spätestens dann notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Fraktion war schon immer dafür und für die Anerkennung des Staates Palästina, die Vereinbarung von Botschaften zwischen Palästina und Deutschland und die Vollmitgliedschaft Palästinas in der UNO.
Die Regierung wollte dies bisher vor allem deshalb nicht, weil sie meinte, dass dies gegen die Osloer Vereinbarungen verstieße. Wenn aber Israel die in der Regierungskoalition Netanjahu/Gantz vereinbarte Annexion durchführt, verletzt sie die Osloer Vereinbarungen so gravierend, dass sie nicht mehr bindend sind. Wenn Sie etwas gegen die geplante Annexion tun wollen, müssen Sie sagen, dass Sie spätestens dann die Anerkennung Palästinas aufwerten durch die Schritte, die ich gerade genannt habe.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn Sie dagegen Israel erklären, dass sich nichts an Deutschlands Verhältnis zu Palästina ändern wird, dann legitimieren Sie indirekt die Annexion. Das ist verheerend für den Friedensprozess im Nahen Osten, für unser Verhältnis nicht nur zu Palästina, sondern auch zu Israel und zum Völkerrecht.
Die USA unter Trump haben auch im Nahen Osten das Völkerrecht als Ausgangspunkt für Konfliktlösungen ignoriert. Es ist an Europa und Deutschland, sich für eine Lösung im Nahen Osten einzusetzen, die den Beschlüssen der Vereinten Nationen endlich Geltung verschafft, für alle dort lebenden Menschen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die durch Israel geplante Annexion muss im Interesse Palästinas, des Nahen Ostens, des Völkerrechts und Israels selbst verhindert werden. Wenn sie aber geschieht, soll es keine Sanktionen, aber unbedingt die von uns vorgeschlagenen Konsequenzen geben, was schon jetzt deutlich erklärt werden muss, wenn man denn die Annexion wirklich verhindern will.
(Beifall bei der LINKEN)
Der nächste Redner ist für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Omid Nouripour.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455181 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Nahostpolitik |