01.07.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 169 / Zusatzpunkt 4

Niema MovassatDIE LINKE - Verbraucherschutz im Inkassorecht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, den Lerneffekt noch zu steigern.

Stellen Sie sich vor, eines Tages trudelt ein Brief eines Inkassounternehmens bei Ihnen ein. In diesem steht, dass Sie eine Rechnung von über 30 Euro nicht bezahlt haben. Sie sollen diese plus Inkassogebühren von 45 Euro bezahlen. Dann kommt noch ein Anruf vom Inkassounternehmen. Die Mitarbeiterin sagt: Zahlen Sie, sonst klagen wir; dann wird es noch teurer für Sie.

Viele Verbraucher wissen in so einer Situation nicht, was sie tun sollen. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt, und deshalb zahlen viele dann die insgesamt 75 Euro, selbst wenn sie denken: Ich weiß gar nicht, welche Rechnung das sein soll. – Menschen unter Druck zu setzen, ist eine Methode von vielen Inkassounternehmen, und dagegen muss was getan werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Inkassounternehmen treten auf den Plan, wenn jemand eine Rechnung nicht bezahlt hat. Sie werden vom Verkäufer oder Dienstleister beauftragt, die Rechnungssumme einzutreiben. Für die Inkassobranche ist das hochprofitabel. 1,8 Milliarden Euro an Inkassogebühren nimmt sie jedes Jahr ein. Den Inkassounternehmen ist fast jedes Mittel recht.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Na ja!)

Sie schicken oft Woche für Woche neue Mahnungen mit immer höheren Mahngebühren, die dem Schuldner aufgedrückt werden, und bei den Telefonanrufen pressen die Inkassounternehmen den Kunden Schuldanerkenntnisse ab. Der Kunde soll anerkennen, dass er das Geld bezahlen muss, unabhängig davon, ob die Forderung wirklich besteht. Dabei sind mündliche Schuldanerkenntnisse nicht wirksam. Die Inkassounternehmen wissen das, berufen sich in Briefen an den Schuldner aber trotzdem darauf. Da wird bewusst Recht gebrochen, und dagegen muss was getan werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Inkassowirtschaft geht es nicht darum, offene Rechnungen einzutreiben. Der Inkassowirtschaft geht es darum, durch das Spielen mit der Angst um offene Rechnungen möglichst viel Geld durch Gebühren zu verdienen.

Der Gesetzentwurf der Koalition stellt eine Verbesserung dar. Die Inkassokosten werden teils verringert, Inkassodienstleister müssen mehr informieren, und dennoch schützt die Koalition die Verbraucher nicht ausreichend. Wir haben als Linke mit einem Antrag weitergehende Vorschläge vorgelegt, um dem Inkassounwesen zu begegnen:

Erstens. Unternehmen müssen sich erst selbst bemühen, Schuldner zur Begleichung offener Forderungen zu bewegen, bevor sie Inkassounternehmen beauftragen.

Zweitens. Wer Schulden eintreibt, muss mindestens prüfen, ob die Forderung überhaupt schlüssig ist, damit nicht irgendwelche Forderungen ins Blaue hinein eingetrieben werden.

Drittens. Wir brauchen Obergrenzen für Inkassokosten: maximal 5 Euro bei Forderungen bis 50 Euro und 100 Euro als absolute Obergrenze in anderen Fällen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viertens. Wir brauchen ein Verbot von Telefonanrufen zum Zweck, Verbraucher unter Druck zu setzen.

Zu guter Letzt brauchen wir angesichts der sich abzeichnenden Verschlechterung der Situation im Zuge der Coronapandemie ein Recht auf Schuldnerberatung für alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Kurzum: Der Gesetzentwurf der Koalition geht in die richtige Richtung, der Antrag der Linken ist aber deutlich besser.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Niema Movassat. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Stefan Schmidt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7455226
Wahlperiode 19
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt Verbraucherschutz im Inkassorecht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine