Karl-Heinz BrunnerSPD - Verbraucherschutz im Inkassorecht
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! 5,8 Milliarden Euro per anno werden von Inkassounternehmen und Rechtsanwälten durch die Eintreibung offener Forderungen in diesem Land jährlich realisiert. 19 000 hochqualifizierte, gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Inkassounternehmen dieses Landes in durchschnittlich etwa 650 registrierten Rechtsdienstleistungsunternehmen sind mit 42,9 Millionen Forderungen pro Jahr beschäftigt. Im Berichtszeitraum 2018 – das ist der letzte Berichtszeitraum – fielen 733 Beschwerden an. Man könnte also sagen: 733 Beschwerden bei 42,9 Millionen Forderungen ist eigentlich so, als wenn wir im Straßenverkehr sagen würden: Es fallen fast keine Bußgelder an.
Nichtsdestotrotz gibt es schwarze Schafe, und die schwarzen Schafe haben die Branche und damit auch die Aufsicht als solche in Verruf gebracht. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wird ein richtiger Weg gegangen. Einige wichtige Punkte werden angesprochen: Es wird klargestellt, dass bei niedrigen Forderungen und auch bei Forderungen schlechthin die Inkassogebühren grundsätzlich niedriger sein müssen als die Forderungen, um das bestehende Recht glaubhaft durchzusetzen. Daneben werden niedrigere Wertstufen festgelegt. Mit niedrigeren Wertstufen soll dafür gesorgt werden, dass das Verhältnis der Inkassogebühren zu den entsprechenden Forderungen stimmt.
Herr Brunner, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Movassat?
Bitte, gerne, ja.
Danke, Herr Kollege Brunner, dass Sie das erlauben. – Es geht auch ganz schnell, aber ich will zumindest, dass das auch im Protokoll richtiggestellt ist.
Sie haben gesagt, es habe nur 733 Beschwerden gegeben. Das ist zwar eine relativ geringe Zahl an Beschwerden, aber Sie werden mir ja zustimmen, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte gar nicht kennen und schon gar nicht wissen, dass sie sich überhaupt beschweren können, sodass diese Zahl von 733 Beschwerden gar nichts darüber aussagt, wie viele Fälle an problematischen Forderungseinzügen es gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Verehrter Kollege Movassat, ich bedanke mich für die Zwischenfrage, weil sie mir eine zusätzliche Erklärungsmöglichkeit gibt.
(Heiterkeit des Abg. Sebastian Steineke [CDU/CSU])
Die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land wissen sehr wohl, wo sie sich beschweren können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie wissen ganz genau, welche Rechte sie haben, und sie nehmen diese Rechte auch wahr.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch! Das wissen Sie doch auch!)
Deshalb ist 733 zu 42,9 Millionen ein Verhältnis, bei dem man eigentlich keinen Regelungsbedarf hat. Trotzdem haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt zu stellen,
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Guter Mann, der Herr Brunner!)
und Verbraucherschutz heißt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher dieses Landes nicht über Gebühr belastet werden sollten.
Wir haben weiterhin gesagt: Das Recht muss nicht nur als Recht existieren, sondern auch durchgesetzt werden. Ich kann mir kein Land vorstellen – das sage ich ganz deutlich –, in dem man, wie es etwa Kollege Maier und Kollege Movassat sagen, die Rechnung zum Beispiel bis zu einem Betrag von 100 Euro nicht zahlen muss: Man geht in den Laden rein, man kauft das T-Shirt, man kriegt eine Rechnung gestellt, und dann muss man halt nicht zahlen, weil es nicht durchgesetzt wird.
Ein zweiter Weg wäre, dass wir wegen jeder Forderung in diesem Land ein gerichtliches Mahnverfahren und ein Gerichtsverfahren haben. Das wollen wir auch nicht; denn es dient nicht dem wirtschaftlichen Wohlergehen dieses Landes.
Deshalb haben wir mit den vier Punkten – mit den niedrigeren Gebührensätzen zwischen 0,5 und 1,0, wie es das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorschlägt, mit der neuen niedrigen Wertstufe, mit der hohen Transparenz und den Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher und mit der Erneuerung und der Verbesserung der Aufsicht, fast so, wie es beim alten Rechtsberatungsgesetz einmal war – den richtigen und guten Weg beschritten: auf der einen Seite Verbraucherschutz, auf der anderen Seite Schutz und Erhalt der Rechtssicherheit in diesem Land.
Ich hoffe, dass wir im Rahmen der Beratungen, insbesondere durch die öffentliche Anhörung, darin bestätigt werden, dass der Gesetzentwurf ein maßvoller Weg ist, um gutes Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen, Rechtssicherheit im Lande zu erhalten und einen Grundsatz hochzuhalten: Wer in diesem Land eine Rechnung bekommt, die gerechtfertigt ist, muss sie auch bezahlen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dr. Karl-Heinz Brunner. – Gleich kommt die letzte Rede des heutigen Tages. Letzter Redner in der sehr lehrreichen Debatte: Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Jetzt wird der Deckel draufgemacht!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455228 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Verbraucherschutz im Inkassorecht |