Otto FrickeFDP - Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket
Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anders als beim ersten Nachtrag geht es bei diesem zweiten Nachtrag nicht mehr darum, den Brand zu löschen, der aufgrund von Corona entstanden ist, sondern dafür zu sorgen, dass das Haus Deutschland saniert und wieder richtig aufgebaut wird. Ich will für meine Fraktion ausdrücklich sagen: Ja, in diesem zweiten Nachtrag, im Haushaltsbegleitgesetz sind Elemente, die sind richtig, die sind nötig; aber sie sind nicht mutig.
Immer da, wo man eigentlich etwas hätte tun können, um zielgerichtet Deutschland nach vorne zu bringen, bleibt es bei kleinen Maßnahmen. Und da, wo man Mittel pauschal verteilt – siehe Mehrwertsteuer, die Herr Jung übrigens schon gar nicht mehr angesprochen hat, bei der man schon merkt, dass auch die CDU sich inzwischen für diese Idee des Finanzministers schämt –, achtet man nicht auf die Wirkung.
Meine Damen und Herren, dieser zweite Nachtrag ist ein Nachtrag nach dem alten Motto: Wir geben einfach mal mehr aus. Wir müssen das nicht zielgerichtet machen. Wir verkaufen das schön laut. Aber eigentlich geht es bei der Zukunft darum, für das, was wir immer schon haben wollten, Geld auszugeben. – Das ist kein Nachtragshaushalt, sondern das ist das übliche Weiter-so dieser Großen Koalition, und das Wurschteln wird so auch bis zum Ende der Legislatur weitergehen.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, das Spannende ist dann aber nicht nur, was Sie an dieser Stelle machen, sondern ist die Frage, wie Sie es finanzieren. Wir müssen nachher hier – die Väter und Mütter des Grundgesetzes bzw. diejenigen, die danach dafür verantwortlich waren, haben das festgelegt – mit Kanzlermehrheit feststellen, dass wir erneut eine Notsituation haben – nicht nur die, die wir beim ersten Nachtrag festgestellt haben, sondern erneut eine Notsituation –, die es notwendig macht, über das, was uns die Schuldenbremse in Verbindung mit der ersten Notsituation erlaubt, hinauszugehen. Da kann ich nur sagen: Das ist eine Notsituation ohne Not
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Richtig! – Zurufe von der SPD: Oh!)
bzw. eine bewusst selbstgemachte Notsituation dieser Großen Koalition.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, das kann ich auch noch einmal klar verdeutlichen: Wir als FDP-Fraktion haben klar gesagt: Die Zielgerichtetheit – etwa bei der Frage der steuerlichen Regelung für Unternehmen beim Abschreiben, bei der Frage des Mittelstandsbauches, bei der Frage der Gewinn-Verlust-Verrechnungen usw. – wäre möglich gewesen. Diese Maßnahmen wären auch möglich gewesen ohne Notsituation, indem man Rücklagen auflöst. Rücklagen sind für Zeiten der Not, und dann löst man sie auf, und nicht wie Sie, Herr Minister: Man vergrößert sie noch,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!)
um sich für den Wahlkampf und die eigene Kanzlerkandidatur eine Reserve zu verschaffen. – Das kann unsere Unterstützung in keiner Weise finden.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, dann sagt man auch noch: Wir helfen mit der großen Bazooka. – Für mich ist das immer nur wie klebriges Kaugummi, wenn ich das Wort „Bazooka“ höre. Sie machen das im Endeffekt so, dass Sie an allen alten Maßnahmen festhalten. Der Kollege Heil sitzt hier auch, und der lächelt heute schon den ganzen Tag. Warum lächelt er? Weil er sagt: Ich bekomme die Grundrente endlich durch. – Das ist aber nicht etwas, was Sie durchbekommen wollen, um heute in der Krise, in einer Notsituation zu helfen, sondern weil Sie es immer schon wollten. Das ist, wie diese Regierung vorgeht: Hauptsache, man bekommt das, was man immer schon wollte.
Das sage ich Ihnen von der SPD: Man kann der Meinung sein, dass die Grundrente die richtige Lösung ist – unser Vorschlag der Basisrente ist sicherlich besser –; aber wenn man dieser Meinung ist
(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])
– Frau Esken, schön übrigens, dass Sie mal hier im Parlament sind –, dann muss man sich doch überlegen, wann man sie einführt. Dann kann man nicht sagen: Wir haben eine Notsituation, und jetzt baue ich den Sozialstaat an dieser Stelle noch weiter aus
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wo ist denn dein Fraktionschef?)
und kümmere mich nicht um die Frage, wie ich Arbeitsplätze erhalte. – Das wäre als Sozialdemokratie eigentlich Ihre Kernaufgabe gewesen.
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Wo ist eigentlich Herr Lindner?)
Meine Damen und Herren, dann will ich noch etwas sagen – das ärgert mich am meisten; da bin ich mit dem Kollegen Rehberg, glaube ich, ziemlich einig –: Schauen Sie doch noch einmal auf die Bundesratsbank. An diejenigen, die uns jetzt zuschauen und zuhören: Das ist die Bank mit den eigentlichen Gewinnern dieses Haushaltes. Der Bundesrat wird aufgrund dieses Gesetzes erneut Unterstützung, Subventionen und Geld für Aufgaben bekommen,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja!)
die eigentlich aus seinen Mitteln finanziert werden müssten, und das bei einem Bundesrat, der inzwischen mehr Steuern einnimmt als der Bundestag.
Wenn Sie sich einmal vorstellen, dass wir inzwischen in einer Situation sind, in der eine Ebene nur noch das Geld einsackt, aber sagt: „Ihr seid dafür verantwortlich, dass es gemacht und bezahlt wird“,
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Albern!)
dann erkennen Sie, dass das auf Dauer dazu führen wird, dass der Bund nicht mehr seine Kernaufgaben wahrnehmen kann. Wenn das irgendwann passiert, meine Damen und Herren, dann will es wieder keiner gewesen sein. Aber da kann ich Ihnen ganz genau sagen: Dazu ist dieser zweite Nachtragshaushalt ein weiteres Puzzlestück.
Zu den jetzt anstehenden Grundgesetzänderungen – das sage ich auch in Richtung CDU/CSU –: Ich war sehr froh über die Äußerung zu der Frage, wie wir das mit den Gewerbesteuerausfällen machen. Ja, bei den Kosten der Unterkunft sind wir als FDP sicherlich bereit, für die notwendige Zweidrittelmehrheit zu sorgen. Aber wir haben noch enorme Bedenken an dieser Stelle. Ich bin sehr gespannt, was da noch an Vorschlägen kommen wird, um das wenigstens besser zu machen, ohne dass diese Geisterbank vom Bundesrat am Ende der Gewinner ist, der nichts tut, aber viel Geld bekommt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Fricke, darf ich, während das Rednerpult für den nächsten Redner gerichtet wird, nur der Korrektheit halber darauf hinweisen: Auch der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan des Bundes; Sie haben vermutlich die Länder gemeint. Wir sind auch ein Verfassungsorgan des Bundes.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt aber hat das Wort die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455445 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket |