Bernhard DaldrupSPD - Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Präsident, sehr herzlich für die Erinnerung an Paul Löbe bedanken. Ich bin als Sozialdemokrat sehr stolz auf diesen ehemaligen Präsidenten des Reichstages und empfehle jedem, den Text neben seiner Büste am Paul-Löbe-Haus zu lesen. Dann weiß man, was ein wirklicher Patriot ist.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Zweitens komme ich auf Herrn Fricke; leider ist er nicht da.
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
– Doch, er ist da. – Ich möchte Ihnen empfehlen, Herr Fricke, die Frage der Anwesenheit hier im Parlament nicht mit Frau Esken, sondern vielleicht einmal mit Herrn Lindner zu diskutieren.
(Beifall bei der SPD – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist der Fraktionsvorsitzende! – Gegenruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wo ist Ihr Fraktionsvorsitzender?)
Drittens. Ich bin kein Kind von Traurigkeit, wenn es um so manche Formulierung geht.
(Zuruf von der FDP)
– Das bin ich nicht. – Aber, Herr Dürr, wenn Sie glauben, Sie dürften sich erheben und den Bundesfinanzminister hier öffentlich als Verfassungsbrecher bezeichnen, dann sage ich dazu: Das ist nichts als eine anmaßende Unverschämtheit. Die lassen wir uns nicht bieten!
(Beifall bei der SPD)
Eine anmaßende Unverschämtheit! Flegelhaft! Sie sollten sich schämen!
(Christian Dürr [FDP]: Aber warum machen Sie das?)
Wenn wir uns einmal die Maßnahmen ansehen, mit denen wir den Menschen in dieser Situation helfen, dann sind es erst einmal die Hilfen für Familien, für Menschen, die diese unmittelbar brauchen in unterschiedlichen Lebenslagen. Meine Kollegin Sonja Steffen hat beispielsweise auf die Vereine hingewiesen. Zweitens sind es Maßnahmen, die sich an die vielen wirtschaftlichen Akteure richten, an Unternehmen, an Branchen wie den Tourismus beispielsweise usw. Drittens betreffen sie die Ebene im Staat, ohne die hier in Deutschland nicht ganz so viel läuft, nämlich die Kommunen. Für uns ist klar: Wir stehen an der Seite der Kommunen. Ich bin dem Bundesfinanzminister dankbar, dass er das ganz zu Anfang betont hat.
(Beifall bei der SPD)
Ich will deshalb über die Folgen für diese Orte der Wahrheit und Wirklichkeit, wie sie ein kommunalpolitischer Sprecher, Hermann Schmitt-Vockenhausen – vielleicht kennt den Namen noch der eine oder andere –, einmal bezeichnet hat, sprechen, über Heimat, wenn Sie so wollen. Wir haben bereits mit der Senkung der Mehrwertsteuer und mit dem Kinderbonus den Kommunen Belastungen in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro genommen, die diese sonst zu tragen hätten. Diese Kosten trägt der Bund alleine.
Heute geben wir eine Antwort auf die Frage, wie wir die Kommunen in dieser konjunkturellen Situation stärken können. Damit die Wirkung möglichst schnell eintritt, geht es nicht nur um die Stärkung der Investitionskraft, sondern auch darum, dass wir den Kommunen Ausfälle bei einer der wichtigsten Einnahmequellen ersetzen, und das ist die Gewerbesteuer. Rund 12 Milliarden Euro sind für die Kommunen eine gewaltige Summe. Bund und Länder werden diese Kosten, wenn wir es denn beschließen, je zur Hälfte ausgleichen.
Die Frage des Ob ist hier, glaube ich, nicht strittig. Aber es stellt sich die Frage – das ist eben schon verschiedentlich erklärt worden –, ob dazu eine Grundgesetzänderung nötig ist oder ob es nicht vielleicht andere Wege gegeben hätte, etwa über Festbeträge bei der Umsatzsteuerverteilung, über einen Staatsvertrag oder über sonst etwas. Ich glaube, andere Wege haben nicht offengestanden, wenn man will, was hier alle Rednerinnen und Redner immer wieder sagen, nämlich dass das Geld nicht an den „klebrigen Fingern“ der Länder hängen bleibt. Deswegen schaffen wir eine einmalige Ausnahmeregelung, die es dem Bund ermöglicht, einen pauschalen Ausgleich der pandemiebedingten Gewerbesteuerausfälle der Gemeinden zu gleichen Teilen jeweils mit den Ländern zu leisten. Und in dieser Form ist das, glaube ich, Herr Kollege Rehberg, auch durchsetzbar.
(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Nein!)
Allerdings ist viel wichtiger, dass wir das Grundgesetz an einer anderen Stelle ändern – und das ist dann eben keine temporäre Angelegenheit. In der Tat wollten wir diese Änderung immer schon. Es ist nicht weiter problematisch, wenn man das durchsetzt, was man immer schon wollte, nämlich gleichwertige Lebensbedingungen auch dadurch zu erreichen, dass wir die Kommunen entlasten. Dafür haben wir drei Wege.
Erstens: Stärkung der Investitionen und Wachstum. Das wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt passieren.
Zweitens: Entlastung von den Sozialausgaben. Das machen wir jetzt in der Tat dauerhaft, und das ist richtig.
Drittens – es ist angesprochen worden –: Eine Lösung für die Altschulden zu finden, das bleibt ein Auftrag des Koalitionsvertrages. Das Thema ist nicht erledigt, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen oder anderswo glauben, dass Herr Laschet das alleine lösen könnte. Davon bin ich, ehrlich gesagt, nicht so ganz überzeugt. Und das ist auch, glaube ich, nicht hinreichend solidarisch.
Mit der Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose von knapp 50 auf bis zu 75 Prozent werden die Kommunen in einer Größenordnung von rund 4 Milliarden Euro entlastet – und das dauerhaft. Das sind richtig große Beträge. Da geht es in Essen um jährlich 60 Millionen Euro, in Wuppertal um 30 Millionen Euro. Die sozial belasteten Kommunen profitieren unmittelbar und haben sehr viel davon. Wir wollen aber nicht, dass es zu einer Bundesauftragsverwaltung kommt. Ich hätte gut damit leben können, aber so ist das eben zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Aber wir erhöhen jedenfalls die kommunale Handlungsfähigkeit an ganz entscheidender Stelle.
Ich will in diesem Zusammenhang aber auch sagen, dass wir, wie ich glaube, hinreichende Skepsis gegenüber den Ländern haben sollten. Aber die hier – bisweilen jedenfalls – durchklingende Verachtung gegenüber dem Föderalismus teile ich nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch die Länder werden ihre Handlungsmöglichkeiten sicherlich ausnutzen. Wir sollten diese Form der Kritik, mit diesem Soupçon, jedenfalls nicht weiter fortsetzen. Das ist, glaube ich, nicht gut für unser Land.
Zum Schluss – das ist die letzte Bemerkung, die ich machen will –: Es gibt eine ganze Reihe von Einzelprojekten, auf die an dieser Stelle hingewiesen worden ist, die ich hier nicht wiederholen muss. Für uns ist jedenfalls klar: In der Krise und damit wir aus dieser auch wieder herauskommen, stehen wir auch an der Seite der Kommunen, den Orten von Wahrheit und Wirklichkeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Frauke Petry.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455450 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket |