02.07.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 170 / Tagesordnungspunkt 9

Thomas HackerFDP - Deutsche Ratspräsidentschaft

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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Zeitpunkt für die deutsche Ratspräsidentschaft könnte kaum schicksalhafter sein. Die globale Coronakrise und ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind die größte Bewährungsprobe für Europa seit 1945. Auch wenn die Bewältigung der Pandemie das allgegenwärtige Thema der nächsten Monate sein wird, darf es nicht das einzige Thema dieser Ratspräsidentschaft sein.

Groß sind die Erwartungen der Menschen in Europa an unsere Präsidentschaft, und lang ist die Liste der Herausforderungen, vor denen wir in Europa stehen. Brexit, Green Deal, europäische Asylpolitik, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, mehrjähriger Finanzrahmen, Digitalisierung, Reform der Institutionen, Erweiterungspolitik: Auch diese Themen bestimmen die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union.

Die Erwartungen an das größte Land und die stärkste Volkswirtschaft in der Europäischen Union könnten kaum größer sein. Die FAZ kommentierte gestern, Deutschland sei „Motor, Moderator, Brückenbauer. Das allein aber reicht nicht“. Ja, genau, das ist richtig: Deutschland muss in dieser Präsidentschaft Außergewöhnliches leisten.

„Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ – so das Motto der Bundesregierung. „ Gemeinsam“: Dieses Wort allein hätte gereicht, um unseren Anspruch an ein funktionierendes Europa im 21. Jahrhundert zu definieren. Auf das Trump-Plagiat hätten wir verzichten können.

„Gemeinsam“: Mit diesem kleinen Wort ist auch der größte Unterschied zum vorliegenden Antrag der AfD schon benannt. Zehn Seiten nutzen Sie, um ein Zerrbild der Europäischen Union zu erfinden und die Axt an die Fundamente unseres Wertesystems zu legen.

(Johannes Schraps [SPD]: So ist es!)

Die Europäische Union möchten Sie zerstören und die Deutsche Mark wieder einführen. Zusammengefasst: Der deutsche Michel allein zu Haus!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Gott sei Dank trifft Ihr Zerrbild nicht die Lebenswirklichkeit von Millionen von Europäern – Millionen von Menschen, die die Freiheit schätzen, die die EU für ihr Leben gebracht hat: die Freiheit, ihren Wohnort und Arbeitsplatz selbst zu wählen, die Freiheit, während der Ausbildung und des Studiums andere Länder kennenzulernen, die Freiheit, in Europa zu reisen, ohne durch lange Staus und Grenzkontrollen gehindert zu werden, die Freiheit, seit 75 Jahren in Frieden leben zu können. Diese Freiheit ist nur möglich, weil die Europäische Union eben mehr ist als eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft. Die EU gründet sich auf stabile Pfeiler: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschen- und Freiheitsrechte. Wann immer in einem Mitgliedsland diese Grundpfeiler in Gefahr sind, sind wir verpflichtet, unsere Stimme zu erheben, sind wir als Europäer verpflichtet, zu handeln.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir aus den ersten Monaten der Pandemie eines lernen können, dann ist es doch das: Die Zeit nationaler Egoismen muss vorbei sein. Die Pandemie kann nur gemeinsam bekämpft werden. Die wirtschaftlichen Folgen können nur gemeinsam angegangen werden. Wir werden darum ringen, in welchem Umfang europäische Gelder den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden, wie hoch die Anteile der Zuschüsse und die Anteile der Darlehen sein werden. Nicht infrage steht jedoch für die Mehrheit des Hauses, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Wertegemeinschaft Europa muss selbstbewusst auftreten und auch mal den ersten Schritt machen und auf andere zugehen. Für uns endet unsere Verantwortung nicht an den Grenzen der Mitgliedstaaten, egal ob es sich um Beitrittsverhandlungen mit der Türkei oder den kritischen Dialog mit unserem Handelspartner China handelt. Unsere gemeinsame Verantwortung gilt für die Staaten des Westbalkans über unsere Östliche Partnerschaft bis nach Asien und Afrika. Und wo wir die Freiheit der Menschen in Gefahr sehen – wie in Hongkong –, müssen wir handeln.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem, was wir in den nächsten sechs Monaten für die Europäische Union unternehmen: Es geht nicht nur um den Wohlstand Europas; wir tragen mit unseren Partnern die Verantwortung, unsere Werte zu verteidigen, unsere Freiheit – gemeinsam.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch mal daran erinnern, dass wir um 11.43 Uhr die namentliche Abstimmung schließen. Es ist momentan wenig Andrang vor den Urnen. Es wäre jetzt eine gute Gelegenheit, falls Sie noch nicht abgestimmt haben.

Der Kollege Axel Schäfer hat als Nächstes das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7455463
Wahlperiode 19
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Deutsche Ratspräsidentschaft
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