Gyde JensenFDP - Deutsche Ratspräsidentschaft
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Kollegen! Nehmen Sie sich doch einen ganz kurzen Moment Zeit und schauen Sie mal in Ihre Kürschner-Bücher. Herr Kleinwächter, Sie sprachen von Unfreiheit. Ich glaube, die EU stand schon für Freiheit, als Sie noch mit Ihrem Genossenkollegen Diether Dehm Zigarre geraucht haben.
(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])
Aber jetzt zum Antrag. Die AfD-Fraktion legt hier einen Antrag vor. Das ist kein konstruktives Programm mit Gestaltungsvorschlägen für die EU-Ratspräsidentschaft, sondern ein Sammelsurium an Verachtung gegenüber dem erfolgreichen Projekt Europa, das uns Europäern, vor allen Dingen uns Deutschen – das ist Ihnen ja traditionell immer sehr, sehr wichtig – Frieden und Wohlstand gebracht hat. Ihnen geht es hier nicht darum, dass die EU durch neue Ideen, neue Instrumente bürgernäher und demokratischer wird, wie Sie es mit dem vollkommen irreführenden Titel des Antrages glauben machen wollen.
Bei Ihren Anträgen und Vorschlägen geht es Ihnen wie immer einzig darum, die Zeit um ein paar Jahrzehnte zurückzudrehen, zurück in die Zeit vor 1966, zurück zur Politik des leeren Stuhls, als die EWG durch das Einstimmigkeitsprinzip vollkommen gelähmt und handlungsunfähig war.
(Zurufe von der AfD)
Wenn die EU dann nur noch eine leere Hülle ist, dann gehen die Grenzen wieder hoch. Wie das zu einem „Europa der Freiheit“, wie Sie es formulieren, passen soll, das, muss ich ganz ehrlich sagen, erschließt sich mir nicht. Ich glaube, Sie sind hier in diesem Hohen Haus komplett alleine mit dieser Annahme, was das Verständnis von Freiheit angeht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich bin selber keine Juristin, aber im Gegensatz zur AfD weiß ich, dass ich einen Rechtsexperten durchaus konsultieren kann, wenn ich einen Antrag verfasse. Push-backs an den EU-Außengrenzen, wie Sie sie in Ihrem Antrag vorschlagen, verstoßen nicht nur gegen Seerecht, sondern auch gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Der Vorschlag, die Seeaußengrenzenverordnung, also europäisches Sekundärrecht, abzuändern, um diese Push-backs zuzulassen, ist juristisch kompletter Unfug.
Das Prinzip EU-Fördermittel – Herr Schraps sprach es auch an – an Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen, wie wir das als FDP-Fraktion unter anderem auch in unserer Grundwerteinitiative fordern, würden Sie als Kolonialismus bezeichnen. Vollkommener Humbug!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Geben Sie doch einfach zu, dass Sie mit solchen Formulierungen hier gerade einfach nur Lobbyarbeit für Ihre Kolleginnen und Kollegen von PiS und Fidesz machen. Im Übrigen sprechen diese Parteien keineswegs für das gesamte Volk in Polen oder in Ungarn. Sie wurden zwar von einer Mehrheit gewählt, aber tyrannisieren jetzt gerade Minderheiten.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Das, glaube ich, ist ein Konzept von Volksherrschaft, wie es sich die AfD wahrscheinlich auch für Deutschland wünscht, was aber Gott sei Dank und glücklicherweise in der EU so nicht möglich wäre.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wissen Sie was, eigentlich ist es dann doch auch nur konsequent, dass Ihr einziger außenpolitischer Partner außerhalb der EU Russland ist, ein Land, in dem gerade gestern die letzten Reste demokratischer Prinzipien beseitigt wurden, indem ein Autokrat wie Putin nun bis auf Weiteres regieren kann.
(Zurufe von der AfD)
So viel zu „Bürgernähe und Demokratie“, wie Sie es im Antrag formulieren.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist wie so viele von der AfD ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger in unseren Nachbarländern. Am Sonntag – ich habe Polen angesprochen – wurde dort gewählt. Die weltoffene Zivilgesellschaft hat dabei gezeigt, dass sie ihr Land eben noch nicht aufgegeben hat. Unsere EU-Institutionen haben sie dabei unterstützt und tun das weiter. Diese Rückendeckung brauchen wir dort. Immer wieder ermahnte die EU hier, leitete Verfahren ein und pochte darauf –
Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende.
– ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, dass Grundrechte von Minderheiten gewahrt bleiben. Genau das ist das, was unsere europäische Union ausmacht, nicht das, was Sie darunter verstehen. Ich denke, da stimmen alle Kollegen mit Ausnahme von Ihnen in diesem Hause auch zu.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD] – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Polen-Beschimpfung ist das, Polen-Beschimpfung! Das war mal üblich in Deutschland! Sie machen es weiter!)
Für die Fraktion Die Linke hat als Nächstes das Wort der Kollege Andrej Hunko.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455472 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Deutsche Ratspräsidentschaft |