Ulrike Schielke-ZiesingAfD - Grundrente
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen! Verehrte Bürger! Zur ersten Lesung hörten wir noch vom Kollegen Brinkhaus aus der CDU/CSU-Fraktion, dass es keine zweite und dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs geben wird, wenn die Grundrente nicht solide gegenfinanziert wird. Nun, diese Aussage hielt nicht besonders lange, und das, obwohl sich an dem Gesetzentwurf nicht das Geringste geändert hat. Mit anderen Worten: Die CDU/CSU-Fraktion lässt sich wieder einmal von der SPD vorführen und verrät wieder einmal ihre Prinzipien – oder vielleicht sollte man sagen: ehemaligen Prinzipien.
(Beifall bei der AfD – Alexander Krauß [CDU/CSU]: Grundrente gehört zu unseren Prinzipien! Weil es leistungsgerecht ist!)
Herzlichen Glückwunsch im Übrigen an die CDU zum 75. Geburtstag! Man sollte meinen, in so einem Alter hat man genügend Erfahrung gesammelt, um sich gegen einen hyperaktiven Koalitionspartner durchzusetzen. Aber dem ist wohl nicht so.
(Beifall bei der AfD)
Wir haben ja an dieser Stelle schon häufig über die Grundrente debattiert. Ich könnte nun wieder die Gründe anführen, warum wir die Grundrente für grundlegend falsch halten, warum wir dieses Konzept für zu teuer und vor allem für ungerecht halten, warum wir es für verheerend halten, das Äquivalenzprinzip – dass es also für eine bestimmte Leistung eine bestimmte Gegenleistung gibt – so dermaßen aufzuweichen, warum es falsch ist, die Rentenversicherung mit bürokratischen Aufgaben zu überlasten, um auf die denkbar komplizierteste und teuerste Art und Weise Geld zu verteilen, von dem am Ende doch so wenig Menschen profitieren.
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: 1,3 Millionen sind wenig?)
Das alles möchte ich mir heute einmal sparen; denn alles, was zu diesem Thema gesagt werden konnte, wurde bereits gesagt: von den zahlreichen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung, von der Rentenversicherung und sogar von den eigenen Abgeordneten der Großen Koalition – wie wir heute wissen: vergeblich.
Stattdessen möchte ich heute lieber etwas zur Berechnung dieser Grundrente sagen. Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich aus dem neuen § 76g SGB VI zitieren, bei dem es um die Berechnung der Grundrente geht:
Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt aus dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten und umfasst zunächst diesen Durchschnittswert. Übersteigt das Zweifache dieses Durchschnittswertes den jeweils maßgeblichen Höchstwert an Entgeltpunkten nach den Sätzen 3 bis 5, wird der Zuschlag aus dem Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Höchstwert und dem Durchschnittswert nach Satz 1 ermittelt. Der Höchstwert beträgt 0,0334 Entgeltpunkte, wenn 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorliegen. Liegen mehr als 33, aber weniger als 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, wird der Höchstwert nach Satz 3 je zusätzlichen Kalendermonat mit Grundrentenzeiten um 0,001389 Entgeltpunkte erhöht; das Ergebnis ist auf vier Dezimalstellen zu runden. Liegen mindestens 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, beträgt der Höchstwert 0,0667 Entgeltpunkte. Zur Berechnung der Höhe des Zuschlags an Entgeltpunkten wird der nach den Sätzen 1 bis 5 ermittelte Entgeltpunktewert mit dem Faktor 0,875 und anschließend mit der Anzahl der Kalendermonate mit Grundrentenbewertungszeiten, höchstens jedoch mit 420 Kalendermonaten, vervielfältigt.
(Beifall bei der AfD – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das ist doch super!)
Ist das noch für irgendjemanden nachvollziehbar?
(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja! Für mich!)
– Für Sie schon? Sehr schön, herzlichen Glückwunsch. – Der Rentenbescheid an sich ist ja schon nicht einfach zu verstehen. Hier leisten die Versichertenältesten und Rentenberater sehr gute Hilfe für die Rentner. Aber diese Berechnung der Grundrente können selbst diese Rentenberater nicht mehr nachvollziehen.
(Daniela Kolbe [SPD]: Das stimmt so nicht!)
Die Grundrente wird durchschnittlich 75 Euro im Monat betragen. Wenn der Ehepartner ein ausreichendes Einkommen hat, erfolgt eine Einkommensanrechnung, und es gibt nicht einmal diese 75 Euro. Was werden die Bezieher der Grundrente denn nun sagen, wenn sie einen Rentenbescheid mit so einem geringen Zahlbetrag erhalten? Minister Heil hatte ihnen doch 200 Euro versprochen, in einigen Reden 400 Euro, heute 300 Euro. Werden sie ihre Grundrente akzeptieren? Nachvollziehen können sie die Berechnung ja nicht mehr.
Sie werden sich ungerecht behandelt fühlen und klagen, genau wie die Rentner, die keinen Anspruch auf Grundrente haben, oder die Ehepaare, bei denen eine Einkommensanrechnung stattfindet im Gegensatz zu Lebensgemeinschaften, bei denen dies nicht so ist, oder Rentner, die nicht wollen, dass ein automatischer Einkommensabgleich beim Finanzamt vorgenommen wird, und die auf die Einhaltung des Datenschutzes pochen. Sie können sich nicht dagegen wehren, sie können sich der Grundrente nicht verweigern. Es wird bei den Rentnern sehr viele Enttäuschungen geben; denn der Name „Grundrente“ impliziert ja, dass jeder diese Rente bekommt. Dem ist aber nicht so.
(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Das wäre eine Jederrente!)
Ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir heute über ein Gesetz sprechen, das die Lebensumstände für die vielen bedürftigen Rentner wirklich verbessert. Viele Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben, haben darauf gehofft. Das Konzept der Grundrente ist zu teuer, sozial ungerecht, wirkungslos und belastet die Folgegenerationen.
(Beifall bei der AfD)
Die Finanzierung des Ganzen ist völlig offen, die Umsetzung ein Desaster – auch ohne Corona. Kein Wunder, dass sich die Kollegen aus der CDU/CSU mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben. Allein die Führung hat anders entschieden.
Wie wir in Armut lebenden Rentnern zielgenau und effizient helfen können, das haben wir als AfD-Fraktion bereits im Februar 2019 mit einem Antrag gezeigt. Eine Freibetragslösung in der Grundsicherung im Alter kommt bei den Bedürftigen an und setzt die Rentenversicherung auch nicht dermaßen unter Druck.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wäre noch weniger als die dünne Suppe von der FPD! Das meinen Sie jetzt doch nicht so richtig ernst, oder, Frau Kollegin?)
Sie, Minister Heil, haben unseren Vorschlag sogar mit in das Grundrentengesetz aufgenommen, aber die große Hürde „35 Jahre Versicherungszeiten“ eingebaut. Warum lassen Sie diese Unterstützung nicht allen bedürftigen Rentnern zugutekommen? Das wäre eine Maßnahme, die die Altersarmut gezielt bekämpft. Aber leider zählen für Sie nur Rentner, die 33 bzw. 35 Jahre gearbeitet haben. Alle anderen, auch die Erwerbsunfähigkeitsrentner, bleiben außen vor.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Nicht alle Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion sind begeistert von der Grundrente. Die Mittelstandsunion verabschiedete dazu ein Papier, in dem zu lesen war – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
Diese Grundrente schafft Ungerechtigkeiten, sie ist nicht zielgerichtet nur für Bedürftige, sie ist nicht solide finanziert, sie belastet mitten in der größten Wirtschaftskrise Steuer- und Beitragszahler und wird auch nachfolgende Generationen unnötig belasten.
Dieser Einschätzung kann ich mich hundertprozentig anschließen. Es ist nur schade, dass diese Abgeordneten innerhalb ihrer Fraktion eine Minderheit darstellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf noch mal daran erinnern, dass wir die namentliche Abstimmung um 12.57 Uhr schließen. Also die Hälfte der Zeit ist jetzt gleich vorbei. Das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, sich auf den Weg zu machen.
Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Hermann Gröhe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455484 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Grundrente |