Johannes VogelFDP - Grundrente
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu Beginn meiner Rede noch mal daran erinnern, mit welchem Ziel die Koalition bei diesem Thema gestartet ist. Auch wenn Hubertus Heil gerade kurz abstimmen ist, zitiere ich den Bundesarbeitsminister aus seinem allerersten Interview zu diesem Thema in der „Bild am Sonntag“:
(Kerstin Tack [SPD]: Das haben Sie schon bei der letzten Rede gemacht! Langweilig!)
Sehr viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, landen ... als Rentner in der Grundsicherung. Das will ich ändern. Deshalb will ich die Grundrente einführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bekenne und sage ganz ausdrücklich: Dieses Ziel teilen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man kann es nicht oft genug sagen. Schauen wir doch einmal, was konkret bei Ihrer Grundrente passiert: Eine alleinerziehende Altenpflegerin, die 32 Jahre und 11 Monate Versicherungszeiten in der Rente und im Alter vielleicht zu wenig Geld hat: Sie hat bei Ihrem Modell keinen Cent mehr als die Grundsicherung! Eine Friseurmeisterin, die vielleicht 20 Jahre ein Unternehmen betrieben hat, Menschen Arbeit gegeben hat, dann noch 20 Jahre angestellt war, weil das Unternehmen vielleicht gescheitert ist, die auch – aus welchen Gründen auch immer – im Alter wenig Geld hat: Sie hat bei Ihrem Modell keinen Cent mehr als die Grundsicherung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, man muss sich das einmal buchstäblich vor Augen führen: Von den Hunderttausenden Menschen, die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben und trotzdem in der Grundsicherung landen, gehen drei Viertel bei Ihrer Grundrente leer aus.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Alexander Krauß [CDU/CSU]: Was ist denn Ihr Modell?)
Auf der anderen Seite sind von denjenigen, die bei Ihnen Grundrente bekommen, über 90 Prozent gar nicht in der Grundsicherung. Das geht gleich doppelt daneben, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ist ein krass ungenaues Modell.
(Beifall bei der FDP)
Diese Grundrente hilft zu wenig gegen Altersarmut. Das ist das Kernproblem bei Ihrem Modell, das Sie heute hier zur Abstimmung stellen.
Professor Georg Cremer, ehemaliger Generalsekretär der Caritas, fasste es in der Sachverständigenanhörung wie folgt zusammen: „Was mich stört ist einfach, dass bei dem jetzigen Modell die Armen leer rausgehen.“ Und trotzdem peitschen Sie dieses Modell heute durch den Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Das kann es wirklich nicht sein, wenn es um Altersarmut geht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Gleichzeitig schaffen Sie ja ganz viele neue Ungerechtigkeiten. Sie brechen mit dem Grundsatz unserer Rentenversicherung, dass die Auszahlungen von den Einzahlungen abhängen. Sie stellen Wohngemeinschaften bei der Grundrente besser als Ehepaare. Wer eine kleine Riester-Rente hat, der bekommt keine Grundrente, wer eine identisch hohe kleine Lebensversicherung hat, der bekommt Grundrente usw. usf. Diese Ungerechtigkeiten sind so krass, dass Franz Ruland, langjähriges SPD-Mitglied und langjähriger Chef der Rentenversicherung, die Grundrente sogar für verfassungswidrig hält.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wird nicht so sein!)
Das ist doch kein überzeugendes Modell, was Sie heute vorlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Sie ignorieren die eindringlichen Warnungen der Deutschen Rentenversicherung, die nicht nur besagen, das Modell sei so kompliziert, dass man im ersten Jahr die Grundrente an die meisten Bürgerinnen und Bürger gar nicht auszahlen könne, sondern die zum Beispiel auch darauf hinweisen, dass die Grundrente dauerhaft Verwaltungskosten in Höhe von 13 Prozent der Gesamtausgaben erzeuge. Um das einmal zu vergleichen: Bei der privaten Rentenversicherung liegen die Verwaltungskosten bei 1,5 Prozent , bei der Rentenversicherung liegen die Verwaltungskosten bei allen anderen Leistungen bei 1,2 Prozent . Sie legen hier allen Ernstes ein Modell vor, das das Zehnfache an Verwaltungskosten nur für die Implementation und für die Auszahlung verschlingt! Das ist doch kein überzeugendes Modell, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sag einmal, woran es liegt!)
Keine Zielgenauigkeit, ein Bruch mit dem Äquivalenzprinzip, komplett verzögerte Auszahlung – ich könnte weitermachen. Kommen Ihnen diese Kritikpunkte bekannt vor? Das alles habe ich – das wurde gerade schon zugerufen – bereits in der ersten Lesung gesagt.
(Kerstin Tack [SPD]: Stimmt!)
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das ist das Problem. Seit der ersten Lesung hat sich dieses Modell um keinen Deut verbessert. Wir hatten eine Expertenanhörung. Die Äußerungen fielen – alle langjährigen Parlamentarier können das beurteilen – nun wirklich außergewöhnlich kritisch aus. Und was haben Sie an der Grundrente verändert? Nichts. Das ist kein gutes Regierungshandeln, lieber Bundesminister Heil, und das ist nicht überzeugend.
(Beifall bei der FDP)
Leider bleibt es aber nicht bei Ihrer sozialpolitischen Irrfahrt, nein, auch finanzpolitisch ist das nicht überzeugend. Guckt man in die mittelfristige Finanzplanung, so stellt man fest, dass sich zur Grundrente nichts findet. Das Ziel, etwas gegen Altersarmut zu tun, ist wirklich wichtig, aber eine solide Finanzierung können wir schon erwarten; denn es geht hier nicht um einmalige Krisenmaßnahmen, sondern es geht um eine jahrzehntelange Ausgabe in der Rentenversicherung. Sie selber haben gesagt, Sie brauchen dafür zusätzliche Einnahmen. Sie wollten eine neue Steuer einführen. Diese Steuer gibt es nun nicht. Jetzt haben Sie weder Steuereinnahmen noch eine andere solide Finanzierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist auch deshalb so gut durch diese Krise gekommen und ist jetzt unzweifelhaft handlungsfähig, weil wir in guten Zeiten auf die Finanzen geachtet haben. Deshalb müssen wir auch auf solide Rentenfinanzen achten. Was Sie hier machen, ist das Gegenteil. Das ist nicht überzeugend, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP)
Alexander Dobrindt von der CSU, der sagt das ja auch ganz offen – ich zitiere letztmalig –:
Der SPD solle nicht die Gelegenheit gegeben werden, mit einem Rententhema die Sommermonate zu bespielen, kündigte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an.
Dies sei der strategische Hintergrund dafür, das Thema Grundrente voraussichtlich an diesem Freitag abzuschließen, trotz offener Finanzierungsfragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Machtpolitik ist Teil von Politik. Machtpolitik darf aber nicht der einzige Teil von Politik sein, vor allem dann nicht, wenn etwas leidet, nämlich ein gutes Modell für die Menschen zu suchen, die unsere Unterstützung brauchen. So geht es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Und es ginge besser. Wir haben Ihnen schon vor Monaten ein Alternativkonzept vorgelegt; das steht heute auch zur Abstimmung. Bei unserer liberalen Basisrente hat jede und jeder, die bzw. der gearbeitet, eingezahlt, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, im Alter sicher mehr als die Grundsicherung. Das Modell ist fair, zielgenau und finanzierbar.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wieviel denn mehr? Was kommt denn unter dem Strich raus?)
– Lieber Kollege Matthias Birkwald, zu der Frage, was da herauskommt. Susanne Holtkotte – ich gratuliere ihr ebenfalls herzlich zum heutigen Geburtstag – haben Hubertus Heil und ich gemeinsam ganz am Anfang der Debatte über dieses Thema in einer Talkshow kennengelernt. Menschen wie Susanne Holtkotte haben bei der liberalen Basisrente am Ende mehr in der Tasche als bei Ihrer Grundrente, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur, wenn sie weniger als 5 000 Euro Erspartes haben! Sonst nicht!)
Und gleichzeitig muss niemand im Alter aufs Sozialamt gehen, weil sie von der Rentenversicherung ausgezahlt wird.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur, wenn sie fast nichts gespart haben!)
Das ist ein überzeugendes Modell gegen Altersarmut. Das sehen nicht nur wir so. Das hat auch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Bundesländer so gesehen, das vertritt der ehemalige Caritas-Generalsekretär so. Deutschland braucht dringend eine gute Grundrente. Ihre Grundrente ist das nicht. Es ginge besser. Deshalb: Stimmen Sie nachher der liberalen Basisrente zu!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Rente!)
Der nächste Redner – er muss noch warten, bis das Pult gereinigt ist – ist Matthias W. Birkwald, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455486 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Grundrente |