Nicole WestigFDP - Intensivpflege und Rehabilitation
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit fast einem Jahr zittern Betroffene vor dem Gesetzentwurf, den wir heute hier abschließend beraten. Menschen mit Intensivpflegebedarf leben in Angst, künftig gegen ihren Willen im Heim untergebracht zu werden.
Auf den allerletzten Metern sind uns die Regierungsfraktionen nun entgegengekommen. Das Damoklesschwert des Heimzwangs wurde entschärft, ist aber noch nicht stumpf. Dies wurde erreicht durch Zusammenstehen der demokratischen Oppositionsfraktionen und bemerkenswerte öffentliche Proteste von Betroffenen.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mein besonderer Dank geht deshalb an Laura Mench und alle anderen, die ihren Protest deutlich gemacht haben, sei es öffentlich oder nichtöffentlich.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vieles ist erreicht worden. Arbeitgebermodell und 28-Tage-Regelung werden beibehalten, ambulante und stationäre Versorgung wurden finanziell angepasst. Dennoch halten wir, Grüne, Linke und Freie Demokraten, weiterhin an unserem Änderungsantrag fest;
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
denn wir sehen das Grundrecht auf Selbstbestimmung im vorliegenden Gesetzentwurf nach wie vor eingeschränkt.
Bei der Frage nach dem Leistungsort der Versorgung soll künftig den „berechtigten Wünschen“ der Menschen mit entsprochen werden – immerhin. Aber wir fragen uns: Wer entscheidet darüber, ob ein Wunsch berechtigt ist? In der UN-Behindertenrechtskonvention steht nicht etwa, dass das Recht, selbst zu bestimmen, wo man lebt, davon abhängt, dass man einen berechtigten Grund dafür nennt. Und wenn es bei den nun vorgesehenen Zielvereinbarungen unterschiedliche Auffassungen zur Versorgungssicherheit gibt, wer hat dann das letzte Wort?
Oft genug gibt es eben keine Augenhöhe zwischen Versicherten und Kassen. Oft genug ist das ein Kampf David gegen Goliath. Und, liebe Frau Baehrens, auch Frau Bentele hat in ihrer Presseerklärung gesagt, sie will den Kassen genau auf die Finger schauen, wenn diese nicht kooperieren.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!)
Wir werden das notfalls vor den Sozialgerichten angreifen.
Im Gesetzentwurf fehlt auch, dass der Sicherstellungsauftrag eindeutig bei den Kassen liegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der GroKo, Sie halten an jährlichen Prüfungen fest. Wir sind der Meinung: Wenn eine Prüfung ein positives Ergebnis hatte, kann das Intervall auch auf bis zu drei Jahre verlängert werden.
Mit unserem gemeinsamen Änderungsantrag sowie dem Entschließungsantrag der Freien Demokraten sorgen wir dafür, dass das hier vorgelegte Gesetz der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der GroKo, Sie sind uns und allen Betroffenen weit entgegengekommen. Das nehmen wir sehr positiv auf.
(Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])
Aber lassen Sie uns auch noch den letzten Schritt gehen. Lassen Sie uns das Damoklesschwert „Heimunterbringung gegen den Willen der Betroffenen“ gemeinsam begraben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist die Kollegin Pia Zimmermann.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455574 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Intensivpflege und Rehabilitation |