Christian PetrySPD - Urteil zum Anleihekaufprogramm PSPP
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geldpolitik der EZB leistet seit Jahren einen großen Beitrag zur Stabilisierung der europäischen Volkswirtschaften. Viele von uns haben noch den Satz von Draghi im Kopf, als er in der Krise auf die Frage, was er denn tun würde, geantwortet hat: Whatever it takes. – Allein die Aussage hat schon dazu geführt, dass es Stabilität im Euro-Raum gab; denn Psychologie ist auch in diesem Bereich die halbe Miete.
Nun haben wir am 5. Mai ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen. Dazu könnte man jetzt viel sagen; das werden wir auch in der Diskussion tun. Worüber ich nichts sagen werde, ist die Qualität des Urteils; das ist weniger mein Punkt. Ich möchte eher dazu ausführen, was man an Positivem aus diesem Urteil ziehen kann, was wir für Schlüsse ziehen und was wir heute verabschieden.
Das PSPP-Programm ist keine monetäre Staatsfinanzierung – das wurde dort eindeutig festgestellt –,
(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Peter Boehringer [AfD]: Nein! Falsch! Das Gegenteil ist richtig!)
vielmehr abgedeckt durch die Aufgabe der Europäischen Zentralbank, die Preisstabilität im Euro-Raum zu sichern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zum Urteil gilt es aus meiner Sicht festzuhalten: Die europäische Integration als Aufgabe ist im Grundgesetz verankert. Die Europäische Union leistet diese Integrationsaufgabe. Die EZB ist unabhängig und sichert für unsere Volkswirtschaft die notwendige Preisstabilität. Die Wahrung europäischen Rechts und die Prüfung der Auslegung der europäischen Verträge ist ausschließlich Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Anleihekauf über das PSPP ist verhältnismäßig. Diese Prüfung der Verhältnismäßigkeit macht die EZB. Die macht nicht der Deutsche Bundestag, die macht nicht das Verfassungsgericht, und die macht auch nicht die Bundesregierung. Dies ist Aufgabe der EZB, und dies hat sie auch – ich werde es noch ausführen – nach unserer Auffassung ausreichend getan. Die Verhältnismäßigkeit wurde immer geprüft.
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Richtig!)
Wir als Deutscher Bundestag haben in vielfältiger Weise das Tätigwerden der EZB oder der Bundesbank in unsere Entscheidungen einfließen lassen: Anhörungen wie jüngst im Finanzausschuss und im Europaausschuss, Berichte und Diskussionen mit Vertretern der EZB und der Bundesbank wie kürzlich mit Herrn Weidmann, Besuche bei der EZB oder der Bundesbank haben wir durchgeführt und uns informieren lassen, Sachstandsberichte des Wissenschaftlichen Dienstes.
Auch der Beschluss der EZB vom 3. und 4. Juni ist abrufbar, in dem dargelegt wird, wie die Prüfung stattgefunden hat. Uns wurden auch die jüngsten Unterlagen zur Verfügung gestellt, aus denen hervorgeht, dass das PSPP systematisch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit geprüft wurde. Die einzelnen Maßnahmen, wie dargelegt wurde, wurden dem Bundestag zur Verfügung gestellt, und wir haben sie in unsere Debatten einfließen lassen.
Der nun gewählte Weg, wie wir ihn hier beschreiten, schafft darüber hinaus mehr Transparenz und somit noch mehr Vertrauen. Erkennbar wurden die Vor- und Nachteile immer abgewogen. Umfang und Anteile am Gesamtvolumen der verschiedenen Ankäufe im Hinblick auf die mögliche monetäre Staatsfinanzierung wurden ausreichend beachtet. Es ist daher nur folgerichtig, dass wir heute feststellen, dass der Beschluss des EZB-Rates und unser eigenes langjähriges Handeln genügen, um die Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Bundesrepublik Deutschland ist fest in der Europäischen Union verankert. Die europäische Integration ist Aufgabe unseres Grundgesetzes. Sie hat den Frieden in Europa gesichert, die staatliche Einheit ermöglicht und zu Wohlstand und sozialem Fortschritt beigetragen.
Das ist eine klare Haltung, wie wir in Deutschland zu Europa stehen. Dieser Haltung schließen sich in unserer Resolution dreieinhalb Fraktionen an. Darauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bei der FDP scheint es eine gewisse Spaltung zu geben.
(Christian Dürr [FDP]: Nein! Keine Chance!)
Da gibt es die Proeuropäer wie Michael Link, Konstantin Kuhle, und da gibt es die anderen, die eher die national orientierten Interessen nach vorne treiben, wie mein Fußballkollege Frank Schäffler – das ist ganz klar; mit dem habe ich mich noch einmal darüber unterhalten. Wissen Sie, woran man die Spaltung bei Ihnen merkt? Wenn einer von dem zweiten Block redet, klatscht immer die AfD. Da braucht man sich gar nicht viel Mühe zu geben, das merkt man daran. Das sollte Ihnen in diesem Punkt zu denken geben.
(Christian Dürr [FDP]: Bei Ihnen klatschen wir halt gar nicht!)
Vielleicht ist es Ihnen möglich, dass man die proeuropäische Seite – Sie haben viele gute Proeuropäer in Ihren Reihen – stärker einbringt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Über die Forderung der Linken und der Grünen nach einer rechtlich verankerten Berichtspflicht kann man natürlich nachdenken.
(Christian Dürr [FDP]: Wollen wir Kopfnoten geben? Ist bei der SPD zwischen 5 und 6 dabei?)
– Ja, man kann auch laut dazwischenschreien; das geht immer. Kopfnoten wären gar nicht so schlecht bei Ihnen. – Ich persönlich kann mich auch der Forderung von Fabio De Masi und der Linken anschließen, dass man über eine Erweiterung und Veränderung des Auftrags der EZB reden kann. Auch dem kann ich mich anschließen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden das diskutieren müssen.
Die Konstruktionsmängel im Euro-Raum sind seit dem Start da; das wussten wir von Anfang an. Für die Zukunft heißt das doch nur, dass wir weiter daran arbeiten, diese Mängel zu beseitigen,
(Otto Fricke [FDP]: Die Zukunft!)
etwa dass die EZB nicht mehr wie in den letzten zehn Jahren von der Politik alleingelassen wird, den Mangel an Vergemeinschaftung im Bereich der Wirtschafts- und Fiskalpolitik hin zu einer echten Fiskalunion,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
das Fehlen eines europäischen Währungsfonds. Dazu gehört auch eine institutionelle Weiterentwicklung der Union, etwa eigene finanzielle Einnahmen, ein koordiniertes Steuerrecht, etwa um Großkonzerne endlich effektiver besteuern zu können, und eigene Steuereinnahmen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Da sind wir halt auseinander!)
Das stammt im Übrigen nicht ausschließlich von mir. Das hat unser Präsident Wolfgang Schäuble gestern im Europaausschuss so eins zu eins gefordert. Ich habe alles mitgeschrieben; ich fand das gut.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Hört! Hört!)
Kolleginnen und Kollegen, wir stellen heute fest, dass den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts schon immer entsprochen wurde. Wir werden mutig und entschlossen Europa voranbringen. Deutschland wird nur mit Europa seine starke Stellung und seine offene Gesellschaft gegenüber den Kräften in der Welt behaupten können.
(Christian Dürr [FDP]: Versuchen Sie doch nächstes Mal, eine freie Rede zu halten!)
Nutzen wir gemeinsam diese Chance für ein offenes, freies, friedliches, ökologisch starkes und sozial gerechtes Europa. Erteilen wir Kleingeistern und Nationalisten eine Absage! Besonders die junge Bevölkerung wird uns dies danken.
Stimmen Sie der vorliegenden Beschlussempfehlung zu! Dokumentieren Sie damit, dass wir die Vorgaben einer sehr begrenzten Betrachtungsweise der europäischen Realität durch das Bundesverfassungsgericht als erfüllt ansehen.
Bitte kommen Sie zum Schluss.
Vielen Dank. Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich weise darauf hin, weil wir in unserem Plenarsaal neue Gäste haben, dass ich konsequent auf die Einhaltung der Redezeiten achten werde. Zwischenfragen und Kurzinterventionen werden ab diesem Tagesordnungspunkt nicht mehr zugelassen.
Nächster Redner für die AfD-Fraktion ist der Kollege Peter Boehringer.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455584 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Urteil zum Anleihekaufprogramm PSPP |