Florian ToncarFDP - Urteil zum Anleihekaufprogramm PSPP
Danke schön, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. Mai entschieden, dass das Anleihekaufprogramm PSPP der Europäischen Zentralbank kompetenzwidrig sei, weil die EZB, so das Gericht, nicht nachvollziehbar dargelegt habe, dass es die Verhältnismäßigkeit des Programms geprüft habe. Wir Freien Demokraten haben dieses Urteil begrüßt, weil wir in der Tat auch der Auffassung sind, dass auch oder gerade eine unabhängige Institution wie eine Notenbank nicht frei von Kontrolle selbst bestimmen darf, was ihr Mandat sein soll, sondern dass die Grenzen des Mandats eben auch von jemandem kontrolliert werden müssen.
(Beifall bei der FDP)
Das Gericht hat dem Bundestag aufgegeben, auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit hinzuwirken. Die EZB hat dann in der Ratssitzung am 4. Juni über einen neuen Ratsbeschluss – exakt wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – eine solche Prüfung durchgeführt und hat sie über die Bundesbank auch dem Deutschen Bundestag übermittelt. Bei allen Differenzen – ich komme gleich darauf – hinsichtlich der Haltung der EZB in der Sache erkenne ich auch an, dass das, was Transparenz und Dialogbereitschaft gegenüber einem nationalen Parlament, wie es der Deutsche Bundestag ist, anbelangt, neue Maßstäbe setzt. Wir werden von dem damit verbundenen Angebot aktiv Gebrauch machen und mit der EZB über Geldpolitik sprechen.
Das müssen wir auch tun. Auch wenn wir heute aus der Mitte des Parlaments heraus feststellen, dass es eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gegeben hat und dass damit auch die Pflicht, darauf hinzuwirken, die das Gericht dem Bundestag übergeben hat, nicht mehr weiter nachgekommen werden muss, so muss doch auch und weiterhin darüber gesprochen werden, ob das, was die EZB macht, eigentlich richtig ist. Ich will drei Gründe nennen, warum ich glaube, dass man bei exzessiven, dauerhaften Staatsanleihekäufen allergrößte Vorsicht walten lassen muss:
Erstens. Wenn Staatsanleihen von der Notenbank gekauft werden, ist das etwas anderes, als wenn ein Zins gesetzt wird; denn Staatsanleihekäufe haben eine strukturelle Nähe zur monetären Staatsfinanzierung. Das ist gar nicht zu vermeiden; das liegt in der Natur dieses Instruments. Deswegen muss man da viel, viel genauer hinschauen. Und je länger es andauert und je mehr Geld hineingeht, umso größer ist die Gefahr, dass die Grenze zur Staatsfinanzierung überschritten wird.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Anleihekäufe haben einen weiteren Nachteil: Sie können Fehlanreize setzen und dazu führen, dass nationale Regierungen sich plötzlich darauf verlassen, dass immer weiter gekauft wird, sodass notwendige Reformen unterbleiben. Wenn das passiert, machen Anleihekäufe die europäische Volkswirtschaft nicht stärker, sondern schwächer, und das Ziel, das die EZB vorgibt zu verfolgen, wird gerade verfehlt. Deshalb ist es so kritisch, was da in diesem Umfang passiert.
(Beifall bei der FDP)
Drittens. Eines wird oft übersehen, wenn wir über Unabhängigkeit von Notenbanken sprechen: Wenn eine Notenbank zu viel Forderungen gegenüber einem einzelnen Schuldner, einem Staat hat, dann kann sie irgendwann gar nicht mehr unabhängig handeln, und dann hat ein Stück weit dieser Staat die Notenbank in der Hand. Wenn wir eine unabhängige Notenbank haben wollen, dann müssen wir auch gucken, dass sie sich nicht zu sehr gegenüber einer Partei exponiert.
Genau deshalb haben die Freien Demokraten heute neben der Feststellung, dass uns die Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgelegt wurde, auch Vorschläge gemacht, wie wir das dauerhaft hier im Bundestag umsetzen können, uns dauerhaft damit beschäftigen können.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Vor allem muss das EZB-Mandat präzisiert werden, damit es mit Anleihekäufen – auch durch eine Obergrenze – in Zukunft nicht so weitergehen kann. Das ist der Weg, für den wir werben. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion hier im Parlament über dieses Thema.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Toncar. – Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455587 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Urteil zum Anleihekaufprogramm PSPP |