Michael Roth - EU-Haushalt 2021-2027
Schönen guten Abend! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“: Das ist das Motto unserer Ratspräsidentschaft, die gestern begonnen hat, und wir haben jetzt sechs Monate Zeit, dieses wunderbare Motto mit Leben zu füllen.
Was für eine menschliche, wirtschaftliche und soziale Katastrophe erleben wir derzeit in Europa und weltweit! Über 100 000 Menschen in Europa sind an oder mit Corona gestorben. Deswegen muss es unser gemeinsames und wichtigstes Ziel sein, dass wir so schnell wie irgend möglich solidarisch und geschlossen aus dieser schweren Krise kommen
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und dass wir vor allem den Staaten, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind, helfen; denn aus eigener Kraft alleine werden sie das nicht schaffen.
(Beifall bei der SPD)
Ich will mich ja mit den Herren dieser Fraktion nicht weiter auseinandersetzen. Aber bitte legen Sie doch mal eine andere CD auf! Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man wirklich meinen, dass Sie nach der Coronapandemie die größte Gefahr für Arbeitsplätze und für wirtschaftlichen Wohlstand in Europa sind,
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
weil Sie immer noch nicht kapiert haben, dass es in unserem eigenen Interesse liegt, dass es unseren Partnern, unseren Nachbarstaaten in der Europäischen Union gut geht.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das bestreitet doch niemand!)
Wenn es den anderen nicht gut geht, sind auch Arbeitsplätze, ist auch soziale Stabilität in Deutschland massiv gefährdet.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie nähren hier die Saat des Hasses und der Missachtung.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: So ein Quatsch! Hören Sie mit dem Unsinn auf! – Gegenruf des Abg. Christian Petry [SPD]: Seid ihr wach geworden da drüben?)
Immer die gleiche Leier: Abschottung.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die Holländer denken genauso!)
Sie haben den menschengemachten Klimawandel geleugnet, Sie haben die massiven Auswirkungen der Coronapandemie auf den Menschen geleugnet, und Sie leugnen Solidarität in Europa. Das ist Gift für uns alle!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Gift ist das, was Sie sagen, Herr Kollege!)
Deutschland hat gemeinsam mit Frankreich gezeigt, dass Solidarität mehr ist als ein Lippenbekenntnis. Wir haben mit unserem Vorschlag, der ein Volumen von 500 Milliarden Euro umfasst, deutlich gemacht, was wir jetzt brauchen: eine umfassende, eine ambitionierte, eine weitreichende Lösung, damit wir aus der Krise herauskommen.
Aber es geht nicht, wie ich das oftmals lese, auch nicht im Haushalt, um einen Wiederaufbau. Wir wollen nicht in die Vor-Corona-Zeit zurück. Wir wollen einen Aufbruch in die Zukunft, einen nachhaltigen Aufbruch, einen sozialen Aufbruch und einen solidarischen Aufbruch.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sind doch Hülsen!)
Das heißt, wir wollen das Geld, das wir jetzt zur Verfügung stellen, in den sozial-ökologischen Umbau Europas investieren, in den Klimaschutz, in den sozialen Zusammenhalt, in eine nachhaltige Weiterentwicklung unserer Wirtschaft, damit Arbeitsplätze auch in 10 oder 20 Jahren sicher sind.
(Lachen des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Und es geht darum, dass wir die massiven sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die es in der Europäischen Union nach wie vor gibt, beheben, dass wir sie abmildern und lindern.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Es geht auch um das wichtige Thema Geschlechtergerechtigkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben mit den Schwedinnen und Schweden durchgesetzt, dass bei allen Ausgaben darauf geachtet werden soll, dass Männer und Frauen gleichermaßen von der Politik der Europäischen Union profitieren.
(Beifall bei der SPD)
Auch das ist ein Europa der Zukunft.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wo sind die Diversen?)
Es darf nicht um Gießkannenpolitik gehen, sondern wir müssen jetzt genau darauf achten, dass das Geld dahin kommt, wo es am dringendsten gebraucht wird.
Es wird schwierig werden. Ich kann den Kolleginnen und Kollegen nur zustimmen: Wir müssen jetzt wirklich auf die Tube drücken. Wir brauchen möglichst rasch ein klares Signal der Bürgerinnen und Bürger, dass die politisch Verantwortlichen gemeinsam verstanden haben, dass wir jetzt ein Signal der Handlungsfähigkeit setzen müssen, dass wir das hinbekommen, obwohl es in der Europäischen Union nach wie vor massive Unterschiede gibt. Aber Kompromissfähigkeit wird vor allem auch von uns eingefordert; denn wir haben jetzt eine besondere Rolle: Wir müssen Brücken bauen. Wir müssen den Laden zusammenhalten. Deswegen kann ich auch nicht versprechen, dass alles, was wir einfordern, am Ende auch umgesetzt wird.
Aber ein Punkt – ich habe mich heute sehr über den Beitrag der Kollegin Katrin Staffler gefreut – ist für uns ganz besonders wichtig: Wenn wir schon so viel Geld ausgeben wie noch nie in der Geschichte des vereinten Europas, dann muss klar sein, dass es nicht nur um wirtschaftliche Fragen und binnenmarktrelevante Fragen geht, sondern es geht vor allem darum, die Europäische Union als Rechts- und Wertegemeinschaft zu stärken.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb fordert die Bundesregierung zwei neue Instrumente:
Das erste Instrument ist ein Rechtsstaatscheck im Rat, dem sich alle Mitgliedstaaten zu unterziehen haben, damit deutlich wird: Wir brauchen endlich wieder ein gemeinsames Verständnis von Grundwerten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Ein zweites Instrument – nicht weniger umstritten in der Europäischen Union – ist glasklar: Die Staaten, die systematisch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit brechen, müssen zukünftig mit weniger Geld aus Brüssel rechnen. Auch das ist Solidarität und Glaubwürdigkeit.
(Beifall bei der SPD)
Für diese Politik bitte ich Sie von Herzen um Unterstützung. Es wird auch darum gehen, dass wir Akzeptanz bei unseren Bürgerinnen und Bürgern gewinnen, dass wir jetzt auch weiter mutig und ambitioniert bleiben. Da hoffe ich auf Ihre Unterstützung. Ich bedanke mich. Sie können sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung in den nächsten sechs Monaten alles dafür tun wird, dass die Europäische Union solidarischer, sozialer, souveräner und handlungsfähiger wird. Das ist im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Nächster Redner ist der Kollege Gerald Ullrich, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7455598 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | EU-Haushalt 2021-2027 |