Matthias MierschSPD - Kohleausstieg
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute auch ganz besonders: Liebe Zuschauer! Das haben wir eben von der einen Seite gehört: alles zu schnell etc.
Gestern ist die Parteizentrale, in der mein Wahlkreisbüro ist, beschmiert worden. Heute werde ich auf einem Plakat in Hannover als Klimagegner dargestellt. Das tut jemandem, der seit 15 Jahren in diesem Haus versucht, gute Klimapolitik zu machen, ein bisschen weh. Aber es zeigt auch, wie diskutiert wird. Ich sage ganz bewusst: Wir müssen aufeinander aufpassen; denn solch ein gesellschaftspolitisches Großprojekt geht nur miteinander, nicht gegeneinander.
(Claudia Moll [SPD]: Richtig!)
All die Argumente, die gerade im Netz ausgetauscht werden, sind legitim; man kann sie in der Demokratie alle vorbringen. Ich möchte aber auf Folgendes hinweisen: Wenn ein Wissenschaftler beispielsweise sagt, man solle den Kohleausstieg hier mit der Situation in Frankreich vergleichen, dann ist das, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Denn Frankreich setzt auf Atomkraft.
Das, was wir da draußen machen können, ist, unsere Meinung ganz, ganz stark zu vertreten. Aber damit kriege ich noch kein Gesetz. Damit kriege ich keine Transformation. Damit kriege ich keine Sicherheit. Diese kriege ich nur, wenn ich in diesem Haus tatsächlich eine Mehrheit zustande bekomme. Das haben wir geschafft, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Die Grünen sind mit Jamaika an genau dieser Frage hinsichtlich der ersten Jahre gescheitert.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! An der FDP!)
Deswegen sage ich: Es ist ein Riesenerfolg, dass wir hier heute den Kohleausstieg beschließen. Das erste Mal wird in einem hochindustrialisierten Land der Kohle- und Atomausstieg gesetzlich fixiert.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU])
Es ist ein Riesenerfolg, dass wir es nicht dem Markt überlassen, sondern den Regionen 40 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren zur Verfügung stellen, damit Zukunft gestaltet werden kann.
(Beifall bei der SPD)
Es ist ein Erfolg, dass wir die Betroffenen in den Kraftwerken nicht alleine lassen, sondern sie auffangen durch das Geld, was wir geben; auch soziale Härten werden durch das Anpassungsgeld abgefedert.
(Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stellt niemand infrage!)
Es ist auch ein Riesenerfolg, dass dieses Gesetz natürlich nichts zementiert. Vielmehr werden wir 2022, 2026, 2029 und 2032 jeweils überprüfen, wie weit wir sind. Auch das ist Flexibilität, die ein solches Gesetz braucht.
(Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2023 ist gestrichen!)
Ich will noch einmal sagen: Der Weg der SPD ist immer das Gemeinsame. Vor über 150 Jahren haben sich Leute zusammengetan, weil sie wussten: Die großen Herausforderungen kann man nicht alleine bewerkstelligen. – Deswegen war es richtig, die Kohlekommission aus ganz unterschiedlichen Gruppen zu bilden: mit Greenpeace, mit den Gewerkschaften, mit der Industrie.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum halten Sie sich nicht daran?)
Jetzt sage ich, Oliver Krischer: Gucken wir uns mal an, was wir heute beschließen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Zu den Punkten, die die Kommission vorgelegt hat: Die Abschaltquoten für 2022 werden eingehalten, die für 2030 werden eingehalten.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hilft doch nicht, das Schönreden!)
Auch die Kommission hat gesagt – in einem schwierigen Kompromiss; aber mit der Zustimmung aller, bis auf eine Region –, dass der späteste Ausstieg 2038 sein soll. Natürlich gibt es die Option, vorzeitig auszusteigen, im Braunkohlebereich sogar drei Jahre früher entschädigungsfrei. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Umsetzung des Grundgedankens dieser Kommission.
(Beifall bei der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das 65-Prozent-Ziel hinsichtlich der erneuerbaren Energien verankern wir das erste Mal gesetzlich. Richtig ist, dass wir zwischen 2022 und 2030 noch nachbessern müssen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede spricht für sich!)
Das Innovationsprojekt, das vielen wichtig war, fehlt. Aber ich bin sehr guten Mutes, dass wir beispielsweise mit Moorburg ein Pilotprojekt schaffen, um Wasserstoff als eine Energie der Zukunft Mitte der 20er-Jahre zum Leben zu erwecken. Dann hätten wir genau diesen Pfad tatsächlich gewährleistet.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage ganz bewusst an diejenigen, die jetzt gleich sagen werden, das wäre durch einen CO
(Zurufe von der FDP)
Das war alles andere als sicher. Der größte Batzen, den wir heute aufwenden, ist für die Region und für die Menschen, nicht für die Konzerne.
(Tino Chrupalla [AfD]: So ein Quatsch!)
Ich sage Ihnen: Große Transformation geht nur, wenn wir einen starken Staat haben, der diese Entwicklung auch mit auffängt. Insofern, glaube ich, gehen wir heute einen historischen Schritt.
Aber die Arbeit beginnt jetzt erst;
(Christian Dürr [FDP]: Die Menschen sind zu doof! Innovation, das muss der Staat machen! Was ist das denn für eine Politik? Das ist ja irre!)
denn dieser ganze Ausstiegspfad kann nur gelingen, wenn wir gleichzeitig das erneuerbare Zeitalter noch viel stärker voranbringen.
(Christian Dürr [FDP]: Null Zutrauen in die Menschen! Null!)
Insofern: Wir können uns überhaupt nicht zurücklehnen; es geht weiter. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Dies ist ein Erfolg dieser Großen Koalition.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Martin Neumann, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7456040 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg |