03.07.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 24

Detlev SpangenbergAfD - Digitalisierung im Gesundheitswesen, Datenschutz

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Digitalisierung ist grundsätzlich ja eine Art Hilfswissenschaft für die Gesellschaft. Sie darf aber nicht zum Beherrscher der Bürger werden, meine Damen und Herren. Das sollte als Grundsatz gelten.

Schauen wir uns einmal an, was hier vorgesehen ist. Ich gehe zuerst auf die Praktikabilität ein. Die Einführung umfasst ja viele Aspekte: die Thematik Infrastruktur; die elektronische Vernetzung zwischen Leistungserbringern und Gesundheitswesen; das Ziel, eine elektronischen Patientenakte zu installieren; die Schaffung der Möglichkeit, medizinische Notfälle schneller erkennen und handeln zu können, Rezepte elektronisch zu versenden und ausgeben zu können. Aus unserer Sicht wird dieser Anspruch durch das von der Bundesregierung vorgelegte Patientendaten-Schutz-Gesetz nicht oder höchstens nur unzureichend erfüllt bzw. kommt ihm nicht nach.

Die Anwendung und Nutzung der Elektronik im Gesundheitswesen wird von sehr vielen skeptisch gesehen. Dieses System muss aus unserer Sicht so gestaltet sein, dass es quasi ein Laie bedienen kann. Das ist eine kaum zu realisierende Notwendigkeit. Was ist mit den Menschen, die sich nicht mit solch einem System beschäftigen wollen oder können? Die derzeitige Freiwilligkeit, das System zu nutzen, nutzen zu können, führt zwangsläufig dazu, dass es auch weiterhin nichtdigitale Anwendungen geben muss.

Der Vorschlag, dass der Patient dann in den Arztpraxen an einem Monitor seine Akte einsieht bzw. mit dieser arbeitet, ist aus unserer Sicht weltfremd und zeigt, dass dieser Vorschlag von Leuten kommt, die den Alltag in den Praxen nicht kennen, meine Damen und Herren. Soll sich vielleicht ein Mitarbeiter oder gar der Arzt selbst mit dem Patienten an den Monitor setzen und die Akte durchgehen? Das ist arbeitszeitmäßig und technisch nicht zu machen. Einen Nutzen wird es – so sagen es viele – kaum geben. Die Entscheidungsmöglichkeiten des Patienten führen auch dazu, dass eine unvollständige Akte das Lesen dieser Akte erschweren kann.

Kritik gibt es in vielen Einzelheiten vonseiten verschiedener Sachverständiger und von Verbänden. Anreize und Angebote kommen zu kurz, so die Kritik. Fristen, Strafen oder Sanktionen durchzuziehen, ist auch nicht der richtige Weg. Besonders trifft es mal wieder die Ärzte, die Praxen oder die Krankenhäuser. Die Bundesärztekammer hat in der Stellungnahme zur Anhörung vom Mai 2020 die Sanktionsandrohungen kritisiert:

Die Besorgung der notwendigen Komponenten und Dienste für den Zugriff auf die elektronische Patientenakte wird für einen Vertragsarzt unter Androhung einer Honorarkürzung verpflichtend, obwohl er die rechtzeitige Belieferung wie auch die mengenmäßige Verfügbarkeit der für die ePA

– elektronische Patientenakte –

benötigten Konnektoren sowie angepasster Praxisverwaltungssysteme nicht beeinflussen kann.

So die Bundesärztekammer.

Meine Damen und Herren, man begeht hier wieder den gleichen Fehler wie in den vergangenen Jahren mit § 291 SGB V, als man zu kurze Fristen für Praxen zur Anschaffung und Anschluss der Telematikinfrastrukturkonnektoren mehrmals verlängern musste, weil diese nicht haltbar waren. Die Forderung der Bundesärztekammer ist, die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Sanktionen ersatzlos zu streichen.

Für Menschen ohne Smartphone und Tablet und diejenigen, die solche Geräte für diesen Zweck nicht nutzen wollen, ist das Projekt augenscheinlich nicht konzipiert. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bemängelt, es sei von einem praxisfernen Nebeneinander verschiedener Systeme und von einer Zunahme des Aufwands statt einer Entlastung auszugehen.

Ich gehe einmal auf die Sicherheit ein. Der Chaos Computer Club stellt in seiner Stellungnahme fest, „dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht geeignet ist, die diagnostizierten Mängel sowie die ursächlichen Fehlanreize abzustellen“. Kritik wird hauptsächlich geübt an der elektronischen Gesundheitskarte. Diese würde „weiterhin unsicher und ohne zuverlässige Identitätsprüfung an die Antragsteller ausgegeben“. Statt die Sicherheitsmängel abzustellen, würden diese nun sogar gesetzlich festgeschrieben. Die Begründung des Chaos Computer Clubs ist: Die elektronische Gesundheitskarte ist nach § 291 SGB V, also nach geltendem Recht, schon jetzt „als Schlüssel bzw. als Authentisierungsinstrument für den Zugriff auf besonders schützenswerte Gesundheitsdaten auszugeben“. Dies sei in der jetzigen Praxis nicht erfüllt. Mit den neuen Regeln in § 336 Absatz 5 würde das geforderte Sicherheitsniveau deutlich abgeschwächt. Diese Verpflichtung zur Sicherung der Identifikation des Versicherten entfiele. Die Ausgabe der Authentisierungsmittel wird nicht mehr auf hohem Vertrauensniveau vorgeschrieben. – Das ist die Kritik.

Bereits durchgeführte erfolgreiche Angriffe auf die Telematikinfrastruktur haben demonstriert, dass es Mängel gibt. Sie sind sehr gefährlich. Meine Damen und Herren, denken Sie bitte einmal an das Arbeitsrecht. Wenn es wirklich möglich ist, auf solche Daten zuzugreifen, wenn zum Beispiel ein großer Konzern auf diese Daten zugreifen kann: Was wird dann mit einer Einstellung? Der Arbeitgeber wird nie etwas sagen. Aber diese Menschen haben keine Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen, wenn eine gewisse elektronische Akte dort landet und man weiß, was für Krankheiten ein Mensch schon hatte und dass er anfällig ist.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, der Chaos Computer Club spricht auch von Verantwortungslosigkeit und schlägt vor, eine unabhängige zentrale Stelle solle für die Informationssicherheit verantwortlich sein. Wie IT-Experten bei einer Tagung des Chaos Computer Clubs im Dezember 2019 gezeigt haben, ist es möglich, mit wenig Aufwand und krimineller Energie an einen Heilberufeausweis, einen Konnektor oder eine elektronische Gesundheitskarte zu gelangen.

Weiteres zur Sicherheit. Wenn man über netzbasierte Lösungen nachdenkt, dann muss man sagen, dass allenfalls eine Nutzung über die sogenannte Blockchain infrage kommt. Dies wird zurzeit in Karlsruhe erprobt. Daran wird seit dem 2. März 2020 geforscht. Wenn man sich dieses System näher anschaut, wäre das vielleicht eine Möglichkeit, über die Sicherheitsaspekte noch einmal nachzudenken.

Wie soll ein Arzt den ordnungsgemäßen Anschluss seiner Technik überprüfen? In der Vergangenheit gab es einige Vorfälle, bei denen der Konnektor von IT-Experten falsch angeschlossen wurde. Wie soll dann ein Arzt als technischer Laie das sicherstellen und überblicken, ob das gesamte System in seiner Praxis – Geräte und Programme – richtig arbeitet und ob er immer aktualisierte Daten hat? Die Praxen werden nun wieder – so die Kritik – in die Verantwortung genommen für die Datensicherheit sowie für Fehlerfreiheit und Aktualität komplexer, dezentraler technischer Systeme, deren Zustand sie nicht allein in ihrer Hand haben oder überschauen können. Es ist unserer Ansicht nach nicht verantwortbar und keinesfalls sicher, sensible Patientendaten im Internet zentral speichern zu wollen. Cloud-Lösungen sind dafür nicht tauglich, so die Meinung.

Ärzte und Ärztevereinigungen sagen, dass sie für die Patientendaten, die bei ihnen sicher aufbewahrt werden müssen, keine Gewähr übernehmen können, und sehen die Gefahr, dass sie gezwungen werden könnten, unter bestimmten Umständen Patientendaten freizuschalten; diese Meinung kam auf. Das Anlegen des Notfalldatensatzes und dessen Pflege würden hauptsächlich an ihnen hängen bleiben, genauso wie die Verantwortung für die elektronische Patientenakte.

Insgesamt ist zu bemängeln, dass die gesamte Konzeption des vorliegenden Gesetzentwurfs – auch die elektronische Überweisung – ganz auf mobile Endgeräte gestützt ist, wie Smartphones, Tablets und ähnliche Geräte.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Diese Geräte sind unter dem Aspekt der Datensicherheit nicht besonders geeignet.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Letzter Satz. – Zusammenfassend ist festzustellen: Wenn so viel Kritik von vielen Seiten kommt, ist zu empfehlen, dieses Projekt noch einmal gründlich zu überdenken, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Dirk Heidenblut.

(Beifall bei der SPD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7456075
Wahlperiode 19
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Digitalisierung im Gesundheitswesen, Datenschutz
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