03.07.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 29

Christoph MatschieSPD - Deutscher Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir anlässlich des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat hier noch einmal über die Friedens- und Sicherheitspolitik diskutieren. Aber es ist auch klar: Die Aufgabe, Friedens- und Sicherheitspolitik zu betreiben, reicht natürlich weit über den Sicherheitsratsvorsitz hinaus. Unsere Politik muss dabei zwei Grundsätzen folgen:

Zum Ersten. Wir wollen mit unserer Friedens- und Sicherheitspolitik multilaterale Lösungen unterstützen und multilaterale Institutionen stärken.

Zum Zweiten. Wir als Land mit einem starken politischen und ökonomischen Gewicht werfen dieses Gewicht in die Waagschale, wenn es darum geht, internationale Konflikte zu lösen; das wird auch weltweit anerkannt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Werte Kolleginnen und Kollegen, da scheut die Bundesregierung auch vor heißen Eisen nicht zurück. Der Bundesaußenminister ist vor wenigen Tagen in Israel gewesen wegen der komplizierten Frage der Annexion in den besetzten Gebieten und hat versucht, hier eine klare Position deutlich zu machen. Diese Annexion wäre aus unserer Sicht völkerrechtswidrig, und die Bundesregierung arbeitet mit vielen anderen gemeinsam daran, dass diese Annexion möglichst vermieden wird.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Andreas Nick [CDU/CSU])

Ich will an dieser Stelle auch – weil Sie das angesprochen haben – an die Libyen-Konferenz erinnern. Auch hier hat die Bundesregierung in einer völlig verfahrenen Situation die Initiative mit der Berlin-Konferenz ergriffen und alle an einen Tisch gebracht. Es ist klar: Der Erfolg ist noch nicht da, und wir müssen weiter darum werben.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Waffenlieferungen stoppen!)

Aber genau das tut die Bundesregierung. Wir lassen eben nicht locker in dieser Frage und versuchen, eine politische Lösung zu finden.

(Zuruf des Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD])

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch, Herr Hampel, an andere, schon lange währende Bemühungen, bei denen die Bundesregierung ganz vorne versucht, Lösungen zu entwickeln, nämlich im Ukraine-Konflikt. Auch dort ist das Bohren dicker Bretter angesagt, genauso wie in vielen anderen Konflikten. Die Bundesregierung hat immer wieder neue Initiativen ergriffen, um hier voranzukommen; die Liste ließe sich fortsetzen.

Auch bei den globalen Friedensfragen ist die Bundesregierung aktiv. Der Sicherheitsrat hat seit acht Jahren auf unsere Initiative hin das erste Mal wieder über atomare Abrüstung diskutiert. Alle fünf ständigen Mitglieder – wie Sie wissen: Atomwaffenstaaten – haben sich noch einmal nachdrücklich dazu bekannt, dass der Nichtverbreitungsvertrag eingehalten werden muss. Dazu gehört auch die Verpflichtung der Atomwaffenstaaten, abzurüsten. Diese Verpflichtung ist anerkannt und damit die Debatte wieder in Gang gesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn damit noch kein Abrüstungsschritt erreicht ist – Sie wissen, wie schwierig solche Verhandlungen sind –, ist es doch wichtig, immer wieder diese Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Das Auswärtige Amt hat übrigens im März vergangenen Jahres auch eine internationale Konferenz in Berlin abgehalten, wo es um neuartige Waffensysteme, zum Beispiel autonome Waffen, ging, um dafür zu sorgen, dass solche Waffen entweder verboten werden oder in Rüstungskontrollabkommen einbezogen werden.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dann müssen aber bewaffnete Drohnen dazugehören!)

Auch das ist ein wichtiger Schritt hin zum Frieden und zu einer friedlichen Lösung.

Wir müssen aber auch feststellen, dass der Sicherheitsrat in vielen wichtigen Fragen blockiert ist. Das hat auch mit der Rivalität der Großmächte zu tun. Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. In dem Krieg mit den wahrscheinlich schlimmsten Folgen aktuell, im Syrien-Krieg, hat Russland seit Beginn des Krieges 14-mal im Sicherheitsrat mit seinem Veto Sicherheitsratsresolutionen und Lösungen blockiert. Da kann die Bundesregierung natürlich appellieren, aber wenn wichtige Staaten wie Russland Veto einlegen, dann kommen eben keine Lösungen zustande.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Aber auch die gegenwärtige US-Administration untergräbt das Handeln der UN-Institutionen und schwächt dieses Handeln. Deshalb hat der Bundesaußenminister zu Recht, wie ich finde, eine Initiative gestartet, um eine Allianz der Multilateralisten auf den Weg zu bringen. Das ist am Anfang belächelt worden, aber es hat sich bewährt, gerade auch in der Covid-19-Krise. Die Allianz für Multilateralisten hat 60 Außenminister zusammengebracht, die mit ihrer Unterschrift unter einer gemeinsamen Resolution deutlich gemacht haben: Diese globale Gesundheitskrise kann nur gemeinsam bewältigt werden, und ein Impfstoff, der notwendig ist, muss allen gleichermaßen zur Verfügung stehen. – Damit wird Druck aufgebaut, auch auf die UN-Institutionen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Konfliktprävention ist ein aktives Thema für die Bundesregierung. Der Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheit ist vom Kollegen Nick hier schon angesprochen worden. Ich finde: Eine ganze Reihe der Forderungen im Antrag der Linken ist von der Bundesregierung längst aufgegriffen, wird längst bearbeitet.

Ein Teil Ihrer Forderungen, muss ich aber auch sagen, steckt in einem nationalen Denken und in nationalen Lösungen fest. Sie fordern auf der einen Seite immer die Stärkung der Organisationen der Vereinten Nationen und des UN-Sicherheitsrates, aber Sie haben noch bei jedem Peacekeeping-Mandat der Vereinten Nationen gegen eine deutsche Beteiligung gestimmt. So kann man die UN eben nicht stärken, und so kann man Frieden nicht sichern.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Doch! Man kann sie zivil stärken!)

Werte Kollegin Hänsel, ich kann Ihnen das nicht ersparen: Diesen Konflikt müssen Sie in Ihrer Fraktion irgendwann mal auflösen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein! Den müssen Sie lösen! Gewaltverbot zwischen den Nationen!)

Denn deutsche Außenpolitik darf nicht national isoliert gedacht werden. Außen- und Friedenspolitik muss europäisch gedacht und konzipiert sein, sie muss die internationalen Organisationen stärken, und sie muss vor allem eben auch reale Machtverhältnisse im Blick behalten. Denn nur so kann kluge Außenpolitik erfolgreich sein. Daran gemessen greift der Antrag der Linken leider zu kurz und an manchen Stellen auch, offen gesagt, ziemlich daneben. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aha! So, so!)

Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Lechte, FDP.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7456155
Wahlperiode 19
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Deutscher Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat
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