09.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 172 / Zusatzpunkt 1

Fabio Valeriano Lanfranco De MasiDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute erneut über Cum/Ex-Geschäfte – den größten Steuerraub der Geschichte. Dabei werden Aktien hin- und hergeschoben und Steuern erstattet, die nicht bezahlt wurden. Das war und das ist kriminell!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU] und Christian Dürr [FDP])

Gerade eben sagten uns Experten in einer Anhörung, diese Geschäfte liefen weiter und es wäre die Aufgabe eines Finanzministers der Bundesrepublik Deutschland, diesem Treiben ein Ende zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Dürr [FDP])

Der Finanzminister sagt zwar, Cum/Ex sei eine Schweinerei, aber in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister öffnete er dem Warburg-Bankier Olearius mehrfach sein Amtszimmer. Darüber täuschte er wiederholt den Deutschen Bundestag.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Gegen Herrn Olearius wird im Cum/Ex-Strafprozess ermittelt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Herr Scholz führte aus, dass Herr Olearius ein Mann sei, der sich über die Jahrzehnte große Anerkennung in Hamburg erworben habe. Er hat Hamburg jedoch um mindestens 160 Millionen Euro Steuergelder betrogen. Wie viele Straftaten muss ich eigentlich begehen, bis ich einen Termin bei Olaf Scholz bekomme und er einen Blick auf meine Steuererklärung wirft, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP] – Dagmar Ziegler [SPD]: Unverschämt!)

Hamburg ließ 2016 Ansprüche gegenüber der Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro als Beute aus kriminellen Cum/Ex-Geschäften verjähren. 2017 schritt dann das Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble ein und zwang Hamburg, eine erneute Verjährung von Ansprüchen in Höhe von 43 Millionen Euro zu unterbinden. Herr Scholz traf sich am 10. November 2017 mit Herrn Olearius – an dem Tag, als die Weisung des Finanzministeriums per Post in Hamburg eintraf.

Der Hamburger Senat verschwieg dieses Treffen gegenüber meiner Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Herr Olearius jedoch schrieb Tagebuch,

(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Gott sei Dank!)

sogar über die Teppichfarbe im Büro von Herrn Scholz. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte seine Tagebücher, und so flog alles auf.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Seit Kurzem wissen wir: Es gab weitere Treffen in 2016.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Kein Geheimnis!)

Wir befragten Herrn Scholz im März dieses Jahres im Finanzausschuss des Bundestages. Meine erste Frage war: Herr Scholz, haben Sie Herrn Olearius weitere Male getroffen? Er führte aus, es gebe nichts, was nicht bereits in der Presse gestanden habe, und das sei eben nur ein Treffen in 2017 gewesen. Herr Scholz hat die Unwahrheit gesagt. So einfach ist die Welt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum hat Herr Scholz die weiteren Treffen nicht offengelegt? Warum schrieb Herr Olearius in sein Tagebuch, Herr Scholz habe gesagt, er erwarte sogar, dass sich Herr Olearius in dieser Angelegenheit an ihn wende? Und warum kassierte der frühere Kollege Johannes Kahrs – Mister House of Kahrs – Parteispenden für die SPD von der Warburg-Bank?

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist schmutziges Cum/Ex-Geld. Warum zahlt die SPD Hamburg das Geld nicht zurück?

(Michael Schrodi [SPD]: Unverschämt! Unterstellungen! Nicht zu fassen!)

Meine Fraktion ist der Auffassung: Parteispenden von Unternehmen gehören verboten!

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist beschämend! – Michael Schrodi [SPD]: Solch ein Blödsinn! Unmöglich!)

Wenn in Hamburg nur das Finanzamt und nicht die Politik entschied, warum nahm Herr Scholz dann mitten im Steuerverfahren ein Schreiben der Warburg-Bank an das Finanzamt entgegen? Warum rief Herr Scholz Herrn Olearius sogar an und trug ihm auf, er solle dieses Schreiben ohne weiteren Kommentar an den damaligen Finanzsenator Tschentscher weiterreichen? Wenige Tage später entschied die Finanzverwaltung, die Ansprüche auf die Cum/Ex-Millionen verjähren zu lassen. Warum sagte Herr Scholz nicht: „Ich bin nicht der Postbote, wenden Sie sich bitte an das Finanzamt“?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP])

Lieber Kollege Schrodi, unanständig ist es,

(Michael Schrodi [SPD]: Das sind Sie, Herr De Masi, mit Ihren Unterstellungen! Sie verdrehen die Tatsachen!)

Warburg-Parteispenden anzunehmen von einer Bank, die die Hamburger Steuerzahler um 160 Millionen Euro erleichtert hat. Das ist unanständig, lieber Kollege!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, also auch der Gewerkschaft der Finanzbeamten, sagt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Am 8. November 2017 wies das Finanzministerium Hamburg an – ein einmaliger Vorgang! –, die erneute Verjährung eines Anspruchs in Höhe von 43 Millionen Euro zu unterbinden. Zwei Tage später fand das Treffen von Herrn Scholz mit Herrn Olearius statt. Am 16. November 2017 gab es ein Krisentreffen zwischen Finanzministerium, den Ermittlern der Staatsanwaltschaft und der Finanzbehörde Hamburg.

Am 1. Dezember 2017 wies das Finanzministerium Hamburg ein zweites Mal an. Auch dies wurde auf Anfrage von mir mehrfach bestritten, bis sich das Finanzministerium verplappert hat. Warum ist das relevant? Weil sich keine Finanzbeamtin und kein Finanzbeamter über mehrere Wochen einer Weisung des Finanzministeriums widersetzt, Ansprüche in Höhe von zig Millionen an Steuergeldern für ihre Stadt nicht verjähren zu lassen, ohne politische Rückendeckung zu haben. Das können Sie meiner Großmutter erzählen!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP] – Michael Schrodi [SPD]: Die sieht das wahrscheinlich rationaler! – Dagmar Ziegler [SPD]: Die ist wahrscheinlich intelligenter als Sie!)

Sie müssen selbst wissen, ob Sie mit diesem Rucksack den Wahlkampf bestreiten wollen. Sie müssen selbst wissen, wem Sie in diesem Land zu dienen haben: den Steuerzahlern, den Menschen, die jetzt in der Coronakrise um ihre Existenz kämpfen, oder den Ganoven im Nadelstreifen. Wir wünschen uns andere politische Mehrheiten in diesem Land, aber wir werden Sie in dieser Angelegenheit nicht schonen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist Verleumdung!)

Vielen Dank, Fabio De Masi. – Nächster Redner: für die Fraktion der CDU/CSU Fritz Güntzler.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468645
Wahlperiode 19
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
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