09.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 172 / Zusatzpunkt 1

Florian ToncarFDP - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im ganzen großen Komplex Cum/Ex, von dem viele sagen: „Es war eine Form organisierter Kriminalität“, bildet der Steuerfall Warburg schon einen ganz besonderen Fall, weil anders als bei anderen Fällen hier die Interaktion mit dem Finanzamt und auch die Frage der Rückforderung von ganz anderer Qualität waren als sonst. Deswegen müssen wir darüber hier heute reden.

(Beifall des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])

Es geht bei der Diskussion über den Steuerfall Warburg um 90 Millionen Euro kriminell erlangtes Geld: 47 Millionen Euro, um die es 2016 ging, und noch mal 43 Millionen Euro im Jahr 2017. 47 Millionen Euro wurden von der Finanzbehörde in Hamburg nicht zurückgeholt, obwohl man das hätte tun können. 43 Millionen Euro wurden von der Finanzbehörde Hamburg allein deshalb zurückgeholt, weil das Bundesfinanzministerium im Wege der Weisung, die mehrfach wiederholt und betont werden musste, sie mehr oder weniger dazu gezwungen hat, das Geld zurückzuholen.

Deswegen, Herr Minister Scholz, muss ich schon sagen, auch nach den neun Minuten, die Sie heute hatten: Nichts von dem, was Sie über die Bekämpfung von Steuerbetrug gerade eben gesagt haben, wurde in Hamburg zu Zeiten Ihrer Verantwortung praktiziert,

(Christian Dürr [FDP]: Richtig!)

sondern das glatte Gegenteil, und diesen Teil haben Sie eben verschwiegen.

(Beifall bei der FDP, der AfD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Ich frage mich schon: Wie wollen Sie eigentlich glaubwürdig in Ihrer heutigen Position über das Thema „Bekämpfung von Steuerbetrug“ sprechen, wenn Sie eine solche Historie hier in das Amt mitgebracht haben? Millionen Steuerpflichtige werden von den Finanzbehörden extrem genau geprüft: Kleine Betriebe, Selbstständige, Handwerker, der Mittelstand, da wird zum Teil über Jahre hinweg über die Veranlagung diskutiert, intensivst. Und ein Durchschnittsverdiener, ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin mit Durchschnittseinkommen zahlt 36 Prozent Grenzsteuersatz – brav, weil es da kaum Ausweichmöglichkeiten gibt; da kann man kaum irgendwo was sparen, was geltend machen, ganz, ganz wenig. Die zahlen das alle, jedes Jahr aufs Neue.

Das Vertrauen all dieser Menschen in die gerechte steuerliche Veranlagung, das leidet nicht nur, das wird zerstört, wenn es andererseits möglich ist – auf welche Weise auch immer und wer auch immer dafür verantwortlich war –, dass eine Warburg-Bank kriminell erlangtes Geld nicht zurückzahlen muss. Das zerstört viel. Es geht um viel mehr als nur um die 90 Millionen Euro oder 47 Millionen Euro. Da geht Vertrauen verloren in die Redlichkeit der steuerlichen Veranlagung.

(Beifall bei der FDP, der AfD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir uns auch mit dem auseinandersetzen, was in der Tat ein beschuldigter Herr Olearius in seinen Tagebüchern notiert hat. Das ist alleine noch kein Beweis; aber es sind eben doch fundierte Aussagen aus seiner Perspektive, die man nicht vom Tisch wischen kann. Ich will nur sagen: Man kann zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, wo wir heute stehen, aber dieses Tagebuch liegt der Staatsanwaltschaft vor. Möglicherweise wird es eines Tages auch als glaubwürdig und beweisgeeignet vor Gericht eingeschätzt und im Gerichtsverfahren verwendet werden. Ein Gericht wird möglicherweise am Ende auch eine Aussage über die Glaubhaftigkeit des Tagebuchs treffen, indem es Aussagen verwertet oder nicht. Das können wir heute noch nicht sagen; das hat die Justiz alleine zu entscheiden. Aber wir werden das beobachten, und wir werden, je nachdem, was die Justiz zu diesem Tagebuch sagt, unsere Rückschlüsse auf dessen Inhalt ziehen.

Einige Dinge, die darin stehen, sind übrigens heute von Ihnen bestätigt worden, Herr Minister. Sie haben die Treffen als solche bestätigt – nur nicht den Inhalt –, und Sie haben auch bestätigt, dass der SPD-Mann Pawelczyk – in Hamburg eine Instanz in der SPD – Sie auf das Thema Warburg und auf den Warburg-Fall konkret angesprochen hat. Was ist das anderes als der Versuch, einen politischen Verantwortungsträger zu beeinflussen, wenn man ihn auf den Fall anspricht?

(Dagmar Ziegler [SPD]: Aber ob er sich beeinflussen lässt, ist doch die Frage!)

– Es ist offensichtlich ja zumindest der Versuch beschrieben worden.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Und wenn man einen inneren Kompass hat?)

Jedenfalls ist es keine Konstruktion, hier nachzufragen.

(Michael Schrodi [SPD]: Sie schließen von sich auf andere! Dann hätte es vielleicht Erfolg gehabt! – Dagmar Ziegler [SPD]: Aber Mövenpick! – Gegenruf des Abg. Christian Dürr [FDP]: Das sind alles Sozialdemokraten übrigens: Herr Kahrs, Herr Scholz!)

– Die Nervosität in der SPD-Fraktion nimmt an dieser Stelle zu.

(Michael Schrodi [SPD]: Ja, ja! Sie schließen von sich auf andere! Das ist Ihr Problem!)

Es gab – ich kann nur wiederholen – ein Gespräch mit dem SPD-Urgestein Pawelczyk, bei dem er offensichtlich Herrn Scholz auf diesen Sachverhalt angesprochen hat.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Mit Mövenpick, welche Einflussnahme war denn da auf Sie gegeben? Also, Sie haben sie doch nicht mehr alle! – Gegenruf des Abg. Christian Dürr [FDP]: Das ist ja ein spannender Vergleich!)

Das ist etwas, was doch auf den Versuch von Einflussnahme hindeutet.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Mövenpick! Mövenpick! – Gegenruf des Abg. Christian Dürr [FDP]: Sehr interessanter Vergleich!)

Nun wäre es ja auch möglich gewesen, etwas dazu zu sagen, was denn bei den Gesprächen zwischen Herrn Scholz – –

So, jetzt ist Herr Dr. Toncar dran.

Frau Präsidentin, ich sehe das der SPD nach; denn ich weiß ja, warum sie bei dem Thema so empfindlich und nervös ist.

(Michael Schrodi [SPD]: Weil Sie Unsinn reden, genau! – Dagmar Ziegler [SPD]: Weil Sie Quatsch machen! – Gegenruf des Abg. Christian Dürr [FDP]: Getroffene Hunde bellen!)

Jedenfalls, Herr Minister Scholz, möchte ich eines festhalten: Sie haben jetzt im Finanzausschuss dazu ausgesagt, was Sie wissen, und sich heute in der Regierungsbefragung und gerade eben dazu geäußert. Ich unterstelle, dass das, was wir inzwischen von Ihnen erfahren haben, vollständig ist und dass wir nicht auf weitere Dinge stoßen, die Ihnen bekannt waren, die aber bisher nicht genannt worden sind. Das ist, glaube ich, auch eine Frage des Respekts vor parlamentarischen Institutionen.

Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, auf der gegenwärtigen Grundlage den Minister weiter zu befragen. Aus meiner Sicht liegt der Ball jetzt ganz klar in Hamburg und dort in der Bürgerschaft. Meine Aufforderung an die Christdemokraten in der Bürgerschaft ist, nunmehr den Weg frei zu machen, um eine parlamentarische Untersuchung in die Wege zu leiten. Es ist vom Hauptbeteiligten dieses Vorgangs genug gehört worden. Jetzt ist es so weit, dass Hamburg untersuchen muss; dort gehört der Fall hin. Ich fordere die Christdemokraten auf, den Weg für die Aufklärung frei zu machen.

Und ich fordere Sie auf, schnell – aber wirklich schnell! – zum Ende zu kommen.

Jawohl. Danke, Frau Präsidentin. – Ganz egal, wer nachher welche Entscheidung getroffen hat – wir wissen das heute noch nicht –: Die Person, die für die Entscheidungen in der Causa Warburg verantwortlich ist, muss auch mit Konsequenzen rechnen, egal ob das beamtenrechtliche oder am Ende politische sind. Das wird die Aufklärung zeigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Dr. Toncar. – Die nächste Kollegin ist eine Rednerin: Lisa Paus für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468649
Wahlperiode 19
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
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