Michael SchrodiSPD - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde stehen bisher nicht die belegbaren Fakten im Mittelpunkt, sondern gefühlte Wahrheiten, Spekulationen, teils auch unverschämte Unterstellungen. Deshalb erst einmal zurück zur Sachebene. Vier Feststellungen: Erstens. Cum/Ex war kriminell; das war immer Betrug. Zweitens. Cum/Ex war immer illegal; es gab keine Gesetzeslücke. Drittens. Mit der Regelung 2012 wurden letzte Cum/Ex-Praktiken unterbunden. Viertens. Die juristische Aufarbeitung – das ist die gute Nachricht – ist in vollem Gange. Es gibt zahlreiche Verfahren; es gibt erste Verurteilungen. 1,1 Milliarden Euro wurden gesichert. Es ist gut, dass das funktioniert und dass wir das auf den Weg gebracht haben.
(Beifall bei der SPD)
Wir als SPD-Fraktion wollen gemeinsam mit Olaf Scholz noch mehr, nämlich zum Beispiel eine Meldepflicht für nationale Steuergestaltung. Ich bin gespannt, ob sich Union und FDP bewegen werden, um das anzugehen.
(Beifall bei der SPD)
Zu dieser Aktuellen Stunde gibt es ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis. Bereits kurz vor der Hamburg-Wahl dieses Jahres gab es Meldungen über Gespräche zwischen Vertretern der Warburg-Bank und dem damaligen Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz. Dabei wurde der Eindruck erweckt, es habe eine direkte, unzulässige Einflussnahme auf ein Steuerverfahren gegeben. Letztlich musste man, sowohl die Presse als auch die Vertreter der Parteien, einräumen, dass es dafür keinen einzigen Beleg gab.
(Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig!)
Vielmehr hat die Steuerverwaltung in Hamburg erklärt: Es hat keine Versuche gegeben, politisch auf Entscheidungen der Steuerverwaltung Einfluss zu nehmen. – Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!
(Beifall bei der SPD)
Kurz nach der Kür von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten wird das nun wieder aufgewärmt. Gibt es jetzt eine neue Faktenlage? Das ist doch die Frage.
(Christian Dürr [FDP]: Er hat zum ersten Mal die Treffen eingeräumt, die Treffen in 2016!)
Gibt es eine andere Faktenlage als die vor einem halben Jahr, wo alles im Grunde erledigt war?
(Christian Dürr [FDP]: Er hat doch die Unwahrheit gesagt!)
– Nein, eben nicht.
(Christian Dürr [FDP]: Natürlich!)
Olaf Scholz hat Gespräche geführt – natürlich, wie auch wir das tun – mit Vertretern von Gewerkschaften, Umweltverbänden, der Wirtschaft und auch der Banken. Er hat auch Gespräche mit Vertretern der Warburg-Bank geführt. Aber aus den Tagebuchaufzeichnungen schlussfolgern jetzt Medienvertreter und die Opposition, die das befeuert, die Warburg-Bank habe offenbar versucht, Einfluss auf die Hamburger Regierung zu nehmen. Und wieder wird der Eindruck erweckt, dieser Versuch sei erfolgreich gewesen.
(Christian Dürr [FDP]: Herr Schrodi, das ist peinlich! Ich meine, die ganze SPD ist peinlich!)
Genau wie vor einem halben Jahr gibt es selbstverständlich keinen einzigen Beleg dafür. Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD)
Deshalb noch einmal – noch einmal; da können Sie so lange rumzetern, wie Sie wollen –: Es gibt keine Belege. Es sind Spekulationen, Vorwürfe, Unterstellungen; aber es gibt nirgendwo einen Beleg.
(Christian Dürr [FDP]: Das einzige Bundesland, das nicht gefordert hat, ist Hamburg! Das ist doch ein Faktum!)
Noch einmal: Es gab keine politische Einflussnahme auf Entscheidungen der Steuerbehörden. Finanzbehörden arbeiten unabhängig. Sie arbeiten und urteilen nach der geltenden Rechtslage. Es gibt keine neue Faktenlage.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Was passiert hier tatsächlich?
(Christian Dürr [FDP]: Wie viele Bundesländer haben so gehandelt wie Herr Scholz?)
Solch eine parteitaktisch motivierte Anschuldigung fällt auf uns alle zurück, auch auf Sie von der Opposition.
(Christian Dürr [FDP]: Nur auf Sie! Nur auf die SPD!)
Auch andere Bürgermeister, Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten oder Bundesminister, auch von den Oppositionsparteien, führen solche Gespräche.
(Christian Dürr [FDP]: 15 Bundesländer haben anders gehandelt!)
Auch Bodo Ramelow führt Gespräche mit Wirtschaftsvertretern.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Aber wir nehmen keine Spenden von Unternehmen! Das ist bei uns verboten!)
Auch ein grüner Ministerpräsident führt zurzeit, in der Zeit des Abgasskandals, Gespräche mit Daimler.
(Christian Dürr [FDP]: 15 Bundesländer, Herr Schrodi!)
Ich würde es kritisieren, wenn Bürgermeister, Ministerpräsidenten das nicht täten. Sie müssen Gespräche führen mit Vertretern von Banken, aus der Wirtschaft, von Umweltverbänden.
(Christian Dürr [FDP]: Was soll das denn jetzt? Herr Weil hat auch mit Herrn Winterkorn geredet!)
Im Gegenteil: Es würde kritisiert werden, täte man das nicht.
Das, was Sie aber unterstellen, ist – das ist der Unterschied –, dass das Einfluss hat. Das hört sich dann folgendermaßen an: Die Enthüllungen nähren einfach das Gefühl – so lässt sich ein Politiker der Grünen zitieren –, dass gute Kontakte in die Politik eine rechtsstaatliche Bevorzugung ermöglichen. Dieser Fall ist Futter für die Wut auf die Eliten und nährt das Misstrauen in die Demokratie. – Nein, mit solchen Unterstellungen bedienen Sie Gefühle. Sie bestärken Vorurteile gegen sogenannte Eliten – das sind auch Sie –, ohne aber Belege zu liefern. Und dann beklagt man das Misstrauen in die Demokratie, das man selbst mit solch einer Nebelkerzenpolitik verursacht. Auch das verschlechtert und vergiftet das politische Klima in diesem Land.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Sie schüren Misstrauen!)
Herr Schrodi, kommen Sie bitte zum Schluss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen in diesen Zeiten vor großen Aufgaben.
(Christian Dürr [FDP]: Es ist die Aufgabe eines Politikers, die Wahrheit zu sagen!)
Wir müssen eine Wirtschaftskrise bekämpfen, eine Pandemie. Wir müssen die Jahrhundertaufgabe des Klimawandels bewältigen. Wir müssen die europäische Stabilisierung voranbringen. Diese Aufgaben zu bewältigen, das ist es, was die Menschen jetzt von uns erwarten, anstatt eines kleinen Karos mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Olaf Scholz konnte nicht die Wahrheit sagen! Es gibt den Klimawandel! Klimawandel und Weltfrieden waren wichtiger! Unfassbar!)
Vielen Dank, Michael Schrodi. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Jörg Cezanne.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7468653 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 172 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals |