09.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 172 / Zusatzpunkt 1

Andreas SchwarzSPD - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich beginnen mit einem abgewandelten Zitat des amerikanischen Schriftstellers Henry Louis Mencken. Er hat einmal gesagt: „Unmoral ist die Moral derer, die sich amüsieren.“ Und ich ergänze: auf Kosten des Steuerzahlers.

Amüsiert, zumindest für eine gewisse Zeit, meine Damen und Herren, haben sich diejenigen, die mit viel krimineller Energie ein Geschäftsmodell entwickelt haben, das nur ein einziges Ziel kannte: den Staat, und damit uns alle, zu betrügen. Wir reden heute hier wieder von den rechtswidrigen Cum/Ex-Geschäften. Hätte mich jemand vor einigen Jahren gefragt: „Was bedeutet Cum/Ex?“, hätte ich wahrscheinlich geantwortet, wie viele: „Zwei lateinische Wörter.“ – Dass sich hinter Cum/Ex aber Geschäftsmodelle verbergen, die mit Aktienleerverkäufen um den Dividendenstichtag eine mehrfache Erstattung einer nur einmal gezahlten Kapitalertragsteuer erzielen, musste ich mir im Untersuchungsausschuss in intensiver Einarbeitung näherbringen. Oder, wenn man es einfacher ausdrücken will: einmal Kapitalertragsteuer zahlen und sich mindestens zweimal oder noch mehr mit entsprechenden Steuerbescheinigungen ganz frech Steuern vom Staat erstatten lassen, die man gar nicht bezahlt hat.

Jeder ehrliche Mensch in diesem Land weiß: Das ist Betrug, und das ist im Prinzip, sonst hätte es nicht funktioniert, bandenmäßige Steuerhinterziehung, die hier in diesem Land gelaufen ist. Was für ein Geschäftsmodell!

Meine Damen und Herren, wer waren diese Kriminellen? Machen wir uns nichts vor: Solange es auf der Welt Regeln gibt, wird der Mensch immer versuchen, Regeln zu umgehen, und wenn es ums Geld geht, wird er mit Sicherheit sehr kreativ. Die, die sich hier am Steuergeld bedient haben, sind die, die sich auf Kosten der Allgemeinheit amüsiert haben, die uns alle hier betrogen und beklaut haben. Das waren keine Kleinanlegersparmodelle. Nein, es waren superreiche Menschen, wie wir im Untersuchungsausschuss zur Kenntnis nehmend durften. Es waren Banken, die sich eine Parallelwelt im Cum/Ex-Bereich geschaffen haben, und sie haben sich auch von der Solidargemeinschaft dieser Gesellschaft verabschiedet. Diese Geschäfte wurden im Prinzip auch nur unter dem Ladentisch gehandelt.

Um es mit den Worten meines ehemaligen Kollegen Uli Krüger zu sagen: „Gier frisst Seele und Anstand“, meine Damen und Herren. Ich verrate kein Geheimnis, dass in diesem Zusammenhang auch zahlreiche, angeblich ehrbare Wissenschaftler mit Gefälligkeitsgutsachten mitgemacht haben, um den Akteurinnen und Akteuren auf den Finanzmärkten zu suggerieren: Läuft alles im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. – Ja, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die wie wir hier auch regelmäßig einkaufen gehen, das ist ungefähr so, als wenn man den Tatbestand des Ladendiebstahls mit entsprechenden Rechtsgutachten so lange verdreht, bis nicht mehr der Dieb der Täter ist, sondern der Ladenbesitzer. Dies ist in höchstem Maße empörend und gehört in den Bereich der organisierten Kriminalität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits vor vier Jahren haben wir mit dem Cum/Ex-Untersuchungsausschuss dieses rechtswidrige Geschäftsmodell aufgeklärt und auf über 1 000 Seiten viele Verantwortliche beim Namen genannt. Und, meine Damen und Herren, es ist bis heute viel passiert, auch wenn man das im Hohen Hause nicht unbedingt zur Kenntnis nehmen will. Buchen wir einen Teil der Debatte heute auf Wahlkampf. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften ermitteln mit Hochdruck und versuchen, möglichst viele Täter dingfest zu machen. Wie wir feststellen: Sie haben auch Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aufgrund der Komplexität und sehr schwierigen Geschäftsstruktur von Cum/Ex-Modellen erfordert das nicht nur enormen Sachverstand, sondern es braucht auch viel Zeit. Ich weiß aber, dass unsere Behörden hier vehement und tatkräftig arbeiten, um die Täter ausfindig zu machen. An dieser Stelle auch einmal Dank dafür, dass der Vollzug der Gesetze in diesem Land funktioniert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zudem leisten Bund und Länder in den letzten Jahren Enormes, um zu Unrecht erstattete Steuern zurückzufordern. Die Summen haben wir schon gehört. Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, es war Norbert Walter-Borjans in seiner damaligen Funktion als nordrhein-westfälischer Finanzminister, der durch den Ankauf von Steuer-CDs einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dieses Steuerbetrugsmodell aufzudecken und diverse Tatverdächtige auch ausfindig zu machen. Welche Kritik durfte er sich in diesem Land aus mancher Reihe anhören, als er uns half, Steuerkriminalität zu bekämpfen!

Olaf Scholz jedenfalls – da seien Sie einmal ganz sicher –, meine Damen und Herren, unternimmt alles, um Cum/Ex-Geschäfte und ähnliche Gaunereien zu unterbinden und zu Unrecht gezahlte Steuerbeträge zurückzufordern. Das hat er Ihnen auch schon mehrfach plausibel dargelegt. Er macht –

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

– ich weiß – es nicht nur national, sondern auch international. Dafür unseren Dank!

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Das Amüsement der Unmoralischen muss ein Ende haben. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Es ist Schluss mit lustig.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Es macht sich bereit für die CDU/CSU der Kollege Sepp Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468657
Wahlperiode 19
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
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