09.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 172 / Zusatzpunkt 1

Sepp MüllerCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solange nichts bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung, und das gilt natürlich auch für den Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Dass sich natürlich die SPD – das ist auch ihr gutes Recht – für ihren Kanzlerkandidaten hier in die Bresche schmeißt, ist vollkommen verständlich. Aber wir als Abgeordnete in diesem Hohen Haus haben auch die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Da stellen sich doch schon einige Fragen im Fall der Warburg-Bank

(Marianne Schieder [SPD]: Verkehrsminister, das wäre eine Sache!)

mit Cum/Ex und dem damaligen Gebaren unseres jetzigen Bundesfinanzministers und damaligen Ersten Bürgermeisters.

Herr Schrodi, Sie hatten vorhin gesagt, es gebe keine neue Faktenlage. Doch. Die Faktenlage ist klar neu: Im Frühjahr und im Sommer dieses Jahres hat unser Bundesfinanzminister uns erklärt, er hätte sich ein Mal mit dem Vertreter der Warburg-Bank getroffen. Wie wir jetzt aus Medienberichten erfahren, gab es weitere Treffen und ein Telefonat. Just nach diesem Telefonat, drei Tage später, lässt die Hamburger Finanzbehörde 47 Millionen Euro zulasten des Hamburger Haushaltes verstreichen. Das sind Fragen, die geklärt werden müssen, Herr Scholz.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Welche Rolle haben Sie damals gespielt? Was haben Sie in diesem Telefonat mit Herrn Olearius und mit dem Vertreter der Warburg-Bank besprochen?

Wissen Sie, Herr Scholz, ich kann vollkommen verstehen, dass Sie als Regierender Bürgermeister viele Gespräche führen, und dass Sie deswegen Erinnerungslücken haben, was einzelne Gespräche angeht, weil es so viele sind, kann ich auch nachvollziehen. Aber wir reden hier von einer Größenordnung von 47 Millionen Euro. Ihr sozialdemokratischer Bürgermeisterfreund Michael Jahn aus Jessen hat sich bei mir und beim Kollegen Diaby aus der SPD-Bundestagsfraktion vehement dafür eingesetzt, dass er 2,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zur Sanierung seiner Turnhalle bekommt. Ich kann Ihnen sagen: Zehn Jahre später kann er sich immer noch an jedes einzelne Gespräch dazu erinnern, weil er traurig ist, dass er das Geld nicht bekommen hat. Für 47 Millionen Euro hätten wir 20 Schulen und Turnhallen in diesem Land, auch in der Hansestadt Hamburg, sanieren können. Lieber Herr Scholz, warum haben Sie darauf verzichtet? Diese Frage stelle ich mir schon.

Dann muss natürlich noch eine Frage aufgeklärt werden – ich hoffe, das wird die Hamburgische Bürgerschaft tun –: Wenn ein Jahr nachdem die Hamburger Finanzbehörde auf 47 Millionen Euro verzichtet hat, 46 000 Euro als Spende an die Hamburger SPD fließen, von der Bank, die 47 Millionen Euro behalten durfte. Das ist eine Frage, die müssen wir klären. Herr Scholz, das ist in Ihre Zeit nicht nur als Hamburger Bürgermeister, sondern auch als Landesvorsitzender der Hamburger SPD gefallen. Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Michael Schrodi [SPD]: Keine Fakten! Unterstellungen!)

Wenn Sie dann am Ende sagen: „Das sind Erinnerungslücken“, dann bin ich doch etwas verwundert, dass es bei solchen Beträgen Erinnerungslücken gibt.

(Michael Schrodi [SPD]: Wieder Unterstellungen! Keine Fakten!

Aber lassen Sie uns nicht nur die Vergangenheit debattieren. Wir haben uns mit Ihnen schon über das Thema einer eventuellen Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank unterhalten. Wir haben demnächst wahrscheinlich einen Wirecard-Untersuchungsausschuss. Wir unterhalten uns mit Ihnen über Cum/Ex und die Warburg-Bank. Getreu dem Motto von Altkanzler Schröder – der war ja der „Genosse der Bosse“ – wollen Sie anscheinend in die Geschichtsbücher eingehen als „Lenker der Banker“.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deswegen müssen wir uns die Frage stellen: Wie wollen wir, nicht nur was die Vergangenheit angeht, sondern zukünftig mit diesem Land umgehen? Sie wollen Spitzensteuersätze erheben und verzichten gleichzeitig auf 47 Millionen Euro. Lassen Sie uns doch in diesem Parlament endlich einmal über eine Unternehmensteuerreform reden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vorschläge von der Unionsfraktion liegen auf dem Tisch. Dieses Land ist wirtschaftlich am Rande, und Sie reden das teilweise herbei. Anstatt über eine Unternehmensteuerreform zu reden, reden Sie über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Lassen Sie uns doch über die Verkäuferin in Hamburg reden, die mit 2 600 Euro brutto so belastet ist, dass sie am Ende wegen Kurzarbeit teilweise gar nicht mehr ihre Miete des letzten Monats bezahlen kann.

(Marianne Schieder [SPD]: Die meinen Sie nicht mit Ihrer Steuerreform, lieber Herr Müller!)

Warum führen wir nicht solche Debatten, lieber Herr Scholz?

(Marianne Schieder [SPD]: Ich glaube nicht, dass bei Ihrer Unternehmensteuerreform die Verkäuferin bedient wird!)

Ich erwarte von einem Bundesfinanzminister, dass er solche Fragen beantwortet.

(Christian Dürr [FDP]: 47 Millionen Euro für eine Bank! Das ist die Steuerentlastung der SPD!)

Ich erwarte nicht von einem Bundesfinanzminister, dass er sich an jedes Detail eines Telefonats erinnert, nein. Aber wenn es um 47 Millionen Euro geht, um 20 Schulen und Turnhallen in diesem Land, dann erwarte ich schon, dass er diesem Parlament Rechenschaft abliefert und nicht von Erinnerungslücken spricht.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir kommen zum letzten Redner in der Aktuellen Stunde, und das ist der Kollege Lothar Binding für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468659
Wahlperiode 19
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
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