09.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 172 / Zusatzpunkt 1

Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals

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Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja Leute, die denken bei der heutigen Debatte an Wahlkampf. Das steht – das wollte ich nur mal sagen – überhaupt nicht zur Debatte. Es hat nichts mit Wahlkampf zu tun. Es geht um eine rein objektive Klärung der Verhältnisse.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch billig!)

– Ja, jeder merkt sofort, was ich gemeint habe. Wie kann überhaupt jemand darauf kommen, dass Wahlkampf eine Rolle spielt?

Ich wollte noch etwas zum Schutz verschiedener Leute sagen. Ich kenne Herrn Kretschmann gut. Der hätte alle Termine parat. Der erinnert sich an alles, auch der Volker Wissing aus Rheinland-Pfalz, auch der Lothar Binding aus Baden-Württemberg und auch der Kollege Güntzler. Wir hätten alle die Termine, die wir vor drei Jahren hatten, sofort und spontan parat. So viel will ich einmal zum Schutz unseres Erinnerungsvermögens sagen. Nur dass wir wissen, worum es geht; das ist schon klar.

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Sie behaupten aber nicht vorher, die Termine hätten nicht stattgefunden!)

Ich will noch etwas sagen: Ich kenne den Olaf Scholz ganz gut. Dem kann man bestimmt etwas vorwerfen. Aber was man ihm nicht vorwerfen kann, ist, dass er nicht mit den Leuten redet. Er redet übrigens auch mit einer Krankenschwester. Der redet auch mit einem Hafenarbeiter. Der redet auch mit einer Lehrerin, und der redet auch mit einem Banker. Wenn jetzt ein so richtig wichtiger Banker, der so richtig lobbyieren will, der so richtig seine Interessen durchsetzen will, zum Olaf Scholz kommt, dann sagt der Olaf Scholz: Geben Sie Ihr Papier mal bitte zum Finanzressort. – Dieser Lobbyist ist also total zufrieden und sagt: Der hat mich richtig gut bedient. Der hat gesagt: Geben Sie Ihr Papier zur Fachabteilung. – Da merkt man: Irgendwie muss der doch bei dem Olaf Scholz an eine Grenze gestoßen sein, die ihm nicht gefällt.

Übrigens: Es ist kein Geld verloren gegangen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Stimmt doch gar nicht! 47 Millionen Euro!)

Wir sehen heute: Der eine Teil, 43 Millionen Euro, ist zurückgezahlt, für den anderen, 47 Millionen, gibt es einen Rückforderungsbescheid. Der ist sozusagen ergangen, und da warten wir auf das Geld. Das ist also ganz normal rechtsförmlich abgearbeitet.

Und ja – das habe ich jetzt auch gelernt –, Olaf Scholz hat sich dreimal getroffen. Lisa Paus hat dann gesagt, er habe hinter den Kulissen auf Kosten des Gemeinwohls gekuschelt. Da frage ich mich, ob das wirklich stimmt.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um 47 Millionen Euro!)

– Woher weißt du, was da passiert ist? Ich weiß es nicht. Ich würde das in die Kategorie dessen stellen, was der Michael Schrodi eben gesagt ist: Es ist eine Unterstellung.

(Beifall bei der SPD)

Mir werden jeden Tag irgendwelche Vorschläge gemacht. Ich bekomme jeden Tag irgendwelche Forderungen – jeder weiß, von wem die kommen – aufgeschrieben. Manche meinen sogar, wir hätten Dinge verabredet, die sie mir nur erzählt haben. Die erzählen mir, gehen nach Hause und sagen: Das habe ich mit dem verabredet. – Ich habe gar nichts dazu gesagt. Also, auch das gibt es. Unternehmen, Banken, Versicherungen, Vereine und Verbände, alle tragen uns was vor. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.

Nun hat der Fabio De Masi auch was zitiert. Wir haben ein kleines Problem: Wir zitieren immer aus dem Tagebuch von einem, den wir gleichzeitig als den Betrüger bezeichnen. Wir zitieren also jemanden, der uns eigentlich möglicherweise auch keine gute Quelle ist. Jedenfalls gibt es dieses Tagebuch, und da steht drin, wann man sich getroffen hat.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Er hat es doch bestätigt!)

– Das hast du gut zitiert. – Was aber komischerweise nicht zitiert wird – auch in der Öffentlichkeit wurde das schon bewusst verschwiegen; das kann ich nachweisen –, ist, dass der Bürgermeister nicht hat erkennen lassen, welche Haltung er einnimmt. Was ist denn das für ein trauriger Tagebucheintrag?

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte ja sagen können, dass er das schlimm findet!)

Da gehe ich als Lobbyist irgendwohin, und der, den ich frage, der lässt nicht erkennen, was er denkt?

(Christian Dürr [FDP]: Da kommt ein Cum/Ex-Betrüger, und der sagt nicht mal Nein! Hätten Sie genauso gehandelt, Herr Binding?)

Das ist jedenfalls kein Zugeständnis, dass er mich unterstützt.

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Hätten Sie genauso gehandelt wie Herr Scholz?)

Jetzt hat jemand gesagt, er hätte ihm den Kopf waschen müssen. Jetzt möchte ich mal wissen, ob ein Gauner in sein Tagebuch schreibt: Der Bürgermeister hat mir den Kopf gewaschen. – Wie kann man denn die Quellenlage so verdrehen? Der ist also ganz traurig nach Hause gegangen.

(Christian Dürr [FDP]: Das nehme ich Ihnen nicht ab, dass Sie genauso gehandelt hätten!)

Übrigens: Wer das nachlesen will, der kann mal im „Hamburger Abendblatt“ vom 19. Februar 2020 – das „Hamburger Abendblatt“ lese ich nicht so oft – nachschauen. Da wird ein bisschen erklärt, wie die Hintergründe sind, und da kann man auch lesen, dass offensichtlich in der Medienlandschaft in Hamburg es sehr unterschiedliche Auffassungen dazu gibt und dass auch die Medien gelegentlich parteipolitisch irgendwie sortiert sein könnten.

Der Florian Toncar war ganz traurig. Er hat gesagt: Millionen von Bürgern werden geprüft, die armen Arbeitnehmer zahlen einen Grenzsteuersatz von 36 Prozent – was nur heißt, die zahlen keine 36 Prozent –, und eine Warburg-Bank zahlt 90 Millionen Euro nicht zurück. – Die muss sie ja zurückzahlen. Was du verschwiegen hast, ist, dass die juristische Bearbeitung all der vorhin genannten Fälle – die 499 und 391 – ja im Gange sind. Die Betrüger werden juristisch verfolgt, und das ist richtig; das haben wir heute schon ganz oft gehört.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Stand heute!)

Insofern ist klar, dass hier mit Vermutungen gearbeitet wird und dass es unterschiedliche Auffassungen von Behörden gibt.

(Christian Dürr [FDP]: 15 Bundesländer hatten eine andere Auffassung!)

Ich will es ganz explizit sagen: Das hat was mit Verjährung zu tun. In dem Moment, wo jemand sagt: „Es ist Steuerhinterziehung“, gelten zehn Jahre, und das Geld wäre nie weg gewesen, ist man anderer Auffassung, gelten kürzere Verjährungsfristen. Darum kümmern wir uns jetzt, weil wir selbst alle zusammen einen kleinen Fehler gemacht haben. Im Moment ist ein bisschen unsicher, was vor Juli passiert. Das wird jetzt korrigiert. Insofern, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg, und wenn wir ohne Unterstellungen arbeiten, sogar auf einem richtigen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468660
Wahlperiode 19
Sitzung 172
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Cum Ex Steuerdeals
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